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Kündigungsklauseln im Parship-Vertrag von OLG gekippt

KündigungsklauselnOnline-Partnersuchen erfreuen sich äußerster Beliebtheit. Einige Nutzer sind dazu bereit, ihrer Suche nach der Liebe auch durch den Abschluss kostenpflichtiger Abos nachzuhelfen.

Wenn der Kunde jedoch den Dienst nicht mehr benötigt, etwa weil er einen Partner oder eine Partnerin gefunden hat, kann die automatische Verlängerung des Vertrags für ihn unerwünscht sein, wenn er nicht mehr fristgemäß kündigen kann.

Das Hanseatische OLG hat in einem Musterfeststellungsverfahren zu den Kündigungsklauseln in den AGBs von Parship (Urt. v. 26.10.2023, Az. 3 MK 2/21) festgestellt, welche Kündigungsfristen für welche Vertragslaufzeiten bei Online-Partnervermittlung angemessen sind.

Das Hamburgische Gericht sah eine Kündigungsfrist von zwölf Wochen zum Ende der Vertragslaufzeit zumindest bei Verträgen, deren ursprüngliche Vertragslaufzeit lediglich bis zu zwölf Monaten beträgt, als unwirksam an. Mit seinen übrigen Feststellungsbegehren wurde der Musterkläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen, jedoch abgewiesen.

Kläger begehrt verschiedene Feststellungen zu Kündigungsklauseln bei Parship

Der Kläger des Musterverfahrens wollte durch das OLG feststellen lassen, dass die ordentlichen Kündigungsfristen von zwölf Wochen, die von 2018 bis zum 28.02.2022 in den AGBs von Parship zu finden waren, unwirksam seien.

Des Weiteren begehrte der Verbraucherschutzverband die Feststellung, dass die Online-Partnervermittlung von Parship als Dienst höherer Art im Sinne von § 627 BGB anzusehen sei, bei dem eine fristlose Kündigung möglich sei und dass bei fristloser Kündigung die geschuldete Vergütung auf den Zeitabschnitt der Vertragslaufzeit bis zum Eingang der Kündigungserklärung zu beschränken sei.

Online-Dating-Plattformen sind kein Dienst nach § 627 BGB

Das OLG war bezüglich der Frage, ob die Leistung der Musterbeklagten, Betreiberin von Parship, einen Dienst darstelle bei dem gemäß § 627 Abs. 1 BGB ein Recht zur fristlosen Kündigung bestehe, nicht mit dem Kläger einer Meinung. Ein solches Dienstverhältnis sei dadurch geprägt, dass Dienste höherer Art geschuldet seien, die typischerweise aufgrund eines besonderen Vertrauens übertragen werden. Darunter fielen laut Rechtsprechung des BGH Dienstleistungen, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen. Zudem könnten auch Leistungen, die den persönlichen Lebensbereich betreffen und im typischen, allgemeinen Fall gerade aufgrund eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Dienstberechtigten und -verpflichteten bestehen, hierunter fallen.

Hiervon seien laut Rechtsprechung klassische Heiratsvermittlungen (§ 656 Abs. 1 BGB) sowie Partnervermittlungen erfasst, die durch echte Personen durchgeführt werden. Wie der BGH jedoch bereits entschieden habe, könne ein Dienst wie der von Parship, also der Zugang zu einer Online-Plattform, auf der durch ein algorithmus-basiertes Verfahren zwischen „kompatiblen“ Singles eine Kontaktmöglichkeit hergestellt wird und entsprechender Austausch ermöglicht wird, nicht mit dem eines Heirats- oder Partnerschaftsvermittlers verglichen werden (BGH, Urteil vom 17.06.21, Az. III ZR 125/19). Anders als bei einer herkömmlichen Partnervermittlung würden die Angaben der Parship-Nutzer zur Erstellung ihres Persönlichkeitsprofils nicht überprüft und hinterfragt, sondern nur maschinell bestimmten Zahlenwerten zugeordnet und so anschließend mit denen anderer Nutzer abgeglichen werden.

Auch das Argument des Klägers, dass die Nutzer dem Dienst bei der Erstellung der Persönlichkeitsprofile höchstpersönliche Angaben zur Verfügung stellten, sah das Gericht nicht als ausreichend an. Allein das Vertrauen darauf, dass es sich um einen seriösen Anbieter handele, der gesetzliche Standards zum Datenschutz und zur Sicherheit von Telekommunikation einhalte, betreffe lediglich Fragen der Sachkompetenz und könne ein persönliches Vertrauensverhältnis gerade nicht begründen. Ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB sei demnach nicht gegeben.

