Der bayerische Verrwaltungsgerichtshof hat in einem aktuellen Beschluss die Feststellung bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft vor der Veröffentlichung vermeintlich belastender Pressemitteilungen den Betroffenen einen gewissen Zeitraum zur Vorbereitung einer Reaktion einräumen muss.
Wann dieser Zeitraum als ausreichend anzusehen ist, sei allerdings grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
Staatsanwaltschaft gibt zwei Stunden Vorlaufzeit
Im Vorfeld des Urteils hatte die Staatsanwaltschaft Regensburg, nachdem sie in einem Strafverfahren Anklage gegen den Kläger der Entscheidung vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Bestechung, Vorteilsgewährung und Verstößen gegen das Parteiengesetz erhoben hatte, eine entsprechende Pressemitteilung noch am selben Tag publik gemacht. Gleichzeitig wurde die Durchführung einer mündlichen Presseinformation angekündigt, die ebenfalls am selben Tag stattfinden sollte. Im Einzelnen war die Anklageschrift um ca. 9.00 Uhr beim Landgericht Regensburg eingegangen. Etwa eine halbe Stunde später wurde benanntes Schriftwerk dem Verteidiger des Betroffenen übermittelt, wobei allerdings die wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen nicht beigefügt waren. Noch einmal zwei Stunden später veröffentlichte die Staatsanwaltschaft die erwähnte Pressemitteilung. Gegen dieses Vorgehen erhob der den Delikten bezichtigte letztlich Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Ziel festzustellen, dass das Vorgehen der Staatswanwaltschaft rechtswidrig war.
Piano mit den Pressemitteilungen!
Und das mit Erfolg: Der bayerische Verwaltungsgerichtshof gab dem Kläger letztinstanzlich Recht, indem er den Antrag auf Zulassung der Berufung des Freistaats Bayern ablehnte (BayVGH, Beschluss v. 20.8.2020, Az. 7 ZB 19.1999; Vorinstanz: VG Regensburg, Urteil v. 23.7.2019, Az. RO 4 K 17.1570). Nach Auffassung der Richter sei die Staatsanwaltschaft zwar grundsätzlich berechtigt, die Presse über die Anklageerhebung zu unterrichten. Die an die Öffentlichkeit übermittelten Details gaben auch inhaltlich keinen Grund zur Beanstandung. Allerdings hieß es in der Urteilsbegründung auch folgendermaßen:
Zutreffend folgert das Verwaltungsgericht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 26.5.1981, Az. 2 BvR 215/81), dass der Schutzbereich der Verfahrensfairness sich ausdrücklich auch auf den Umgang mit Medien und der Öffentlichkeit erstreckt. Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, das in der Verfassung nur zum Teil näher konkretisiert ist, enthält das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote, sondern bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dies bedeutet, dass im Rahmen der presserechtlichen Auskunftspflicht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden muss.
Aus diesen Grundsätzen ergebe sich für den Betroffenen ein Recht auf einen ausreichenden Zeitraum zur Vorbereitung einer fundierten Reaktion auf eine Pressemitteilung. Im konkreten Fall sei die dem Betroffenen eingeräumte Spanne zwischen Übersendung der Anklage an dessen Verteidiger und der Pressemitteilung allerdings zu knapp gewesen. Ein “Puffer” von lediglich zwei Stunden reiche nicht aus, um eine überzeugende Stellungnahme vorbereiten und abgeben zu können. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Umstand, dass die Anklageschrift mit 25 Seiten ungewöhnlich lang sei. Auch das von der Gegenseite vorgebrachte Argument, der Betroffene könne im Anschluss an eine Pressemitteilung gleichsam an die Öffentlichkeit treten und eine Gegendarstellung präsentieren, wurde entkräftet. Hier spreche das besondere Aktualitätsinteresse der Medien und die kurzen Wahrnehmungsspanne der Öffentlichkeit gegen eine Waffengleichheit.
Fazit
Wie immer im Rahmen von juristischen Fragen gilt: Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Urteilsbegründung explizit erwähnt, dass eine Vorlaufzeit von zwei Stunden nicht per se schon als zu kurz zu qualifizieren sei. Erst die besonders umfangreiche Anklageschrift von 25 Seiten hat zu dieser Ansicht geführt. Auch dass die wesentlichen Ermittlungsergebnisse nicht übermittelt wurden, ließen die “Waage” in Richtung des Feststellungsklägers ausschlagen. Umso mehr sind die Geriche angehalten, wie im vorliegenden Fall geschehen, interessengerechte Abwägungen je nach individueller Lage vorzunehmen.