Grundsätzlich können auch anwaltliche Schriftsätze urheberrechtlich geschützt sein.
Das (urheberrechtliche) Problem liegt aber darin, dass sie eher dem (rechts)wissenschaftlichen Bereich zuzuordnen sind als dem literarischen. Urheberrechtlicher Schutz kommt nur dann in Betracht, wenn ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials, anzunehmen ist – so zumindest der Bundesgerichtshof.
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg stellte sich nun die Frage, ob dies im vorliegenden Sachverhalt der Fall war.
Herausgabe eines anwaltlichen Schriftsatzes
Die Kläger wenden sich gegen die Herausgabe eines anwaltlichen Schriftsatzes durch die Beklagte an den Beigeladenen. Dazu kam es wie folgt:
Unter Berufung auf das Hamburgische Transparenzgesetz beantragte ein Dritter – der Beigeladene – des Verfahrens bei der Beklagten, ihm den anwaltlichen Schriftsatz, den der Anwalt für die Klägerin verfasst, durch Überlassung einer Kopie zugänglich zu machen. Allerdings widersprachen die Kläger dieser Herausgabe, weil hierin eine Verletzung ihres Urheberrechts liege. Das aus dem Grund, weil es sich um ein geschütztes Werk handele, das noch nicht veröffentlicht worden sei. Trotzdem teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass sie seinem Antrag nach Bestandskraft des Bescheides entsprechen werde. Geschwärzt würden die Angaben zur Produktionsumstellung sowie Namen und Unterschrift des handelnden Rechtsanwalts. Hierüber wurden die Kläger in Kenntnis gesetzt. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein.
Urheberrechtsschutz oder nicht?
In der Regel wird Anwaltlichen Schriftsätzen der Urheberrechtsschutz abgesprochen. So können sie beliebig von Dritten zitiert und vervielfältigt werden. Bei solchen Schriftsätzen soll es sich um Produkte alltäglicher Routine handeln, welche sich typischerweise auf die nach herkömmlichen und methodischen Regeln erfolgende subsumtionsfähige Strukturierung von Tatsachenstoff und die methodisch-dogmatisch geordnete Subsumtion dieses Materials unter einschlägige Rechtsnormen beschränkt. Wie diese letztlich formuliert sind spielt keine Rolle.
Allerdings hat dies nicht zur Folge, dass anwaltliche Schriftsätze generell nicht urheberrechtsfähig sein können. Um von einem urheberrechtlichen Schutz ausgehen zu können, kommt es in erster Linie auf die Form und Art der Sammlung, die Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes an, nicht jedoch auf den Inhalt. Für die Begründung eines Urheberrechtsschutzes reicht es demnach nicht aus, dass das Schreiben besonders innovativ ist.
Im vorliegenden Fall war streitig, ob der in einem Verwaltungsverfahren eingereichte anwaltliche Schriftsatz durch die Hamburger Behörden einem Dritten auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes herausgegeben werden muss.
Urheberrecht schützt anwaltliche Schriftsätze
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg (OVG Hamburg, Urteil v. 20.09.2021, Az. 3 Bf 87/18) ist der Auffassung, einer Herausgabe stehe der Urheberrechtsschutz entgegen und verneinte diese deswegen. Also wies das Gericht die Berufung der Beklagten zurück.
Grundsätzlich stehe jeder Person der Anspruch auf unverzüglichen Zugang zu allen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen zu. Dies ergebe sich in Hamburg aus dem Transparenzgesetz des Landes (HmbTG). Daher musste sich das OVG mit der Frage befassen, ob der Zugang auch für anwaltliche Schriftsätze gilt oder diesen der Urheberschutz entgegenstehe und kam zu dem Ergebnis, dass letzteres in diesem Fall zutreffe. Knackpunkt an dieser Entscheidung ist folgender: Der Urheberrechtsschutz soll seinem Urheber die kommerzielle Nutzung seiner „Werke“ – also die Verbreitung – ermöglichen. Allerdings wird der Urheberschutz im Bereich der Informationsfreiheit nun zum Gegenteil. Denn „Werke“ werden so gesehen zur Verschlusssache.
Die Richter argumentieren dies damit, dass dem Informationsanspruch des Beigeladenen ein Informationsverbot entgegenstünde, da der streitgegenständliche Schriftsatz Urheberschutz genieße. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Urhebergesetz (UrhG) gehörten zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst insbesondere Sprachwerke, wie Schriften, Reden und Computerprogramme. Voraussetzung sei nach § 2 Abs. 2 UrhG, dass es sich bei den Werken um persönliche geistige Schöpfungen handele. Wenn ein Werk von den schöpferischen Beiträgen seines Urhebers geprägt sein und sich insoweit durch Individualität oder Originalität auszeichnen solle, müsse ein Gestaltungsspielraum bestehen, so das Gericht. Dieser finde sich bei Sprachwerken wissenschaftlichen und technischen Inhalts – zu denen auch anwaltliche Schriftsätze gehörten – primär in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes. Nicht hingegen ohne Weiteres auch in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Denn wenn die schöpferische Kraft eines Schriftwerks allein im innovativen Charakter seines Inhalts liege, komme ein Urheberrechtsschutz eben nicht in Betracht. Diesbezüglich betonte das OVG, der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes müsse einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein.
OVG folgt nicht der Ansicht des BGH
Eine Absage erteilten die Richter jedoch gegenüber den strengeren Maßstäben des Bundesgerichtshofs (BGH). Vielmehr ist er der Auffassung, dass auch der Urheberrechtsschutz eines anwaltlichen Schriftsatzes nicht (mehr) voraussetze, dass er das Alltägliche, Handwerksmäßige, bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überrage. So hatte auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil v. 26.09.2019, Az. 7 C 1/18) die Hürde des BGH als zu hoch angesehen. So müsse es sich zum einen bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstelle. Zum anderen sei die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen. Es komme also auf die Originalität an, welche fehlt, wenn technische Erwägungen, Regeln oder andere Zwänge bei der Schaffung des Werkes bestimmend waren.
Genau diese Voraussetzungen erfülle eben der anwaltliche Schriftsatz, so das Gericht. In diesem Fall umfasse der Anwaltsschriftsatz neun Seiten und erreiche damit eine ausreichende Schöpfungshöhe. Auch bei der Wortauswahl habe ein Gestaltungsspielraum bestanden. Der Schutzfähigkeit könne auch nicht entgegenstehen, dass der Sprachstil und der Ausdruck wahrscheinlich in dem üblichen nüchternen, funktionalen, juristischen Duktus gehalten sei.
Besondere juristische Darstellung verdient Urheberrechtsschutz
Also ist auch ein anwaltlicher Schriftsatz als Sprachwerk dem urheberrechtlichen Schutz des § 2 Abs.1 Nr. 1 UrhG zugänglich. Voraussetzung ist und bleibt auch in diesem Fall eine persönliche geistige Schöpfung der jeweiligen Person. Dies kann aber eben auch bei einem sachgerechten, prägnanten Schriftsatz – die juristische Kunst – angenommen werden und nicht nur bei einem wohl „schlechten“ Schriftsatz, der originell und dichterisch ist. Festzuhalten ist vor allem, dass nicht der Inhalt des Werkes entscheidend ist, um Schutzfähigkeit annehmen zu können.