Für das Gericht erübrigte sich somit ebenfalls die Frage nach der Vergütungshöhe im Falle einer fristlosen Kündigung.

Differenzierung nach ursprünglicher Vertragslaufzeit

Der Senat des OLG differenzierte bei der Frage der Wirksamkeit der Kündigungsfristen in den AGB von Parship nach der ursprünglichen Laufzeit der Verträge. Hier seien nur die Kündigungsfristen von Verträgen von sechs bzw. zwölf Monaten Laufzeit einer Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zugänglich. Bei solchen Verträgen komme es nämlich bei automatischer Vertragsverlängerung um zwölf Monate bei nicht rechtzeitiger Kündigung zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Kunden. Diese finanzielle Belastung sei für Kunden, die sich für einen 24-Monats-Vertrag entschieden hatten, nicht gegeben, da die automatische Verlängerung lediglich die Hälfte der ursprünglichen Laufzeit betrage.

Zwar hätten die Kündigungsklauseln der (Halb-)Jahresverträge nicht gegen die alten Fassungen der § 309 Nr. 9 lit. b) und c) BGB bezüglich Höchstfristen (drei Monate) und maximal mögliche automatische Verlängerungslaufzeiten (ein Jahr) verstoßen. Dennoch könnten die Nutzer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt worden sein (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB), wenn die Musterbeklagte missbräuchlich eigene Interessen durchzusetzen versuche ohne gleichzeitig die Belange der Nutzer ausreichend anzuerkennen und auszugleichen.

Parship-Vertrag nicht mit Fitnessstudiovertrag vergleichbar

Auch wenn beim Dienst der Beklagten kein Erfolg im Sinne eines Zustandekommens einer Beziehung zwischen zwei Nutzern geschuldet sei, sei nach Art der Leistung abzusehen, dass der typische Nutzer kein ewiges Interesse daran haben werden, den Service der Beklagten zu nutzen, wenn sie entweder einen Partner gefunden haben oder von der Wirksamkeit des Services für sie nicht mehr überzeugt sind. Dies sei der entscheidende Unterschied etwa zu Fitnessstudioverträgen, bei denen grundsätzlich ein weiteres Interesse an Aufrechterhaltung oder Verbesserung körperlicher Gesundheit angenommen werden könne.

Bei einer Kündigungsfrist von zwölf Wochen bleibe den Nutzern im Verhältnis zur Vertragslaufzeit ein zu kurzer Zeitraum, um abschätzen zu können, ob sich eine Verlängerung des Services um ganze zwölf Monate überhaupt lohne. Das Interesse der Nutzer werde laut OLG demnach nicht ausreichend gewürdigt und sie würden durch die Klausel zur Kündigungsfrist unangemessen benachteiligt.

Mittlerweile geänderte Rechtslage

Seit März 2022 verwenden die Parship-Betreiber andere AGB, in denen die Kündigungsfristen an zwischenzeitliche gesetzliche Änderungen des AGB-Rechts angepasst wurden. Demnach beträgt die neue Kündigungsfrist einen Monat zum Ende der ursprünglichen Vertragslaufzeit. Zudem kann nach automatischer Verlängerung des Vertrages der Vertrag jederzeit mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden.

Für Parship-Nutzer, deren (Halb-)Jahresverträge noch unter den alten AGB geschlossen wurden ist das Musterurteil dennoch gültig. Individuelle Zahlungsansprüche gegen die Musterbeklagte müssen diese jedoch durch eigene Klagen vor den Gerichten geltend machen.

Das Urteil des Hanseatischen OLG zeigt zum einen, dass Online-Partnersuchen nicht mit einer Heirats- oder Partnervermittlung gleichzusetzen und rechtlich durchaus anders zu behandeln sind. Zum anderen wird deutlich, dass auch die Befolgung starrer gesetzlicher Verbote in den AGB durch Unternehmen nicht automatisch dazu führt, dass die AGB auch wirksam sind. Es ist stets auch das Interesse des Kunden ausreichend einzubeziehen, damit keine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt und die jeweilige Klausel unwirksam macht. Unternehmen sollten ihre AGB durch Rechtsexperten prüfen lassen, um eine (Teil-)Unwirksamkeit zu vermeiden. Die Rechtsanwälte von LHR entwerfen und überprüfen die Verträge von Unternehmen gegenüber ihren Kunden und vertreten sie gerichtlich sowie außergerichtlich.

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