IVD-Gütesiegel: Irreführende Bezeichnung eines Zeichens als Gütesiegel
Bei einem Gütesiegel handelt es sich um eine Kennzeichnung eines Produkts. Sie gibt Aufschluss darüber, welchen Qualitätsstandards ein Produkt entspricht oder auch, welche Sicherheitsanforderungen, Umwelteigenschaften oder sonstige Vorgaben eingehalten wurden.
Häufig begegnen uns solche Kennzeichnung im Supermarkt – sei es in der Gemüseabteilung oder der Kühltheke.
So kennt vermutlich jeder das „Bio“- oder „Fairtrade“-Zeichen auf beliebigen Produkten. Diese Zeichen sollen einerseits dem Verbraucher positive Hinweise über die Qualität oder Beschaffenheitsmerkmale eines Produkts liefern und andererseits den Hersteller des Produkts als besonders vertrauenswürdigen Anbieter herausstellen. Es herrscht somit eine gewisse Vertrauens-Struktur hinsichtlich bestimmter Produkte.
Problematisch ist jedoch, dass eine gesetzliche Regulierung für die Anwendung solcher Gütesiegel fehlt. Verbände und Unternehmen können immer neue Siegel herausgeben, ohne den vermutlich verpflichtenden Standards nachzukommen. Dennoch wird durch die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs überprüft, ob ein Gütesiegel irreführend auf den Verbraucher wirkt. Doch wann kann man von einer solchen Irreführung ausgehen?
Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte: Ein Gütesiegel sei nicht schon dann irreführend, wenn es nicht den Vorgaben des RAL Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. entspreche.
Irreführung bei Verwendung eines Zeichens
Der Beklagte ist ein Industrieverband, dessen Aufgabe die wissenschaftliche und fachtechnische Förderung und Weiterentwicklung von Kleb- und Dichtstoffen ist. Er vergibt das „IVD-Gütesiegel“ nach selbst erstellten „IVD-Güterrichtlinien“. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, hält die Bezeichnung des Siegels als Gütesiegel für irreführend und verlangte von dem Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Zeichen den Begriff „Gütesiegel“ zu verwenden.
Das Landgericht wies die Klage ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens meldete der Beklagte das Siegel als Unionsgewährleistungsmarke an.
Im Rahmen der Berufung kam das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2019, 84) zu dem Entschluss: Eine Irreführung scheide aus. Denn der Verkehr kenne Gütezeichen, an deren Entwicklung und Vergabe nur der vergebende Industrieverband, aber kein neutraler Dritter beteiligt sei. Außerdem scheide schon deswegen eine Irreführung aus, weil das Gütesiegel den Anforderungen an eine Gewährleistungsmarke entspreche.
Gütesiegel und Wettbewerbsrecht
Gütesiegel können von Vereinen sein, von öffentlichen Stellen oder auch von privatrechtlichen Organisationen, die Qualitätsprüfungen anbieten und dafür ein Logo vergeben, welches dann beispielsweise in Printwerbung oder auf dem Produkt an sich verwendet werden darf. Dabei können sie umweltspezifisch oder auch sicherheitsbezogen sein, dürfen aber in erster Linie nicht irreführend auf den Verbraucher wirken.
Doch wann ist ein Gütesiegel als irreführend anzusehen? Grundsätzlich gilt ein Gütesiegel gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dann als unlautere Handlung, wenn eine irreführende geschäftliche Handlung vorgenommen wurde, die gerade dafür geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu bewegen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG dann irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Das ist anzunehmen, wenn die Geschäftshandlung unwahre Angaben über entscheidende Merkmale der Ware enthält, zu denen auch die Vorteile, Risiken und Beschaffenheit oder Ergebnisse von Produkttests zählen.
Um eine Irreführung ausschließen zu können, ist festzustellen, ob die Bezeichnung des entsprechenden Zeichens eine Angabe darstellt, die eine Täuschung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG hervorruft – also eine irreführende Bezeichnung als Siegel. Dies sei anzunehmen, wenn die Auffassung der Verbraucher nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimme. Ein Gütesiegel werde vom Verkehr dahingehend verstanden, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung der Mindestanforderungen geprüft habe, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 4.7.2019, Az. I ZR 161/18). Ein solches Zeichen biete aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für seine Güte und Brauchbarkeit als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweise. Danach müsse auch dann von einer Irreführung auszugehen sein, wenn die Prüfeinrichtung nicht über eine hinreichende Neutralität verfüge – welches sich zum einen an der Vornahme der Qualitätsprüfung und zum anderen an der Vergabe- und Überwachungspraxis messen ließe.
Um entscheiden zu können, ob die Überprüfungsvoraussetzungen auf Grundlage von objektiven Kriterien entschieden wurden, ist es notwendig, die verschiedenen Kriterien der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So könne von einer mangelnden Objektivität dann ausgegangen werden, wenn die Einsicht nur gegen Entgelt gestattet werde. Allerdings mahnt der BGH: Dem Entgelt werde keine ausschlaggebende Bedeutung im Hinblick auf die Objektivität beigemessen.
Eintragung als Gewährleistungsmarke wirkt sich nicht auf Irreführung aus
Entspricht das Gütesiegel den Anforderungen an eine Gewährleistungsmarke, könnte man davon ausgehen, dass die Einführung die Verkehrsauffassung ändert und somit eine Irreführung ausscheidet. Dies entspreche jedoch nicht den derzeitigen Erfahrungen, so der BGH. Vielmehr müsse man davon ausgehen, dass die bloße Einführung der Gewährleistungsmarke die Verkehrsauffassung nicht verändere. Demnach sei die Vergabe einer ordnungsgemäß eingetragenen Gewährleistungsmarke nicht derart legalisiert, dass sie gar nicht mehr irreführend sein kann. So können die Markenämter unmöglich überblicken, ob der Anmelder unabhängig sei, ob das Prüfungsprogramm relevante Eigenschaften betreffe oder die Qualitätsvorschriften eingehalten werden. Das zeigt, dass die vom UWG geschützten Erwartungen durch die Einführung einer Gewährleistungsmarke nicht unbedingt eingehalten werden.
Gütezeichen ist nicht gleich Gütezeichen
Bis vor kurzem ging man noch von einer Irreführung aus, wenn ein Gütesiegel nicht den Vorgaben des RAL Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V entsprach. Doch nun gibt der Bundesgerichtshof ausführliche Anweisungen: Demnach sei die Verwendung eines Gütesiegels irreführend, dessen Verleihung keine oder keine kompetente und an objektiven und aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung vorausgegangen sei. Denn ein solches Zeichen biete aus Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte Eigenschaften aufweise.
Dementgegen könne nicht von einer Irreführung ausgegangen werden, wenn sich das Verkehrsverständnis mit der Folge geändert habe, dass die beanstandete Angabe den tatsächlichen Verhältnissen entspreche.
Das zeigt: Die Vergabe von Gütesiegeln muss diversen Kriterien entsprechen – wie beispielsweise dem Erfordernis eines Hinweises auf die Qualität eines Produktes.