Forschernetzwerk darf verlagsgebundene Fachartikel nicht zugänglich machen

Fachartikel zugänglich

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In § 10 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes ist verankert, dass derjenige, der auf „den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf dem Original eines Werkes der bildenden Künste in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist, […] bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen“ wird. Doch gilt dies auch für Auskunfts- und Schadensersatzansprüche? 

Forschernetzwerk und ihre Fachartikel 

Das Verfahren betrifft einen Streit zwischen mehreren im Ausland ansässigen wissenschaftlichen Fachverlagen, die jeweils wissenschaftliche Fachzeitschriften verlegen, und der beklagten Betreiberin einer Internetplattform für ein Forschernetzwerk. Die Beklagte stellt als Plattformbetreiberin die technischen Werkzeuge für den Upload von Artikeln durch ihre Nutzer zur Verfügung. So können die Artikel auf sogenannten „Publication Pages“ eingestellt werden. Auf dieser Plattform, auf der sich Wissenschaftler untereinander austauschen und hierzu jeweils Nutzerprofile anlegen können, wurden zahlreiche Fachartikel zugänglich gemacht. Die wissenschaftlichen Fachverlage – Kläger – begehren von der Beklagten Unterlassung, Auskunft und die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Fachartikel, Previews und Abstracts auf der Plattform der Beklagten und damit das Verbot solcher Publikationen. Aus Sicht der Beklagten handele es sich um das geistige Eigentum der Verlage, da die betroffenen Artikel in den Fachzeitschriften dieser Verlage veröffentlicht worden waren. Damit seien sie allesamt nach § 2 Abs. 2 UrhG als wissenschaftliche Sprachwerke urheberrechtlich schutzfähig.

Ein weiteres „Problem“: Die Kläger haben ihren Sitz in den USA, Großbritannien und den Niederlanden und die streitigen Artikel stammen von multinationalen Autorenteams. Aus diesem Grund war es bereits umstritten, inwieweit den klagenden Verlagen Rechte an den Artikeln zustehen. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass sie für das Zugänglichmachen der Artikel nicht verantwortlich gemacht werden könne, da diese von den Nutzern selbst auf der Plattform eingestellt worden seien. 

Grenzüberschreitender Sachverhalt: Ausländische Verlage, ausländische Autoren 

Das Landgericht München (LG München, Urteil v. 31.01.2022, Az. 21 O 14450/17) urteilte insoweit im Sinne der Verlage, als es der Plattformbetreiberin untersagte, verlagsgebundene Fachartikel öffentlich zugänglich zu machen. Einen Schadensersatzanspruch lehnte das Gericht hingegen ab. 

Die Unterlassungsansprüche könnten somit von den Klägern mit Erfolg geltend gemacht werden, da die Verlage ihre Rechteinhaberschaft hinreichend belegt haben, insoweit aktivlegitimiert seien und die Beklagte für den Inhalt der Plattform auch verantwortlich sei. Zunächst äußerte sich das Gericht zu der Fragestellung, welches Recht in diesem Fall überhaupt anzuwenden ist. Die Richter machten deutlich, dass aufgrund des Schutzlandprinzips insbesondere das Bestehen des Rechts – also die Schutzfähigkeit der streitgegenständlichen Artikel, Previews und Abstracts -, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Rechtsverletzung nach deutschem Recht zu beurteilen seien. 

Anknüpfungspunkt für den urheberrechtlichen Schutz eines Werkes in Deutschland sei die Staatsangehörigkeit des Urhebers, nicht die Staatsangehörigkeit desjenigen, der Nutzungsrechte von ihm ableite. Daher sei unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Staatsangehörigkeit der Co-Autoren der streitgegenständlichen Texte, der Anwendungsbereich des deutschen Urheberrechts nach der fremdenrechtlichen Vorschrift des § 121 Abs. 2 UrhG durch ein Erscheinen der Artikel im Inland eröffnet. 

Verbot der Zugänglichmachung 

Richtig ist auch die Auffassung der Kläger, bei den streitgegenständlichen Fachartikeln würde es sich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG um Sprachwerke handeln, die urheberrechtlich geschützt seien. 

Das Gericht hält diesbezüglich fest, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die Anforderungen an die urheberrechtlich erforderliche Schöpfungshöhe eines Sprachwerkes ausweislich des Wortlauts des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG, der insoweit nicht zwischen Sprachwerken unterschiedlicher Genres unterscheide, im Grundsatz unabhängig davon seien, ob der zu beurteilende Text journalistischen, wissenschaftlichen, schöngeistigen oder sonstigen Inhalts ist. Zudem erklären die Richter, es gehe bei der im vorliegenden Fall vorzunehmenden Beurteilung auch nicht um die Frage, ob der gedankliche Inhalt der wissenschaftlichen Lehren, Theorien oder Erkenntnisse, welche Gegenstand der streitgegenständlichen Artikel sind – unabhängig von ihrer konkreten Formulierung -, aus rechtlich übergeordneten Gesichtspunkten gemeinfrei bleiben müssen. Zutreffend habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „Staatsexamen“ (BGH, Urteil v. 21.11.1980, Az. I ZR 106/78) festgestellt: 

