Gilt der "fliegende Gerichstand" nun auch für Vertragsstrafenansprüche?
Bisher umstritten und höchstrichterlich ungeklärt war die Frage, ob der Gläubiger einer Vertragsstrafe, die den Betrag von 5000 € nicht überschreitet, gem. § 13 UWG vor den Landgerichten klagen konnte oder ob er aufgrund des Streitwerts an die Amtsgerichte zu verweisen war.
BGH entscheidet Streit: Für Vertragsstrafen sind die Landgerichte unabhängig von der Höhe des geltend gemachten Anspruchs erstinstanzlich zuständig
Teilweise wurde die Anwendung der Zuständigkeitsregel in § 13 UWG auf eine Vertragsstrafenklage mit der Begründung verneint, dass eine Vertragstrafenforderung nicht „auf Grund“ des Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb erhoben, sondern auf eine vertragliche Vereinbarung gestützt werde, die den gesetzlichen Unterlassungsanspruch gerade ersetzen solle.
Der Zweck der Zuständigkeitskonzentration gebiete keine erweiternde Auslegung von § 13 UWG, weil es in der Sache gerade nicht um wettbewerbsrechtliche Ansprüche, sondern um allgemeine vertragsrechtliche Fragen, insbesondere der Vertragsauslegung und die Anwendung von § 339 BGB gehe.
Nach anderer Ansicht sollte § 13 UWG auch auf die Einforderung der Vertragsstrafe angewandt werden, um – gemäß den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen – die Amtsgerichte von einer Befassung mit spezifischen Fragen des Wettbewerbsrechts, die sich auch bei der Beurteilung der Verwirkung einer Vertragsstrafe stellen könnten, zu entlasten und einen inhaltlichen Gleichklang mit anderen Zuständigkeitsvorschriften im Lauterkeitsrecht herzustellen. Dieses weite Verständnis sei auch mit dem Wortlaut vereinbar, weil die strafbewehrte Unterlassungserklärung dazu diene, die Begehungsgefahr bezüglich des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs entfallen zu lassen und auch Eingang in § 12 Abs. 1 UWG gefunden habe, so dass der Vertragsstrafeanspruch auf einen Anspruch auf Grund des UWG zurückzuführen sei.
Der Kollege Michael Seidlitz weist darauf hin, dass der BGH entschieden hat (BGH, Hinweisbeschluss v. 19.10.2016, Az. I ZR 93/15), dass die letztgenannte Auffassung zutrifft. Der Gläubiger einer Vertragsstrafe kann seine Klage somit nunmehr ungeachtet des Streitwerts vor den Landgerichten erheben.
Für Vertragsstrafen dürfte nun auch der fliegende Gerichtsstand gelten
Nicht entschieden hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob die von ihm angestellten Überlegungen auch auf § 14 UWG und somit die örtliche Zuständigkeit übertragbar sind. Dafür spricht allerdings einiges (so auch schon lesenswert LG Frankfurt, Urteil v. 10.2.2016, Az. 2-06 O 344/15).
Dazu habe ich mir im Kapitel 23 „Prozessuale Besonderheiten im Lauterkeitsrecht“ im Handbuch „Multimedia-Recht“ bereits die folgenden Gedanken gemacht (Hoeren/Sieber/Holznagel/Lampmann, MMR-HdB, Teil 23 Prozessuale Besonderheiten im Lauterkeitsrecht Rn.387, beck-online):
Genau wie bei der sachlichen Zuständigkeit stellt sich auch im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 14 UWG die – nunmehr in Bezug auf § 13 UWG geklärte – Frage, ob die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrag „auf Grund“ des UWG geschieht. Bejaht man dies, kann der Schuldner entweder gemäß § 14 Abs. 1 UWG am Ort seiner Niederlassung oder – für den Gläubiger die interessantere Alternative – gemäß § 14 Abs. 2 UWG vor dem Gericht in Anspruch genommen werden, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Gewichtige Argumente für die Gleichsetzung von vertraglichen Unterlassungs- oder Vertragsstrafezahlungsansprüchen mit dem gesetzlichen Anspruch
Insbesondere der Blick auf § 14 Abs. 2 UWG, der den „fliegenden Gerichtstand“ ermöglicht, zeigt, dass in Bezug auf die Zuständigkeiten gewichtige Argumente für die Gleichsetzung von vertraglichen Unterlassungs- oder Vertragsstrafezahlungsansprüchen mit dem gesetzlichen Anspruch sprechen, der diesen zugrundeliegt.
Würde man die Gleichstellung ablehnen, so wäre der Gläubiger eines (bloßen) gesetzlichen Unterlassungsanspruchs in Bezug auf die Wahlmöglichkeit des Gerichtsstands besser gestellt, als der Gläubiger, der aus dem nach einer Rechtsverletzung eingegangenen Unterlassungsvertrag, der den gesetzlichen Anspruch insoweit ersetzen soll (vgl. Rn. 142, 505), einen dagegen begangenen Verstoß und damit eine bereits zweite zu seinen Lasten begangene Tat sanktionieren möchte.
Der Widerspruch wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass dem Gläubiger eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs aufgrund der Tatsache, dass bereits das Angebot eines Unterlassungvertrags durch den Schuldner die Wiederholungsgefahr beseitigt (vgl. Rn. 138 ff.), nichts anderes übrig bleibt, als den Vertrag zu schließen und damit den gesetzlichen Anspruch zu ersetzen, wenn er sich nicht völlig schutzlos stellen möchte.
Schließlich spricht trotz der gewichtigen Gegenstimme Teplitzkys für diese Auffassung faktisch der Umstand, dass zu deren Befürwortern Büscher, Vorsitzender des unter anderem für Wettbewerbssachen zuständigen I. Zivilsenats des BGH gehört. (la)[:]