Corona hat uns (wieder) im Griff. Eine Art „Lockdown light“ soll verhindern, dass sich die Pandemie weiter ausbreitet.
Besonders die Gastronomie ist davon betroffen. Wieder mal.
Doch es gibt für Kneipen- und Restaurantbetreiber auch eine gute Nachricht.
Und diese Nachricht kommt aus Bayern, genauer: von der 12. Zivilkammer des Landgerichts München I. Die Richter dort haben der Klage eines Münchner Gasthauses auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 427.169,86 € aufgrund der Corona-bedingten Betriebsschließung gegen ihre Versicherung weitgehend stattgegeben (LG München I, Urteil v. 22.10.2020 – Az. 12 O 5868/20).
Drei typische Einwände der Versicherer entkräftet
Mit dem Urteil verwarf das LG München drei Einwände gegen den Versicherungssschutz bei Corona-bedingter Betriebsschließung:
- Auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der behördlichen Schließungsanordnung kommt es versicherungsrechtlich nicht an.
- Der Anspruch besteht unabhängig vom konkreten Auftreten eines Falles in der Gaststätte allein aufgrund der Norm, die die Schließung vorsorglich begründet, also des Infektionsschutzgesetzes.
- Die Auflistung von Krankheiten und Krankheitserreger in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bewirkt keinen Ausschluss Corona-bedingter Schäden.
Intransparente Klausel zieht nicht
Dieser dritte Punkt ist ein ganz wichtiger, denn darauf stützen sich zahlungsunwillige Versicherer regelmäßig: Corona (oder Covid-19) steht nicht auf der Liste, also wird auch nicht geleistet. Dass es so einfach nicht ist, stellte das LG München klar.
Der Versicherungsnehmer, so die Richter, gehe zu Recht davon aus, dass die Liste sich mit den potentiell schadenswirksamen Krankheiten und Krankheitserregern nach dem Infektionsschutzgesetz deckt und damit umfänglicher Versicherungsschutz gegeben ist. Es ist ihm nicht zuzumuten, die Liste ständig mit dem jeweiligen Stand der epidemiologischen Dinge abzugleichen und dabei identifizierte Lücken, die zur Unterdeckung führen könnten, zu bemängeln. Überhaupt könne er, so die Richter weiter, nicht ahnen, dass es bei der Liste bloß um eine „Auswahl“ an möglichen Kalamitäten gehe.
Als Laie würde er nur dann hellhörig, wenn Formulierung wie „nur die folgenden“, „ausschließlich die folgenden“ oder „diese Auflistung ist abschließend“ ihn darauf brächten, dass es Fälle von Krankheiten und Arten von Krankheitserregern gibt, deren Schaden möglicherweise nicht gedeckt ist. Einen derartigen sprachlichen Hinweis enthalte die fragliche Klausel der Allgemeinen Versicherungsbedingungen aber nicht.
Weiterer Klärungsbedarf
Die auf Versicherungsrecht spezialisierte Kammer wird auch in den nächsten Wochen, Monaten und vermutlich auch noch Jahren genug zu tun haben. Im Verfahrenskomplex Betriebsschließungsversicherung sind am LG München I fast hundert Klagen anhängig. Gastwirte und Restaurantbesitzer dürfen sich auf weitere gute Nachrichten freuen.
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.