BGH: Anforderungen an Form des Muster-Widerrufsformulars
Beim Abschluss eines Vertrages als Verbraucher kommen wir – fast täglich – mit Vorschriften des Widerrufsrechts in Berührung.
Sie enthalten Regelungen über den Beginn der Widerrufsfrist, das Erlöschen des Widerrufsrechts und über die Möglichkeit des Unternehmers, dem Verbraucher ein Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen. Geregelt sind die geltenden Vorschriften in § 355 ff. BGB sowie dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB).
Neben den allgemein geltenden Regelungen für alle Verbraucherverträge, enthalten die Vorschriften auch Sonderregelungen für außerhalb von Geschäftsräumen und im Fernabsatz geschlossene Verträge.
Doch welchen Anforderungen muss ein Muster-Widerrufsformular, welches vom Unternehmer genutzt wird, tatsächlich gerecht werden? Und ist es ausreichend, wenn ich das Widerrufsformular einmalig lese und es mir dann nicht in einer anderen Form dauerhaft zur Verfügung gestellt wird?
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 26.11.2020, Az. I ZR 169/19) stellt klar: Die fehlende Aushändigung des Formulars führt dazu, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht erlischt und der Unternehmer auch keinen Anspruch auf Wertersatz hat.
Vertrag ohne Muster-Widerrufsformular
Die Beklagten wollten ein Reihenhaus verkaufen. Zu diesem Zwecke schalteten sie eine Anzeige in der Zeitung, mit der sie das Objekt anboten. Daraufhin meldeten sich die späteren Erwerber bei den Beklagten.
Zwei Tage später unterschrieben die Beklagten in ihrer Wohnung, einen vom Kläger vorformulierten „Makler-Verkaufsauftrag“, der ein Alleinverkaufsauftrag war. Dieser sieht vor, dass bei einem Verkauf ohne die Mitwirkung des Maklers (Kläger), die Beklagten eine Pauschalentschädigung entrichten müssen. Im Rahmen dessen unterzeichneten sie ein gesondertes Blatt mit einer Widerrufsbelehrung. In dieser wurde darauf hingewiesen, dass für einen Widerruf das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwendet werden kann. Zudem wurden handschriftlich zwei, vom Kläger vorformulierte Erklärungen des Auftragsgebers, angekreuzt. Zum einen wurde geregelt, dass der Kläger bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Erbringung der Dienstleistung beginne. Zum anderen enthielt der Zusatz die Regelung, dass bei vollständiger Vertragserfüllung das Widerrufsrecht des Auftraggebers erlischt. Ein Muster-Widerrufsformular wurde nicht beigefügt.
Zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem der Kaufvertrag zwischen den Erwerbern und den Beklagten abgeschlossen wurde, erteilte der Kläger den Beklagten die Rechnung für den Betrag der Maklerprovision. Daraufhin erklärten die Beklagten den Widerruf des Maklervertrages.
Pflicht: Informationen zur Verfügung stellen
Nach § 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Damit werden Art. 2 Nr. 8 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher umgesetzt. Zweck der Richtlinie ist eine Vollharmonisierung der von ihr erfassten Aspekte des Verbraucherschutzes. Zudem gilt die Regelung im Grundsatz für sämtliche außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträge, bei denen dem Verbraucher durch § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt wird. Um einen „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag“ handelt es sich bei jedem Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.
Pflicht bei solchen Verträgen, ist das Unterrichten des Verbrauchers entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB durch den Unternehmer. Kommt der Unternehmer dem nicht nach, kann die Widerrufsfrist nicht beginnen. Zudem legt die Regelung die Informationspflichten des Unternehmers fest, wenn dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht. Danach muss der Unternehmer der Pflicht nachkommen, den Verbraucher über Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular zu informieren. Darunter zählt vor allem das zur Verfügung stellen der Informationen nach Art. 246a § 1 EGBGB vor Abgabe von dessen Vertragserklärung. Ausreichend sei nicht das kurzzeitige überlassen der Informationen, vielmehr habe der Unternehmer die Information auf Papier oder, bei Zustimmung des Verbrauchers, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen, so der Bundesgerichtshof (BGH).
