ASIN-Löschung bei Amazon: Landgericht Berlin zur Zuständigkeit im Wettbewerbsrecht

Zuständigkeit Amazon

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Das Landgericht Berlin hat sich mit der gerichtlichen Zuständigkeit in einem Amazon-Fall befasst. Dabei musste das Gericht auch darüber entscheiden, ob die Löschung einer Amazon Standard Identification Number (ASIN) bei Amazon eine Wiederholungsgefahr beseitigt (LG Berlin, Beschluss v. 12.11.2021, Az. 102 O 145/21).

In dem Fall ging es um Internetwerbung auf Amazon. Das LG Berlin entschied, dass eine Werbung der Antragsgegnerin irreführend sei im Sinne von § 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 3a UWG sowie Art. 7 Abs. 1 b) der Lebensmittel-Informationsverordnung sowie Art. 12 b) der Health-Claims-Verordnung. Es sei nicht ersichtlich, dass die in dem in Rede stehenden Produkt enthaltenen pflanzlichen Inhaltsstoffe ohne eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten oder körperliche Betätigung geeignet sein könnten, durch deren bloße Einnahme zu einer Gewichtsreduktion zu führen. Das LG Berlin untersagte der Antragsgegnerin, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt für ein bestimmtes Mittel in Kapselform zu werben, wenn dies in Verbindung mit bestimmten Begriffen wie „Gewichtsverlust“ oder, „mit … Schlankheitsmacherdosis“ auf Amazon im Internet geschieht. Das Gericht legte der Antragsgegnerin auch die Kosten des Verfahrens auf. Den Streitwert setzte das Gericht auf 36.000 Euro fest.

Internationale Zuständigkeit des LG Berlin nach EU-Recht

Das LG Berlin hatte zunächst über seine Zuständigkeit zu befinden. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus der im Verhältnis der EU-Mitgliedsstaaten Deutschland und Luxemburg maßgeblichen Vorschrift des Art. 7 Nr. 2 der EU-Verordnung 1215/2012, so der Beschluss. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat, vor einem Gericht in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung vor dem Gericht des Ortes, in dem der Schaden eintritt, den Gegenstand des Verfahrens bildet. Darunter fallen auch Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb.

Örtliche Zuständigkeit nach deutschem Wettbewerbsrecht

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin folge aus § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG. Da die beanstandete Werbung im Bezirk des Gerichts eingesehen werden konnte, sei Berlin (auch) Begehungsort im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Der Antragsteller könne sich auf diese Norm berufen, obwohl er seine Klagebefugnis nicht unmittelbar als durch die Wettbewerbshandlung Verletzter, sondern aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG herleite.

Anspruch qualifizierter Einrichtungen

Danach stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG qualifizierten Einrichtungen zu, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, und qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Kommission nach Artikel 4 Abs. 3 der EG-Richtlinie 2009/22 eingetragen sind. Nach § 8 Abs. 1 UWG kann auf Beseitigung – und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung – in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 („Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen“) oder § 7 UWG („Unzumutbare Belästigungen“) unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Die Antragsgegnerin unterhalte keine gewerbliche Niederlassung „im Inland“, das heißt in der Bundesrepublik Deutschland, wie § 14 Abs. 2 Satz 3 verlangt, heißt es in dem Beschluss. Auf den Rechtsfall finde dennoch das materielle Wettbewerbsrecht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.

Die Frage des anwendbaren Rechts beantworte sich, so das LG Berlin, nach der Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts („ROM-II-Verordnung“). Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung sei auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind. Dies sei bei Internetwerbung anzunehmen. Es gelte, wie auch im Rahmen des Art. 40 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, bei Wettbewerbsverstößen die allgemeine Tatortregel, wobei die obergerichtliche Rechtsprechung als Begehungsort durchgängig den Marktort angesehen habe.

Löschung der Amazon-ASIN beseitigt Wiederholungsgefahr nicht

Der Antragsteller hatte die Antragsgegnerin vorprozessual abgemahnt. Die Antragsgegnerin hatte daraufhin mitgeteilt, dass sie die ASIN des in Rede stehenden Amazon-Angebots gelöscht habe. Die bloße Löschung sei „unerheblich“ und „nicht geeignet, die wettbewerbsrechtliche Wiederholungsgefahr zu beseitigen“, führt das Landgericht Berlin in seinem Beschluss aus. Es sei ferner unerheblich, ob die Werbetexte von der Herstellerin oder Lieferantin des Produkts stammen, da die Antragsgegnerin das Produkt in eigenem Namen angeboten und sich damit die wettbewerbswidrige Bewerbung zu eigen gemacht habe. Nur durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung habe die Antragsgegnerin die bestehende Wiederholungsgefahr beseitigen können.

Der Beschluss des Landgerichts Berlin klärt auf eindrucksvolle Weise allerhand Zuständigkeitsfragen bei Internet- und Amazon-Fällen mit Wettbewerbsrechtsbezug.

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