Händler können das Widerrufsrecht abweichend vom gesetzlichen Muster gestalten
Solange etwaige abweichende Regelungen den Verbraucher (im Vergleich zum gesetzlichen Regelungsmuster) nicht benachteiligen, kann der Verkäufer die Modalitäten der Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechts direkt in seiner betreffenden Widerrufsbelehrung abweichend regeln. Diese Auffassung vertrat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. in einem aktuell abgeschlossenen einstweiligen Verfügungsverfahren (OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 07.05.2015, Az. 6 W 42/15).
Der Angriff des Antragstellers richtete sich dagegen, dass ein Mitbewerber in einer (im Übrigen streng nach Vorgaben des neuen gesetzlichen Musters gestalteten) Widerrufsbelehrung – anders als § 355 Abs. 2 BGB dies vorsieht – nicht die vierzehntägige Widerrufsfrist, sondern eine solche von einem Monat angegeben hat. Das im Eilverfahren zunächst angerufene Landgericht Frankfurt a.M. erachtete diese Angabe für wettbewerbsrechtlich unbedenklich. Es liege weder ein Rechtsbruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 312d Abs.1, 312g BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. dessen Anlage 2 noch ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG vor. Auch die in diesem Bereich europarechtlich bezweckte Vollharmonisierung stehe dieser Beurteilung nicht entgegen.
Dieser Auffassung schloss sich nunmehr auch das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. an. Im besagten Beschluss vom 07.05.2015 führte er hierzu mir einer unserer Ansicht nach verallgemeinerungsfähigen Begründung wie folgt aus:
„Wie das Landgericht mit zutreffender Begründung angenommen hat, enthält die Widerrufsbelehrung das an den Vertragspartner gerichtete Angebot, die gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen auf einen Monat zu verlängern. Nimmt der Verbraucher dieses Angebot an, beträgt die Widerrufsfrist tatsächlich einen Monat. Insbesondere kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sich der Verwender der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung gegenüber dem Käufer nicht darauf berufen könnte, die Widerrufsfrist betrage nach dem Gesetz nur vierzehn Tage. Die über das Widerrufsrecht erteilte Belehrung ist damit richtig.“
Einer entsprechenden vertraglichen Regelung außerhalb der eigentlichen Widerrufsbelehrung (wie dies seinerzeit beispielsweise in Bezug auf die sogenannte 40-Euro-Klausel gefordert wurde) bedürfe es nach Ansicht des Senats nicht. Dies gelte jedenfalls für die Fälle, in denen die jeweilige vom gesetzlichen Regelungsmuster abweichende Bestimmung den Verbraucher ausschließlich begünstigen soll:
„Der vorliegende Fall ist insbesondere nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der den in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidungen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.4.2010 m.w.N.) zugrunde lag. Dort stellte sich die – von den Gerichten verneinte – Frage, ob durch eine Widerrufsbelehrung zum Nachteil des Verbrauchers eine Kostentragungspflicht vereinbart werden kann. Hier geht es allein um die für den Verbraucher günstige Verlängerung des gesetzlichen Widerrufsrechts.“
Die Handhabung des Senats kann in der Praxis unseres Erachtens für erhebliche Rechtsunsicherheit sorgen. Denn bei einer genauen Betrachtung eröffnet sie für die Händler die Möglichkeit, vom gesetzlichen Regelungsmuster des Widerrufsrechts auf unterschiedliche Art und Weise abzuweichen beziehungsweise diese Abweichungen in der Widerrufsbelehrung beliebig niederzulegen. Zumindest ist mit zahlreichen derartigen Versuchen zu rechnen, welche ihrerseits unter Umständen zu einer entsprechend breitgefächerten gerichtlichen Kasuistik führen wird. Denn es wird im Einzelfall beispielsweise zu prüfen sein, ob die jeweilige Bestimmung für den Verbraucher tatsächlich ausschließlich begünstigend ist, ob sie in ihrer konkreten Gestaltung dem Irreführungsverbot nicht zuwiderläuft, ob sie transparent ist und auch im Übrigen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhält. Ob derartige Prozesse beziehungsweise die mit immer wieder abweichenden Gestaltungen der Widerrufsbelehrung verbundene Unsicherheit für die Verbraucher tatsächlich im Sinne des europäischen Gesetzgebers war, der mit der zum 13.06.2014 in Deutschland umgesetzten Novelle die europaweite einheitlich Handhabung und Transparenz für die Verbraucher deklariert hat, darf zumindest bezweifelt werden. (pu)
(Bild: Kreidetafel Strichmännchen Pro Contra © Style-Photography)