„Der Schutz des Urhebers eines wissenschaftlichen Schriftwerks erfordert eine sorgfältige Trennung von wissenschaftlichem Ergebnis und Lehre einerseits und Darstellung und Gestaltung der Lehre im Schriftwerk andererseits. Es geht zu weit, die Urheberrechtsschutzfähigkeit einer Darstellung generell von dem behandelten Thema abhängig zu machen.“

Weiter führen die Richter aus, dass die den hier zu beurteilenden Fachartikeln zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen in eine konkrete sprachliche Form gegossen worden seien, wobei ersichtlich kreative Gestaltungsspielräume bestanden haben, die Texte abweichend zu formulieren. Da die in den streitgegenständlichen Fachartikeln jeweils gewählten Formulierungen nicht notwendig oder gar zwingend wissenschaftlich vorgegeben, sondern frei gewählt und Ausdruck individuellen Schaffens seien, könne der Ansicht der Beklagten, dass im Falle der Darstellung einer für sich genommen nicht schutzfähigen wissenschaftlichen Erkenntnis, kein Raum für individuelles Schaffen gegeben sei, nicht gefolgt werden. 

Auch die streitgegenständlichen Previews und Abstracts stellten selbständig urheberrechtlich geschützte Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr.1, Nr. 2 UrhG dar. Dies müsse schon aufgrund des gewissen Umfangs – der hier gegeben ist – anzunehmen sein. Insoweit bestehe kein Anlass, deren Schutzfähigkeit in Frage zu stellen, so die Kammer. 

Berechtigung der Kläger 

Ausschlaggebend war zudem die Frage, ob die Kläger überhaupt aktivlegitimiert, also berechtigt sind, wegen der unberechtigten Nutzung der streitgegenständlichen Texte Unterlassungsansprüche sowie Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Wie oben bereits vorweggenommen, für Letztere bestehe keine Berechtigung der Kläger.

Die Kammer ist jedoch der Ansicht, zu Recht haben sich die Kläger unter Hinweis auf den ©-Vermerk, welcher sich jeweils am Ende der streitgegenständlichen Artikel findet, auf die gesetzliche Vermutung zugunsten von Inhabern ausschließlicher Nutzungsrechte aus § 10 Abs. 3 UrhG, welcher ausdrücklich im Falle der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gilt, berufen. Nach Auffassung der Kammer soll den Erfordernissen der Rechtspraxis und dem Zweck des Vermerks mit diesem eine ausschließliche Nutzungsberechtigung – zumindest im Kontext seiner Verwendung – zum Ausdruck gebracht werden. 

Dazu bedürfe es eines kurzen Blicks auf den Ursprung des ©-Vermerks. So führt die Kammer weiter aus: Befinde sich ein solcher Vermerk etwa auf einem physischen, soll sich dieser erkennbar zumindest auf das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht hinsichtlich der auf dem Tonträger enthaltenen Werke beziehen. Befinde sich der ©-Vermerk hingegen im Rahmen einer Internetpräsenz, bestehe angesichts der Nutzungsgewohnheiten im Internet kein Anlass, diesen Vermerk auf Vervielfältigungsrechte zu beschränken und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht mitzulesen. Die am reinen Wortlaut haftende Ansicht (© = Copyright = Vervielfältigungsrecht) haftende Ansicht, es werde grundsätzlich nur auf eine Rechteinhaberschaft an den Vervielfältigungsrechten hingewiesen, nicht aber ohne weiteres auf eine exklusive Rechtseinräumung bzw. die Erstreckung auf weitere Nutzungsrechte wie etwa das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, werde den Usancen der Rechtspraxis schon deshalb nicht gerecht, weil das Copyrightzeichen aus einer Zeit stamme, in der es noch gar kein Internet gab. Demzufolge sei dieser Vermerk entsprechend dem sachlichen und zeitlichen Kontext zu lesen, in dem er verwendet wird. 

Eine Berechtigung zur Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen bestehe aus dem Grund nicht, weil nach dem eindeutigen Wortlaut die gesetzliche Vermutung des § 10 Abs. 3 UrhG für Unterlassungs-, nicht aber für Auskunfts- und Schadensersatzansprüche gilt. Es handele sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, so dass auch eine analoge Anwendung ausscheide. 

Vermutungsregelung im Urheberrecht 

Kurz zum Hintergrund: die Kammer hat den von den Klägern begehrten Schadensersatzanspruch zurückgewiesen, da nach § 10 UrhG im Falle eines Schadensersatzbegehrens höhere Anforderungen an den Nachweis der Rechtsinhaberschaft bestehen. 

Fest steht in jedem Fall, dass nach § 10 UrhG kein Erfordernis besteht, einen ©-Vermerk mit einem Rechtekatalog oder einem pauschalen Bezug wie „alle Rechte vorbehalten“ zu versehen. Vielmehr soll der Vermerk nach dem Gesetzeszweck eine Erleichterung im Rechtsverkehr bewirken. Gerade im Rahmen einer Internetpräsenz, erstreckt sich dieser also auch auf das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. (Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig). 

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