Die Kollegen von Dr. Damm & Partner berichteten am Samstag von einer Entscheidung des Landgerichts Paderborn (LG Paderborn, Beschluss vom 22.07.2010, Az. 6 O 43/10), das unwirksame Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Es ging um eine erweiterte salvatorische Klausel und eine Vertragsbedingung der pauschalen schriftlichen Bestätigung von Nebenabreden) für nicht (sehr schön die Formulierung der Kollegen: “abmahnfähig”) wettbewerbswidrig hält und daher einen Unterlassungsanspruch verneint.
Das Landgericht beruft sich in seinem Urteil auf eine Rechtsansicht, die vom Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Urteil v. 16.05.2008, Az. 6 U 26/08) und vom Hanseatischen Oberlandesgericht OLG Hamburg (Beschl. v. 13.11.2006, Az. 5 W 162/06) vertreten wurde. Diese Senate meinten im Gegensatz zum Beispiel des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss v. 09.05.2007, Az. 6 W 61/07) und des KG (KG Berlin (Beschl. v. 03.04.2007, Az. 5 W 73/07), dass unwirksame AGB Klauseln deshalb keinen Wettbewerbsverstoß darstellten, da sie ohne konkreten Bezug zum Marktverhalten lediglich die wechselseitigen Rechte und Pflichten bei der künftigen Abwicklung der abzuschließenden Verträge gestalten.
Den Meinungsstreit hatten wir im Wesentlichen bereits 2007 hier dargestellt. 2008 hatten wir darauf hingewiesen, dass diese Einteilung von “vor und nach” Vertragsschluss nicht sinnvoll sein dürfte.
Die Kollegen weisen daher zutreffenderweise darauf hin, dass die Entscheidung des Landgerichts Paderborn falsch ist und daher in der nächsten Instanz – jedenfalls mit dieser Begründung – nicht zu halten sein wird.
Dies aber nicht nur – wie die Kollegen zu Recht betonen -, weil das OLG Hamm bereits im Jahr 2008 entschieden hat, dass die Verwendung von unwirksamen AGB- Klauseln selbstverständlich auch einen Wettbewerbsverstoß darstellt (OLG Hamm, Urteil vom 26.02.2008, Az. 4 U 172/07), sondern insbesondere deshalb, weil auch der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31.3.2010 (BGH, Urteil vom 31.03.2010 – I ZR 34/08), somit fast vier Monate vor dem Beschluss des Landgerichts Paderborn bereits klargestellt hat, dass die von einigen Oberlandesgerichten vertretene Ansicht, dass die Verwendung von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht das “Marktverhalten” betreffe, spätestens seit der letzten UWG-Novelle überholt ist. Denn eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG mit dem Ziel , zugunsten seines Unternehmens den Absatz von Waren zu fördern, liegt vor, ohne dass es darauf ankommt, ob sich dieses Verhalten vor, bei oder nach Geschäftsabschluss auswirkt.
Wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Wettbewerbsverstoß in Rede steht, der sich bestimmungsgemäß bundesweit auswirkt, kann sich der Kläger eines der 116 Landgerichte in Deutschland aussuchen. Man fragt sich daher immer wieder, was Gläubiger dazu bewegt, anstelle zu Gerichten mit Erfahrung im Wettbewerbsrecht, wie zum Beispiel die Landgerichte Köln, Hamburg oder Frankfurt, mit ihren Anliegen zum Beispiel nach Paderborn, Bochum oder sogar Bielefeld zu gehen, wo Rechtsprechung gewerblichen Rechtsschutz für einen Anwalt schlicht oft nicht mehr zu prognostizieren ist. Insbesondere Bielefeld fällt immer wieder durch – vorsichtig ausgedrückt – eigenwillige Entscheidungen auf. Aber auch Paderborn ist kein unbeschriebenes Blatt.
Vielleicht hatte im vorliegenden Fall der Anwalt des Klägers in Paderborn seinen Kanzleisitz und wollte mit dem Glauben an die Einheitlichkeit der Rechtsprechung seinen Mandanten kostengünstiger zu seinem Recht führen. Vielleicht war es aber auch schlicht mangelnde Erfahrung auf dem Rechtsgebiet.
Unsere Kanzlei hat jedenfalls aus über 1000 Verfahren im gewerblichen Rechtsschutz die traurige Konsequenz gezogen, dass man manche Gerichte schlicht nicht anrufen sollte, auch wenn die Rechtslage eindeutig ist. Im Extremfall führt dies schonmal dazu, dass wir einem Mandanten von einer Klage gänzlich abraten müssen. Nämlich dann, wenn der fliegende Gerichtsstand nicht in Betracht kommt und der Mandant sich das Gericht nicht aussuchen kann und ihm nur der Weg zu einem einschlägig bekannten Gericht bliebe. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könnte den Mandanten nur ein Oberlandesgericht als nächste Instanz retten, danach wäre aufgrund der prozessualen Besonderheiten im Eilverfahren Schluss. Aber auch wenn in einem Hauptsacheverfahren die theoretische Möglichkeit besteht, den Rechtsstreit bis zum Bundesgerichtshof zu treiben, liegt liegt das immense Kostenrisiko auf der Hand. Selbst wenn man sich sicher sein könnte, vor dem BGH zu gewinnen, müssten alle Kosten bis dahin vom Kläger vorgeschossen werden. Manchmal bleibt so dem Anwalt auch hier nur der Rat, den Anspruch nicht weiter zu verfolgen und die Faust in der Tasche zu ballen.
Wir sind gespannt, wann es zum ersten Anwaltsregressfall aufgrund der bloßen Tatsache kommt, dass ein Anwalt seinem Mandanten geraten hat, vor einem bestimmten Landgericht zu klagen.
Bei Paderborn wird es jedenfalls mittlerweile brenzlig. (la)
(Bild: MAXFX – Fotolia.com)
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