Guter Rat ist rechtlich normiert
Wer in Deutschland eine Dienstleistung anbietet, muss dazu befugt sein. Je komplexer die Dienstleistung ist, desto höhere Ansprüche stellt der Gesetzgeber an den Anbieter.
Wer Herzverpflanzungen vornehmen will, muss zuvor Medizin studiert haben.
Wer Rechtsberatungen anbietet, braucht dazu die nötige Sachkunde, die man im Jurastudium erwerben kann.
In einer Zeit, in der in Deutschland 82 Millionen Virologen die Sozialen Medien bevölkern und alles deutlich besser wissen als das knappe Dutzend, das eine einschlägige Ausbildung und eine gewisse Erfahrung in der Causa Corona hat, sind solche normativen Gegebenheit schwer vermittelbar.
Bloß: Es gibt sie. Und man sollte sich daran halten.
Umfang außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen gesetzlich begrenzt
Das musste jetzt auch eine Immobilienmaklergesellschaft erfahren, der das Landgericht Wiesbaden auf Antrag der Wettbewerbszentrale untersagte, ohne entsprechende Befugnis für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen zu werben (LG Wiesbaden, Urteil v. 27.5.2020, Az.: 12 O 115/19). Die Immobilienmaklergesellschaft hatte auf ihrer website die Lösung höchst komplexer Rechtsprobleme in Aussicht gestellt, die nach Ansicht der Wettbewerbszentrale den zulässigen gesetzlichen Umfang überschreiten, wie er im Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, kurz: Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) definiert ist. In § 3 RDG heißt es, dass die „selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen“ nur in dem Umfang zulässig ist, „in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird“.
Eine solche entlastende Norm konnte die Wettbewerbszentrale nicht finden, somit sah sie in dem Gebaren der Immobilienmaklergesellschaft eine unzulässige Werbung für Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG, nach dem „jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten“ eine Rechtsdienstleistung darstellt, „sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“. Und genau das ist bei den in der Werbung angesprochenen Fällen (Erbschaftsstreitigkeiten, Scheidung) sicher erforderlich.
Zu große Worte: Rat und Tat
Das Landgericht Wiesbaden schloss sich dieser Einschätzung der Wettbewerbszentrale an und verurteilte das werbende Immobilienunternehmen zur Unterlassung. Die Problematik der geschilderten Lebenssituationen werfe in rechtlicher Hinsicht Fragen auf, zu deren Beantwortung die Maklergesellschaft auf ihrer website „Rat und Tat“ anbiete. Das heißt dann eben: die Lösung komplexer rechtlicher Probleme unter „Prüfung des Einzelfalls“. Und das gehe nicht, da das Unternehmen nicht im Besitz der zu Erbringung einer Rechtsdienstleistung erforderlichen Erlaubnis sei – ein Verstoß gegen § 3 RDG und gegen § 3a UWG, weil und soweit es sich bei der überschrittenen Norm um eine Marktverhaltensregel handelt. Also: Makler bleib bei deinen Häusern.
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.