Wer nutzt heutzutage nicht ein Forum um sich fachspezifische Tipps geben zu lassen, sich auszutauschen, zu diskutieren, Leidensgenossen zu finden oder seiner Meinung Luft zu machen?
Heutzutage gibt es eine Vielzahl verschiedener Foren: Foren für Angler, für Mütter, für Bastler, für Hundebesitzer usw. Doch was ist, wenn wir aus diesen ausscheiden? Haben wir dann einen Anspruch darauf, dass unsere Beiträge verschwinden?
Mit dieser Frage hatte sich das AG Ratingen in seinem Urteil vom 29.06.2011 (Az.: 8 C 486/10) zu befassen. Es verneinte dabei einen Anspruch, wenn die Möglichkeit zur Löschung von Beiträgen nach dem Ausscheiden des Nutzers in den Boardregeln ausgeschlossen wurde. Doch wollen wir zunächst mal losgelöst von diesem Urteil einen Blick auf die Rechtslage werfen.
Unsere Rechtsaufassung
Zunächst können einzelne Forenbeiträge Werke im Sinne des Urheberrechts sein, wenn sie eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen.
Eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit kann daher auch für Userkommentare und Blog- oder Forumsbeiträge bestehen. Häufig wird es zwar bei knappen Beiträgen rein tatsächlichen Inhalts an der Schöpfungshöhe fehlen, denn bei kurzen Texten wird man regelmäßig annehmen dürfen, dass die Darstellung im Bereich des Üblichen und Routinemäßigen bleibt (Schricker/Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, § 2 Rdnr. 116.)
Dass diese erreicht wird, müsste man vor Gericht darlegen. Ist die Werkeigenschaft zu bejahen, ergibt sich der Anspruch auf Löschung aus den §§ 97 ff. UrhG.
Schwierig ist die Lage, wenn es sich nicht um Werke handelt.
Hierbei kämen Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung aus den allgemeinen Normen des BGB, wie etwa §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB iVm. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere dem der informationellen Selbstbestimmung in Betracht.
Darüber hinaus wäre auch ein Anspruch aus nachvertraglichen Nebenpflichten gemäß §§ 280 I, 241 I BGB möglich.
Doch kann ein Forennutzer diese Ansprüche wirksam gänzlich in AGBs auschließen? Dies bemisst sich anhand von §§ 307 ff. BGB. Ein solcher Ausschluss dürfte ein Nutzer nicht unangemessen benachteiligen. Hierbei sind die Interessen des Nutzers mit denen des Forenbetreibers abzuwägen. Die Interessen eines Forumnutzers können ganz unterschiedlicher Art sein. Manchmal sind einem ältere Beiträge peinlich oder man hat zu gewissen Standpunkten seine Meinung geändert oder man hat zu viel über seine Person oder seine Gefühle Preis gegeben. Der Forenbetreiber hat hingegen ein Interesse daran, dass sein Forum eine gewisse Funktionsfähigkeit aufweist, dass man auch noch Jahre später in alten Beiträgen lesen kann, ohne dass einzelne Beiträge gelöscht wurden und der Zusammenhang zu der vorstehenden oder nachfolgenden Beiträgen nicht mehr erkennbar ist. Denn gerade dann kann das Forum nicht mehr der Information Dritter dienen, wenn diese sich, wie oben schon erwähnt fachmännischen Rat oder Lebenstipps holen wollen.
Dennoch meinen wir, dass eine Klausel, die gänzlich das Löschen von Beiträgen verbietet, im Einzelfall zu einer Benachteiligung führen kann. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der ehemalige Nutzer zum Beispiel strafrechtlich relevante Ansichten zum Ausdruck gebracht hat, so wenn er sich volksverhetzend geäußert hat oder durch seine Äußerung Dritte wiederrum in ihren allgemeinen Persönlichkeitsrechten verletzt hat. Gerade in den letztgenannten Fall dürfte ein Ausschluss unserer Ansicht nach nicht möglich sein, denn dies wäre ein sogenannter Vertrag zu Lasten Dritter. Solche Verträge sind stets widerrechtlich. Folglich ist unsrer Ansicht nach eine Klausel, die gänzlich die Möglichkeit zur Löschung von Beiträgen ausschließt zu weit gefasst und somit unwirksam.
Das Urteil des Amtsgericht Ratingen
Wir wollen nun einen Blick auf das Urteil des Amtsgerichtes werfen.
Dieses hat das Vorliegen von einem Urheberrecht abgelehnt, was unter anderem daran lag, dass der Kläger die Werkseigenschaft seiner Beiträge nicht ausreichend dargelegt hat. Völlig unverständlich ist es uns, warum es dennoch einen Anspruch auf Löschung aus § 98 Abs. 1 UrhG prüft. Denn auch hierfür müsste ein Werk vorliegen. Die weitere Prüfung stellt mit Blick auf § 313 Abs. 3 ZPO sogar einen Fehler dar. Denn gemäß § 313 Abs. 3 ZPO gehören in die Entscheidungsgründe eines Urteils nur die Erwägungen auf denen das Urteil in rechtlicher Hinsicht basiert. Da das Gericht die Urheberschaft bereits abgelehnt hat, ist das Anwenden der Norm § 98 UrhG absolut überflüssig. Darauf kann keine weitere Entscheidung mehr basieren.
Dass das Gericht dennoch weiter prüft, kann man insofern nur als Ausdruck von Unsicherheit mit dem Urhebergesetz verstehen im Sinne von: „Wir prüfen lieber zu viel ab als zu wenig!“ An Amtsgerichten sind die einzelnen Abteilungen nicht immer nach Spezialgebieten sortiert, so wie es man der praxishalber an Landgerichten durch die einzelnen Kammern erlebt. Auch mit Blick auf die Seite des AG Ratingen lässt sich eine solche Aufteilung nicht erkennen.
