Das Corona-Virus hält die Menschheit in Atem.
Die Welt scheint still zu stehen. Immer mehr Unternehmen und Betriebe müssen (vorerst) schließen. Ausgangssperren werden voraussichtlich früher oder später unweigerlich auch in Deutschland gelten.
Es ist nicht die Aufgabe von Juristen, diese Maßnahmen medizinisch, virologisch oder epidemiologisch zu beurteilen. Damit kennen wir uns nicht aus. Wir sind so genannte “Organe der Rechtspflege”.
Deshalb beleuchtet der folgende Beitrag die Frage, ob die anhaltende Krise auch vor der Justiz keinen Halt machen wird. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, welche Rolle die Gerichte und Anwälte in Zeiten von Home-Office und Social-Distancing noch für den Bürger spielen können.
Stillstand der Rechtspflege?
Die herausragende Bedeutung einer funktionierenden Rechtspflege für unsere Gesellschaft steht außer Frage. Die Justiz ist als tragende Säule des Rechtsstaates systemrelevant. Ohne sie kann der Bürger seine Rechte nicht durchsetzen. Strafverfolgung wäre nicht möglich. Rechtsfrieden könnte nicht einkehren.
Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst einmal besorgniserregend, dass auch die deutsche Gerichtsbarkeit darum bemüht ist,
„[…] den Zugang zu den Gerichten jetzt auf das absolut notwendige Minimum herunterzufahren, um die Gesundheit aller Beteiligten zu schützen“
wie der Deutsche Richterbund (DRB) neulich bekräftigte. Die Deutsche Justiz-Gewerkschaft (DJG) geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie fordert die deutschen Gerichte für mindestens zwei Wochen in „Corona-Ferien“ zu schicken.
Selbst wenn es dazu kommen würde, wäre dies jedoch nicht gleichbedeutend mit einem Stillstand unserer Rechtspflege. Dass dringliche Entscheidungen nicht aufgeschoben werden können, sieht selbst die DJG ein. Und auch der DRB betont, dass die Justiz alles dafür tun werde, dass der Zugang zum Recht für die Bürger in dringenden Fällen gewährleistet bleibe.
Dass die Justiz ihren Betrieb nicht einstellen muss und dies auch nicht tun wird, verdeutlicht auch ein kürzlich ergangener Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Dieses wies am 19.03.2020 einen Eilantrag zweier Strafrechtler aus München ab, die mit ihrem Antrag erreichen wollten, dass bestimmte Prozesse angesichts der bestehenden Ansteckungsgefahr nicht mehr weiterverhandelt werden.
Zu noch drastischeren Mitteln griff ein anderer Rechtsanwalt aus München. Dieser ging so weit, dass er einen Richter am Landgericht München I wegen versuchter Körperverletzung anzeigte, da letzterer den Prozess trotz der bestehenden Corona-Krise nicht einstellen wollte. Angesichts der bestehenden richterlichen Unabhängigkeit ein recht verzweifelt wirkender Versuch einer Ansteckung mit Covid-19 vorzubeugen.
Eilrechtsschutz auch ohne mündliche Verhandlung
Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 bekräftigt (BVerfG, Beschluss v. 30.09.2018, Az. 1 BvR 1783/17), dass einstweilige Verfügungen auch in presserechtlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlungen erlassen werden können. Voraussetzung ist, dass die gegnerische Partei vorher abgemahnt wurde und Gelegenheit zur Äußerung hatte.
Nichts anderes gilt im gewerblichen Rechtsschutz und im Wettbewerbsrecht. Eine mündliche Verhandlung ist erst dann und später unausweichlich, wenn die gegnerische Partei der zugestellten einstweiligen Verfügung widerspricht (§§ 936, 924 Abs. 2 Satz 2 ZPO). In diesem Fall kann der gegenwärtigen Situation durch eine Bild- und Tonübertragung (§ 128 a Abs. 1 und 2 ZPO) Rechnung getragen werden. Fraglich ist allerdings, ob die Gerichte über die notwendigen technischen Kapazitäten verfügen.
Während der Corona-Pandemie können Wettbewerber und Verbraucherschützer einstweilige Verfügungen nach wie vor vor allem zum Schutz vor irreführender Gesundheitswerbung nutzen. Dabei wird oft mit der Angst der Verbraucher gespielt, wie ein aktueller Beitrag der Kanzlei Löffel Abrar verdeutlicht. Ein insbesondere in der aktuellen Situation nicht hinnehmbarer Zustand.
In Zeiten des mobilen Arbeitens können Anwälte entsprechende Anträge leicht auf elektronischem Weg bei Gericht einreichen. § 944 der Zivilprozessordnung (ZPO) erlaubt in dringenden Fällen, dass der Vorsitzende Richter als Einzelrichter anstatt des Gerichts entscheidet. Denkbar erscheint, dass die Norm auch auf Situationen wie die jetzige zugeschnitten ist.
Problem: Einhaltung der so genannten „Dringlichkeitsfrist“
Probleme könnte bereiten, dass der Eilrechtsschutz ab Kenntnis vom unlauteren Verhalten innerhalb einer so genannten „Dringlichkeitsfrist“ beantragt werden muss. Das Landgericht Köln, Urteil vom 30.01.2020, Az. 14 O 171/19, geht in der Regel von einem Zeitraum von einem Monat aus. Eine Zeitpanne, die angesichts der existierenden Situation sehr knapp bemessen ist. Hinzu kommt, dass ein dringlicher Fall vermutet wird, diese Vermutung vom Antragsgegner aber widerlegt werden kann. Wünschenswert wäre es daher, wenn die Dringlichkeitsfristen zumindest im Einzelfall unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Lage angemessen verlängert werden.
The Show Will Go On
Fest steht: Die Rechtspflege steht nicht still! Rechtsschutz suchende Bürger können sich weiterhin auf den Rechtsstaat verlassen, auch wenn einzelne Gerichtsverhandlungen vertagt werden sollten. Sobald der erste große Aufwand für die Richterschaft aufgrund der Umstellung auf die Krise bewältigt ist, könnte es sogar sein, dass die Kammern und Senate aufgrund des Wegfalls von Präsenzgerichtsverhandlungen vielleicht sogar etwas mehr Zeit haben, sich einstweiligen Verfügungsverfahren ganz besonders sorgfältig zu widmen.
Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich auch: Der LHR-Kanzleibetrieb geht ungestört weiter. Wir stehen für Anfragen und Besprechungen nach wie vor über E-Mail, Telefon und Skype zur Verfügung. Nötigenfalls auch aus dem Homeoffice. Für uns ist es darüber hinaus selbstverständlich, dass wir in Einzelfällen auch unbürokratisch helfen. Sprechen Sie uns gerne unverbindlich an.