Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn jemand mit der Aussage „aus“ Berlin wirbt, das Produkt jedoch nicht dort hergestellt wird und sich dort lediglich der Geschäftssitz befindet (KG Berlin, Beschluss v. 16.3.2021, Az.: 5 U 86/19).
Das Gericht beschloss: Nur dann, wenn eine geschäftliche Handlung sich ausschließlich an Fachleute wendet, ist deren Auffassung und Sprachgebrauch auf dem betreffenden Fachgebiet entscheidend. Bei einem Hinweis auf einem Etikett, dass das Produkt „aus“ Berlin stammt, gehe der Verbraucher grundsätzlich davon aus, dass das Produkt auch dort hergestellt und nicht lediglich dort entwickelt wird.
Sprachgebrauch in Fachkreisen entscheidend?
Im konkreten Fall ging es um Getränkeflaschen mit dem Aufdruck „Premium Filler aus Berlin“. „Filler“ ist in Fachkreisen eine Bezeichnung für ein Getränk. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Herkunft des vertreibenden Unternehmens und nicht die Herkunft des Abfüllers entscheidend sei. „Filler“ beziehe sich auf das Produkt, nicht auf den Abfüllbetrieb und sei in der angesprochenen Gastronomieszene ein feststehender Begriff für Mixer-Produkte. Es gebe auch keine Mehrdeutigkeit der Werbeaussage, sondern lediglich ein zutreffendes Verständnis des Begriffs. Sowohl nach dem allgemeinen wie auch nach dem Sprachgebrauch der Fachkreise beziehe sich die Bezeichnung auf den Hersteller der Getränke, nicht auf den Abfüller, argumentierte die Beklagte.
Unlautere geschäftliche Handlung und irreführende Angabe
Das Kammergericht Berlin sah das anders. Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch zu, der aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit den §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) folge. Die von dem Kläger angegriffene geschäftliche Handlung der Beklagten sei unzulässig im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG, da sie gem. § 5 Abs. 1 S. 1 i. V. mit S. 2 Nr. 1 UWG unlauter sei. Unlauter handelt nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Die Angabe „Premium Filler aus Berlin“ sei auch irreführend. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält, zu denen auch die, was hier relevant ist, geographische Herkunft zählt.
Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers maßgeblich
Für die Frage, wie die angegriffene geschäftliche Handlung von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden werde, sei, so das Kammergericht, „die Sichtweise des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers maßgebend, der jener Angabe die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt“. Die Beklagte vertreibe die Getränke über den stationären Einzelhandel, insbesondere auch gegenüber Verbrauchern. Es sei nicht allein darauf abzustellen, wie Fachkreise aus der Bar-/Gastronomie-/Barkeeper-Szene die streitgegenständliche Angabe verstünden. Denn nur dann, wenn eine geschäftliche Handlung sich ausschließlich an Fachleute wende, sei deren Auffassung und Sprachgebrauch auf dem betreffenden Fachgebiet entscheidend. Die Angabe erwecke „bei den angesprochenen Verbrauchern der Eindruck, die geographische Herkunft des beworbenen Produkts liege in Berlin“. Der Durchschnittsverbraucher gehe davon aus, dass jedenfalls wesentliche Produktionsschritte, sei es bei der Herstellung oder beim Abfüllen, in Berlin vorgenommen würden. Die angesprochenen Verbraucher bezögen die angegriffene Bezeichnung nicht allein auf den Geschäftssitz des Herstellers oder den Entwicklungsort.
Ausnahme: Ort ist ungeeignet für die Produktion des Produkts
Zwar entnehme der Verkehr einer Ortangabe etwa dann keine geographische Herkunftsangabe, wenn der genannte Ort von vorneherein nicht dazu geeignet ist, das in Rede stehende Produkt zu produzieren und die angesprochenen Verkehrskreise hierüber in Kenntnis seien, wie zum Beispiel bei der Angabe „Neuschwansteiner“ für Bier. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor, da die Stadt Berlin scheidet als Herstellungs- und/oder Abfüllort des Getränks nicht schlechterdings ausscheide.
Das Verständnis, das durch die Werbung bei den relevanten Verkehrskreisen erzeugt werde, sei unzutreffend, so das Kammergericht. Die angegriffene geschäftliche Handlung sei auch dazu geeignet, den Verbraucher zu im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 UWG zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es liege auch eine Wiederholungsgefahr vor.
Die Entscheidung des Berliner Kammergerichts sorgt bei Verbraucherinnen und Verbrauchern für Rechtssicherheit und stärkt das Vertrauen in Herkunftsangaben auf Produkten.