Sie dienen als Filmkulisse oder als bizarre Location für Fotoshootings: „Lost Places“, verlassene Gebäude, alte Industrieanlagen, Burgruinen. Mit ihrem morbiden Charme stehen sie für Zerstörung, Vergänglichkeit, Wandel und Neubeginn – schließlich bemächtigt sich rasch die Natur der von Menschen erbauten Objekte. Es grünt inmitten von steinernen Mauern. Ein tolles Motiv.
4500 Euro Schadenersatz gefordert
Dachte sich auch ein Fotograf und schoss Bilder einer verfallenen Burg aus dem Spätmittelalter. Diese Fotos stellte er unter dem Label „Lost Place“ auf seine Website – und wurde verklagt. Die Eigentümerin der Ruine verlangte 3000 Euro Schadenersatz wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung. Zudem sei die Bezeichnung der Burg als „Lost Place“ unwahr; für diesen ehrverletzenden Lapsus sollten noch einmal 1500 Euro gezahlt werden.
Tatsächlich: „Lost Place“
Dieser Forderung mochte das AG München nicht stattgeben (AG München, Urteil vom 9.4.2021, Az.: 142 C 14251/20). Die Bezeichnung „Lost Place“ entspreche wegen des „äußerst schlechten baulichen Zustands“ der Burg den Tatsachen. Zudem sei der Burgherrin kein immaterieller Schaden aufgrund einer angeblichen „Verletzung moralischer Rechte“ entstanden – eine von der einschlägigen Norm verlangte „schwerwiegende Beeinträchtigung“ durch die Bezeichnung „Lost Place“ sei auszuschließen.
Baujahr 1375 – Urheberschaft ausgeschlossen
Dass Juristen über einen gesunden Humor verfügen, zeigte sich dann schließlich auch noch in der Begründung des klageabweisenden Urteils zur angeblichen Urheberrechtsverletzung. Eine solche liege schon deshalb nicht vor, so das AG München, weil nicht dargelegt sei, dass die Eigentümerin der Burg diese selbst errichtet habe, „was angesichts des Fertigstellungsdatums jedenfalls des Wiederaufbaus im Jahr 1375 wohl auch eher fernliegen dürfte“.
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.