Das OLG Stuttgart bejahte im vergangenen Jahr den Anspruch des Reiss-Engelhorn-Museums in Mannheim auf Unterlassung der Verbreitung von Fotos seiner Gemälde. Eine Privatperson hatte unter anderem Lichtbilder von im Museum ausgestellten Gemälden angefertigt und auf der Plattform „Wikimedia Commons“ hochgeladen. Auch Scans aus einem durch das Museum in Auftrag gegebenen Katalog wurden so durch die Person verbreitet. Der Clou: An den Gemälden gab es schon seit langem keinen urheberrechtlichen Schutz mehr. Trotzdem hat das OLG Stuttgart beides verboten.
Warum der Fall nicht ganz so absurd ist, wie er sich anhört, erfahren Sie in unserem Beitrag.
Was bisher geschah
Das OLG Stuttgart bejahte mit seinem Urteil aus dem vergangenen Jahr (OLG Stuttgart, Urt. v. 31.5.2017, Az. 4 U 204/16) den Anspruch auf Unterlassung des Mannheimer Museums gegen einen Museumsbesucher, der trotz erlassenem Fotografieverbot Lichtbilder von Gemälden anfertigte. Diese Bilder und darüber hinaus auch Scans aus einem durch das Museum in Auftrag gegebenen Katalog, in welchem unter anderem Gemälde aus dem Museum abgelichtet wurden, stellte der Beklagte in die Medien-Plattform „Wikimedia Commons“ ein.
Das Urheberrecht der Gemälde, die zwischen den Jahren 1600 und 1900 entstanden sind, war bereits abgelaufen und die Gemälde waren daher gemeinfrei (§ 64 UrhG). Der Hobbyfotograf – mit Unterstützung des Vereins Wikimedia Deutschland – legte Revision beim BGH (Az. I ZR 104/17) ein, welcher ab Ende Oktober den Fall verhandeln wird.
Genießen Reproduktionsfotografien gemeinfreier Werke einen Schutz nach § 72 UrhG?
Eine entscheidende Frage war , ob ein Scan eines Gemälde-Abbilds aus dem Katalog gegen Urheberrechte verstößt. Dabei kommt es darauf an, ob es sich bei den Abbildungen in dem Katalog um bloße Reproduktionsfotografien handelte. Diese sind dadurch charakterisiert, dass das Ziel lediglich in einer möglichst identischen Abbildung der Vorlage liegt.
Umstritten ist, inwiefern bei Vorliegen einer Reproduktionsfotografie diese Reproduktion eigenen urheberrechtlichen Schutz im Sinne des § 72 UrhG genießt. Teilweise wird angenommen, dass § 72 UrhG teleologisch zu reduzieren sei, um so Reproduktionsfotografien von einem fotografischen Leistungsschutzrecht per se auszuschließen. Die Gegenmeinung vertritt den Standpunkt, dass auch Reproduktionsfotografien den Schutz durch § 72 UrhG genießen. Es würde ansonsten zu Wertungswidersprüchen kommen, wenn beispielsweise selbst einfachen „Knipsbildern“ Lichtbildcharakter und damit Schutz nach § 72 UrhG eingeräumt werde.
Das OLG Stuttgart verneinte eine teleologische Reduktion des § 72 UrhG im vorliegenden Fall und räumte den Abbildungen im Katalog somit eigene urheberrechtliche Schutzrechte im Rahmen des § 72 UrhG ein. Durch erneutes Reproduzieren (Scannen) und hochladen auf die Pattform verletzte der Beklagte somit die Urheberrechte des Museums, welches über die ausschließlichen Rechte an den Reproduktionsfotografien verfügte.
Das Fotografieren im Museum war verboten
Im Hinblick auf die vom Fotografen im Museum selbst aufgenommenen Bilder ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus der Übertragung der so genannten „Sanssouci“-Rechtsprechung, welche durch den BGH entwickelt worden war. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus dem Eigentums- und Hausrecht des Museums jeweils in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB. Damit folgte das OLG der bisherigen “Sanssoucci-Rechtsprechung” des BGH und dehnte diese auf bewegliche Sachen in Form der Gemälde aus. Der BGH nahm an, dass das Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien von unbeweglichen Sachen (Bauwerke, Gartenanlagen) allein dem Grundstückseigentümer zusteht, soweit diese Abbildungen von seinem Grundstück aus – und nicht von einer allgemein zugänglichen Stelle – angefertigt wurden.
Es komme im Fall der Aufnahmen im Museum entscheidend auf die Bedingungen an, unter welchen der Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Eigentumsbefugnisse aus § 903 BGB Dritten den Zugang eröffne, so das OLG. Das Museum regelte in den AGB, dass das Fotografieren innerhalb des Gebäudes verboten war und machte insofern von seinen Befugnissen als Eigentümer Gebrauch. Durch Betreten des Museums stimme der Besucher den AGB zu, sodass sich die Unterlassungsansprüche hinsichtlich der selbst im Museum angefertigen Lichtbilder aus dem Eigentums- und Hausrecht ergäben.
Fazit
Der aktuelle Fall zeigt, dass Museumsbesucher durchaus Vorsicht walten lassen sollten, wenn sie im Rahmen ihres Besuchs Schnappschüsse von Gemälden anfertigen und diese dann ins Netz stellen. Grundsätzlich kann die unüberlegte Verwendung eines geschützten Bilds schnell Schadensersatzansprüche auslösen.
Es erscheint skurril, dass auch Reproduktionsfotografien von gemeinfreien Werken einen urheberrechtlichen Schutz nach § 72 UrhG genießen. Denn so besteht die Möglichkeit, dass die für das Originalwerk vorgesehene Schutzfrist von 70 Jahren (§ 64 UrhG) um weitere 50 Jahre nach Veröffentlichung einer Reproduktionsfotografie (§ 72 Abs. 3 UrhG) verlängert werden kann, sofern dem Eigentümer die ausschließlichen Verwertungsrechte an der Reproduktionsfotografie zustehen und die Anfertigung von Lichtbildern durch Dritte untersagt wird.
Es bleibt also abzuwarten, ob der BGH diesen Ausführungen zum Schutz von Reproduktionsfotografien gemeinfreier Werke folgen wird und somit die Möglichkeit billigt, eine “Verlängerung” des urheberrechtlichen Schutzes eines Originalwerks zu erreichen. Mit Spannung erwartet werden kann darüber hinaus, ob die höchstrichterliche Sansoucci-Rechtsprechung auch auf bewegliche Sachen ausdehnt wird.
Update
Mittlerweile hat der BGH ein Urteil gefällt: