Bewegungen auf seinem Konto verfolgt jeder aufmerksam. Das brachte ein Unternehmen auf die Idee, in Ein-Cent-Überweisungen an Verbraucher Werbung unterzubringen.
Mit diesem Fall hat sich nun das Landgericht Wiesbaden befasst (LG Wiesbaden, Urteil v. 1.6.2021, Az. 11 O 47/21).
Ein-Cent-Überweisungen mit Werbung für Vermögensanlagen
In dem Verfahren um eine einstweilige Verfügung stritten eine Internetdienstleistungs-Plattform für digitale Immobilien-Investments zur Vermittlung von Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes und ein Tochterunternehmen einer Schweizer Unternehmensgruppe, die selbst auch Vermögensanlagen anbietet.
Die Verfügungsklägerin, die Internetplattform, erhielt Kenntnis davon, dass die Verfügungsbeklagte Überweisungen über jeweils einen Eurocent an verschiedene Verbraucher in ganz Deutschland getätigt hatte. Als Verwendungszweck wurde dabei folgender Text verwendet: „www.[xxx]crowd.com – [xxx] Group + [xxx]AG sagen Dankeschön für ihr Vertrauen. Neue Crowd Foundinq-Emission“. Die Verfügungsbeklagte stand mit keinem der betroffenen Verbraucher zuvor in geschäftlichem Kontakt. Die Verbraucher hatten auch keine Einwilligung für den Erhalt von Werbung durch die Verfügungsbeklagte erteilt.
Abmahnung und Verfügungsantrag
Die Verfügungsklägerin mahnte deshalb die Gegenseite ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Die Verfügungsbeklagte lehnte dies ab. Daraufhin beantragte die Verfügungsklägerin, dass die Beklagte es zu unterlassen hat, im geschäftlichen Verkehr den kommerziellen Zweck von Überweisungen an Verbraucher nicht kenntlich zu machen. Ebenso sollte die Beklagte es unterlassen, Überweisungen an Verbraucher zu tätigen und dabei im Verwendungszweck Werbung für Vermögensanlagen bzw. Finanzanlagenvermittler zu machen.
Unterlassungsanspruch aus UWG
Das Landgericht Wiesbaden gab dem Antrag der Verfügungsklägerin statt. Die Verfügungsklägerin habe einen Anspruch auf die beantragte Unterlassungserklärung. Der Anspruch auf Unterlassung ergebe sich aus § 5a Abs. 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die getätigten Ein-Cent-Überweisungen stellten geschäftliche Handlungen im Sinne dieser Vorschrift dar.
Mit den Ein-Cent-Überweisungen werde die Crowdinvesting-Plattform gefördert, in dem auf deren Domain und dort angebotene Emissionen verwiesen werde. Die Verfügungsbeklagte fördere damit auch ihren eigenen Wettbewerb, weil sie selbst auf der Plattform Vermögensanlagen anbiete.
Werbliche Zwecksetzung „verschleiert“
Nach § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, „wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt“. Zusätzlich muss das Nicht-Kenntlich-Machen geeignet sein, „den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. Ein Nicht-Kenntlich-Machen des kommerziellen Zwecks liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass der Verbraucher ihren kommerziellen Zweck nicht klar und eindeutig erkennen kann.
Das Gericht entschied, dass der kommerzielle Zweck im konkreten Fall nicht kenntlich gemacht gemacht werde. Maßgebend sei hier nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG die Sicht eines „durchschnittlich informierten situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe“. Ein durchschnittlicher Verbraucher werde davon ausgehen, dass er mit der Verfügungsbeklagten in einer konkreten geschäftlichen Beziehung gestanden hat. Dies ergebe sich aus dem Verwendungszweck „Dankeschön für ihr Vertrauen“. Die werbliche Zwecksetzung werde damit verschleiert.
Besuch von Webseite ist geschäftliche Entscheidung
Wenn ein Verbraucher dann die Webseite aufsuche, um den Vorgang weiter aufzuklären, treffe er eine geschäftliche Entscheidung, die er nicht getroffen hätte, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass es sich bei der Überweisung um Werbung handelt.
Belästigende geschäftliche Handlung
Das Gericht entschied, dass die vorgenommenen Ein-Cent-Überweisungen auch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG unzulässig waren. Danach ist eine geschäftliche Handlung unzulässig, „durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird“. Der Empfänger der Überweisung werde hier belästigt, so das Gericht. Der betroffene Verbraucher könne mit dem Geldeingang nichts anfangen. Er habe deshalb berechtigterweise die Befürchtung, dass es sich um ein dubioses Geschäftsmodell handle, mit der Gefahr, dass Kundendaten des Verbrauchers unlauter erworben werden. Um sich Gewissheit zu verschaffen, müsse der Verbraucher Recherchen anstellen und werde dabei – wie von der Verfügungsbeklagten auch beabsichtigt – die im Verwendungszweck genannte Internetseite besuchen. Dies werde dem Verbraucher, der bedrängt werde, aufgedrängt.
Sensibler Bereich des Zahlungsverkehrs
Auch wenn es sich um eine Überweisung handle, sei der Gedanke des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG anzuwenden, der aufgezwungene Werbemaßnahmen ohne ausdrückliche Einwilligung des Empfängers als unzumutbare Belästigungen qualifiziert. Die Belästigung finde hier, urteilte das Landgericht, zudem „in einem besonders sensiblen Bereich des Zahlungsverkehrs“ statt.
Sollte das Beispiel Schule machen, so das Gericht weiter, könnten sich andere Mitwerber zur Nachahmung veranlasst sehen. Dies könnte die Zahl von Ein-Cent-Überweisungen erhöhen, was in der „Summe eine wesentliche Belästigung der Verbraucher darstellen würde“.
Für Verbraucher ist das Urteil aus Wiesbaden erfreulich, weil sie mit diesem eine wirksame Handhabe gegen lästige Ein-Cent-Überweisungen haben. Ob diese damit ein Ende haben werden, steht auf einem anderen Blatt. Während in dem Fall vor dem Landgericht Wiesbaden kommerzielle Wettbewerber stritten, wird nämlich kaum ein Verbraucher wegen eines aufgedrängten Ein-Euro-„Geschenks“ vor Gericht ziehen.