Das Gericht verneinte innerhalb der Prüfung des §98 UrhG das Vorliegen eines Vervielfältigungsstücks. Seiner Ansicht nach ist das Nichtlöschen eines Forenbeitrages keine Vervielfältigung. Diese Bewertung ist völlig falsch! Denn ob ein Vervielfältigungsstück vorliegt, hat rein gar nichts damit zu tun, ob es durch das nicht Entfernen entsteht. Ein Vervielfältigungsstück ist dann gegeben, wenn es geeignet ist die Vorlage eines gleichen neuen Stücks zu werden. Man stelle sich das einfach anhand einer Kopie vor: man hat zum Beispiel ein künstlerisches Foto als Werk auf seiner Homepage und jeder kann es anklicken und kopieren. Das Vervielfältigungsstück ist dann das Foto auf der Homepage. Gleiches ist bei Forenbeiträgen möglich.
Desgleichen wird ein Werk nicht nur durch Abschreiben, Drucken, Fotokopieren, sondern auch durch (…) Speichern auf der Homepage und Herunterladen aus dem Internet (KG ZUM-RD 2001, 485, 488 – Nutzung von Fotos auf der Internet-Homepage eines Printmediums),(…) oder durch andere vergleichbare Handlungen vervielfältigt (Dreier/Schulze, Schulze, Urheber)
Also wurde § 98 UrhG vom Gericht nicht nur überflüssigerweise, sondern sogar falsch geprüft.
Das Gericht hat weiterhin in seinem Urteil die Prüfung der Wirksamkeit der AGB-Klausel außen vor gelassen. An dieser Stelle prüft es dann sogar zu wenig.
Richtigerweise spricht es aber an, dass Beiträge aus denen die Identität des Nutzers hervorgeht gelöscht werden müssen. Dies ergibt sich aus datenschutzrechlichen Gesichtspunkten.
Weiterer Fehler des Gerichts
Es sei nur am Rande erwähnt, dass das Gericht auch eine weitere fehlerhafte Bewertung vorgenommen hat.
Der Kläger hatte gegen zwei Beklagte geklagt.
Die Beklagte zu 2) war im Impressum der Forenseite als Domaininhaberin bezeichnet. Der Beklagte zu 1) war als inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Abs. 3 MDStV genannt. Das Gericht verneinte die Passivlegitimation des Beklagten zu 1) und entschied:
„Der Domaininhaber ist unabhängig vom geltend gemachten Anspruch stets der Anspruchsgegner“. Aus § 10 Abs. 3 MDStV solle sich seiner Ansicht nach hingegen keine Passivlegitimation ergeben. Auch diese rechtliche Bewertung ist falsch. Das Gericht urteilte hierbei sogar wider dem Gesetzeswortlaut von § 10 Abs. 3 MDStV:
Dienstanbieter von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten(…) müssen (…) einen Verantwortlichen mit Angabe des Namens und der Anschrift benennen. Werden mehrere Verantwortliche benannt, so ist kenntlich zu machen, für welchen Teil des Mediendienstes der jeweils Benannte verantwortlich ist. (…)
Der Beklagte zu 1) hatte nicht kenntlich gemacht für welchen Teil des Mediendienstes er verantwortlich sein wollte und für welchen der im Ipressum genannte Beklagte zu 2). Unserer Ansicht nach kann das nur dazu führen, dass der Beklagte zu 1) neben dem Beklagten zu 2) haftet, also passiv legitimiert ist. Denn die Wertung des Gerichts läuft entgegen dem Zweck der Norm. Dieser liegt darin Informationen des Forenbetreibers über seine Identität, Anschrift, Vertretungsberechtigten und Handelsregistereintragung zu liefern und damit dem Verbraucher klar und unmissverständlich darauf hinzuweisen, mit wem er in geschäftlichen Kontakt tritt. Die erforderlichen Informationen müssen deshalb unter anderem leicht erkennbar sein (BGH, Urteil vom 20. 7. 2006 – I ZR 228/03 (OLG München).
Im Umkehrschluss kann es unserer Ansicht nach nicht dem Betreiber des Forums zu Gute kommen, dass er sich einerseits als Verantwortlicher ausgibt und im Impressum einen anderen benennt und die vom Gesetz verlangte Kenntlichmachung seines Verantwortungsbereichs unterlässt.
„Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“
Hiermit drückt man im Volksmund aus, dass es vor Gericht immer ein gewisses Maß an Unsicherheit gibt und man die Entscheidung des Gerichts nie 100 %-ig vorhersehen kann.
Aber jegliches Maß an üblicher Unsicherheit wird von diesem Urteil überschritten. Denn auch, wenn der Richterstand unabhängig ist, so ist er doch an die Gesetze gemäß Art. 20 Abs. 3, 97 GG gebunden. Diese Bindung lässt sich hier im Umgang mit dem Urheberrecht, dem Staatsvertrag über Mediendienste und den allgemeinen Normen des bürgerlichen Gesetzbuches nicht mehr erkennen.
Wir hoffen, dass dieses Urteil ein Einzelfall bleibt, schlagen Forennutzern aber dennoch vorsichtshalber vor, sich künftig Boardregeln vor der Zustimmung genau anzuschauen und sich vor jedem Beitrag zu fragen: „Will ich das auch noch in Zukunft geschrieben haben?“ (jr)
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