Anwaltsrechnung: Wann ist Umsatzsteuer zu erstatten?
Nicht bei jeder Anwaltsrechnung ist die Umsatzsteuer, etwa durch eine Versicherung, zu erstatten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat sich nun mit der Frage befasst, ob ein Abgemahnter eine Zahlung zurückhalten darf, weil noch keine Rechnung gestellt wurde. Das Gericht entschied, dass dem Abgemahnten kein Zurückbehaltungsrecht zusteht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.12.2022, Az. 6 U 255/21).
Bei Anwaltsrechnungen ist zunächst zwischen Honorarrechnungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne und Berechnungen über angefallene Honorare zu unterscheiden. Auch bei der Abrechnung eines Rechtsanwalts gegenüber einer Kfz- Haftpflichtversicherung liegt keine Rechnung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor.
Umsatzsteuer nur bei Anwaltsberatung im Inland
Mit ihren Beratungsleistungen erbringen Rechtsanwälte sonstige Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 9 Umsatzsteuergesetz (UStG). Die Leistungen von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sind grundsätzlich am Ort der Kanzlei steuerbar und werden daher am Sitz der Kanzlei umsatzsteuerpflichtig, was die deutsche Umsatzsteuer betrifft. Rechtsanwaltsleistungen unterliegen nur der Umsatzsteuer, wenn der Ort der Beratungsleistung im Inland liegt, was in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG („Steuerbare Umsätze“) geregelt ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Anwaltsrechnung also im Einzelfall ohne Ausweis von Umsatzsteuer erfolgen.
Abgemahnte haben unter Umständen Anspruch auf eine Rechnung nach § 14 UStG über die gegenüber dem Abmahnenden erbrachte Abmahnleistung. Dieser Anspruch besteht allerdings nicht in Fällen, in denen nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2021 (Geschäftszeichen III C 2 – S 7100/19/10001 :006, DOK 2021/0998752, MwStR 2021, 912) die Behandlung der Abmahnung als umsatzsteuerfrei vom Abgemahnten akzeptiert wird. Es geht hier also um den generell möglichen Fall, dass eine Anwaltsrechnung ohne Umsatzsteuer ausgestellt ist.
Aufwendungsersatz gilt als Entgelt
Grund ist ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil v. 13.02.2019, Az. XI R 1/17), wonach Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund einer urheberrechtlichen Abmahnung zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren sind.
Voraussetzung: Keine Abführung von Umsatzsteuer
Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der Abmahnende eine vor dem 1. November 2021 erfolgte Abmahnung nicht als steuerbare Leistung an den Abgemahnten behandelt, indem er vom Abgemahnten lediglich die Erstattung des Nettobetrags verauslagter Anwaltsgebühren verlangt, aber dem Abgemahnten keine Umsatzsteuer auf diesen Betrag berechnet. Der Abmahnende darf die Umsatzsteuer außerdem weder an das Finanzamt abführen noch auf eine etwaige Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweisen. Der Abgemahnte darf den Vorgang außerdem nicht anders behandeln, indem er über die Anwaltsrechnung hinaus Umsatzsteuer an den Abmahnenden oder das Finanzamt zahlt oder im Wege des Vorsteuerabzugs gegenüber dem Fiskus geltend macht.
Auskunftspflicht: Rechnungen und Lieferscheine vorzulegen
Das OLG Karlsruhe entschied in dem Urteil im Übrigen, dass der Schutzrechtsverletzer dem Verletzten im Rahmen der Auskunftspflicht nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch regelmäßig neben Rechnungen auch vorhandene Lieferscheine zu dem Vorgang vorlegen muss.
In dem Rechtsstreit machte die Klägerin Ansprüche auf Unterlassung wegen einer durch die Beklagte eingeräumten Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 965 014 geltend. Die Ansprüche wurden nach Ablauf des Patents für erledigt erklärt, die Klägerin verlangte jedoch weiterhin Unterlassung wegen angeblichen unlauteren Wettbewerbs. Sie machte außerdem Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz geltend. Diese Ansprüche stützte die Klägerin für den Zeitraum bis zum Ablauf des Patents auf Patentverletzung und für den Zeitraum danach auf unlauteren Wettbewerb. Ferner machte die Klägerin wegen der behaupteten Patentverletzung Ansprüche auf Herausgabe zur Vernichtung sowie Rückruf und/oder Entfernung geltend und verlangte den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Keine Umsatzsteuer, kein Zurückbehaltungsrecht
Das OLG Karlsruhe urteilte, dass ein Anspruch auf Rechnungsstellung nach § 14 UStG ausscheide. Denn zumindest in einem Fall, in dem nach dem Ministerialerlass die Behandlung der Abmahnung als Leistung ohne Umsatzsteuer nicht beanstandet werde, bestehe auch kein Anspruch auf eine Rechnung nach § 14 UStG und auch kein Zurückbehaltungsrecht. Dies gelte erst Recht, wenn Zweifel an der Besteuerung bestünden. Da eine Erhebung der Umsatzsteuer in dem gegebenen Fall nicht erfolge, schließe dies auch einen Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus.
Wem eine Anwaltsrechnung erstattet wurde, insbesondere nach dem Ministerialerlass, sollte prüfen, ob alle Erstattungen korrekt erfolgt sind.