Kein Anspruch auf Zahlung
Demnach bestehe ein Provisionsanspruch des Maklers nicht. Zwar sei zwischen den Parteien ein wirksamer Maklervertrag abschlossen worden und der Kläger habe auch seine Leistung in Form der Vermittlung des Kaufvertrages erbracht. Jedoch haben die Beklagten den Maklervertrag wirksam widerrufen, so dass die Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Courtage entfalle. Die Widerrufsfrist sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen, weil der Fristbeginn eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung voraussetze. Hierzu gehöre gerade die tatsächliche Aushändigung der Informationen über die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts an den Verbraucher, so der BGH. Eine Aushändigung fand gerade nicht statt, was dazu führe, dass das Widerrufsrecht der Beklagten nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen sei, obwohl der Kläger die vollständige Leistung erbracht habe.
Das zeige, dass der Beginn der Widerrufsfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht nur voraussetze, dass der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB informiere, sondern darüber hinaus auch erfordere, dass der Unternehmer dem Verbraucher diese Information gem. § 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auch tatsächlich zur Verfügung stelle.
Wann erlischt mein Widerrufsrecht?
Grundsätzlich regelt § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB, dass das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und die Vertragsleistung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass jener sein Widerrufsrecht bei vollständiger Erfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen hat. Die Zustimmung zur Ausführung der Dienstleistung müsse zudem bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen von dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden, stellt der Bundesgerichtshof klar.
In jedem Fall bedürfe es aber auch hier der Aushändigung der Widerrufsbelehrung und des Muster-Widerrufsformulars in der Anlage 2 EGBGB. Es müsse demnach für das Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB gefordert werden, dass dem Verbraucher eine formell ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt werde. Denn aus dem mit § 356 Abs. 4 BGB verfolgten Zweck ergebe sich, dass es für den Verlust des Widerrufsrechts nicht ausreiche, dass dem Verbraucher die Existenz des Widerrufsrechts bekannt ist, oder er lediglich die Möglichkeit hatte, sich über die Bedingungen zu informieren. Der BGH ist vielmehr der Auffassung, es sei erforderlich, dass er so vom Unternehmer belehrt werde, dass er nicht an der Ausübung des Widerrufsrechts gehindert sei.
Das Erfordernis der vorgesehenen formalen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung in Form einer Dokumentation ergebe sich insbesondere aus dem Sinn des Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB und der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher. So soll dem Verbraucher die Möglichkeit verschafft werden, alle Fakten bei Bedarf jederzeit nach Vertragsschluss nachlesen zu können. Diese Möglichkeit bestehe gerade nicht, wenn dem Verbraucher lediglich Kenntnis von seinem Widerrufsrecht gegeben worden ist – es käme zu einer Erschwerung der Ausübung dieses Rechts.
Keine ordnungsgemäße Information = kein Wertersatz
Auch auf den Anspruch gemäß § 357 Abs. 8 BGB gerichtet auf Wertersatz hat das ordnungsgemäße Informieren des Verbrauchers Auswirkung. Dieser besagt:
„Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom in nicht bestimmten Mengen oder nicht begrenztem Volumen oder über die Lieferung von Fernwärme, so schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt.“
Allerdings kann dieser Anspruch nur bestehen, sofern der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a §1 Abs. 2 EGBG ordnungsgemäß informiert hat. Auch hier könne nichts anderes gelten – so bestehe die Pflicht, die Informationen dem Verbraucher auf Papier oder einem sonstigen dauerhaften Datenträger zu übermitteln.
Augen auf: Anforderungen an die Form des Muster-Widerrufsformulars
Das zeigt: Eine Aushändigung der Widerrufsbelehrung an den Verbraucher ist erforderlich, so der Bundesgerichtshof kürzlich. Denn zum einen zeige Art. 246 § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB, dass ein „Zur-Verfügung-Stellen“ und ein „Bereitstellen“ bedeute, dass dem Verbraucher die Informationen physisch übergeben werden müsse – wonach die bloße Kenntnisnahme danach nicht genüge. Zum anderen bezwecke die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, ein hohes Verbraucherschutzniveau dadurch sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird.
Gerade bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen dienen die Informationspflichten und die formalen Anforderungen dem Verbraucherschutz. Denn es steht nicht im Einklang mit dem Ziel des Verbraucherschutzes, wenn der Verbraucher das ihm grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht verliere, ohne in der Lage gewesen zu sein, es ungehindert ausüben zu können.