Kampf gegen Testsiegel-Missbrauch: Erweiterter Schutz nur für bekannte Marken
Kundenbewertungen sind ein großer und wichtiger Faktor bei der Kaufentscheidung. Noch größere Bedeutung messen Verbraucher einer Bewertung eines Produkts zu, die von (vermeintlich) dazu berufener und fachmännischer Stelle stammt.
Die hohe Kunst der Reklame besteht heutzutage darin, dem Kunden nicht nur Preis und Leistung der Ware schmackhaft zu machen, sondern ihm auch versichern zu können, dass er beim Kauf auch in Bezug auf die Umwelt und natürlich auch das Klima ein reines Gewissen haben kann. So zum Beispiel durch die Gütesiegel des Verbrauchermagazins ÖKO-TEST.
Im Streit um die Weiternutzung des ausgelaufenen „Öko-Test“ – Labels auf der Zahnpastaverpackung stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 11. April 2019 klar, unter welchen Voraussetzungen Testanbieter wie der Öko-Test-Verlag Warenherstellern die Verwendung ihrer Marke untersagen können (EuGH, Urteil v. 11.04.2019, Az. C-960/17).
Werbung mit dem ausgelaufenen ÖKO-TEST-Label
ÖKO-TEST ist ein deutschsprachiges Verbrauchermagazin, das Waren- und Dienstleistungstests durchführt. Seit 2012 ist ÖKO-TEST in das Register für Unionsmarken als Dienstleistung zur „Verbraucherberatung und Verbraucherinformation bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen“ eingetragen.
Die Zeitschrift hatte 2005 einer Zahnpasta des Herstellers Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co. KG die Bewertung „sehr gut“ verliehen. Im selben Jahr schloss Dr. Liebe mit dem ÖKO-Test Verlag einen Lizenzvertrag. Im Jahr 2008 endete der Lizenzvertrag für die Nutzung des Siegels, da es einen neuen Test gegeben und das Produkt sich zudem verändert habe. Dennoch verwendete der Beklagte 2014 das Testsiegel “sehr gut”auf der Verpackung eines seiner Produkte ohne Zustimmung der Testanbieter.
Gegen die Verwendung des ÖKO-Test-Labels ging der Inhaber der Marke gerichtlich vor. Er erhob beim LG Düsseldorf eine Klage wegen Verletzung des Markenrechts und verlangte von den Verwendern Ersatz für die Abmahnkosten, sowie Unterlassung der Nutzung des Testsiegels.
Bisheriger Prozessverlauf
Das LG Düsseldorf verurteilte den Hersteller, die Benutzung des Siegels wegen Verwechslungsgefahr zu unterlassen und das Produkt vom Markt zu nehmen. Der Zahnpastahersteller legte Berufung ein und zog vor das OLG Düsseldorf.
Das OLG Düsseldorf zweifelte daran, ob sich Öko-Test überhaupt auf zustehende Markenrechte berufen kann. Das Gericht begründete dies damit, dass zwischen dem Öko-Test-Verlag und dem Zahnpastahersteller gar kein Wettbewerbsverhältnis bestehe.
Vor diesem Hintergrund legte das OLG dem EuGH zwei entscheidende Fragen vor (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.11.2017, Az. I-20 U 152/16):
- Liegt eine rechtsverletzende Benutzung einer Marke vor, wenn die Marke auf einer Ware angebracht ist, als Testsiegel verstanden und mit Note dargestellt wird und für Dienstleistungen rund um Verbraucherinformation eingetragen ist?
- Stellt es eine rechtsverletzende Benutzung nach dem Bekanntheitsschutz dar, wenn die Individualmarke nur als Testsiegel bekannt ist und die Individualmarke vom Dritten als Testsiegel benutzt wird?
Benutzung des Testsiegels nur für Zahnpasta
Nach Ansicht des EuGH bezieht sich die Benutzung des Testsiegels nur auf die konkret getestete Ware – die Zahnpasta – und nicht auf die allgemeinen Dienstleistungen. Damit soll verhindert werden, dass das Testergebnis zu einem bestimmten Produkt durch die Verwendung des Labels auf andere Produkte übertragen wird.
Nutzung des Testsiegels unterliegt nicht regulärem Markenschutz
Zahnpasta und Testsiegel seien aber als Dienstleistungen weder identisch noch ähnlich. Damit kann sich der „Öko-Test“- Verlag nicht auf den regulären Markenschutz berufen. Sie stünden demnach in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander.
Das “Öko-Test”-Label könnte aber aufgrund seiner Bekanntheit erweiterten Schutz genießen. Das OLG Düsseldorf muss nun prüfen, ob die Wertschätzung der Verbraucher für Öko-Test durch die Verwendung eines Testsiegels in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wurde.
Der EuGH betonte, dass den Verbrauchern dafür nicht bekannt sein müsse, dass das Testsiegel als Marke eingetragen ist. Es soll ausreichen, dass ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums das das Siegel kenne.
Welche Bedeutung hat der Fall?
Mit seinem Urteil hat der Europäische Gerichtshof Standards für die Anbringung von Test-Labels klargestellt und die Position der Markeninhaber, deren Testsiegel Bekanntheit erlangt haben, gestärkt.
Der Ausgang des EuGH-Verfahrens hat zudem entscheidende Bedeutung für die laufenden Markenverfahren zwischen den Online- und Versandhändlern Otto und Baur und dem Öko-Test Verlag, die der Bundesgerichtshof zurzeit ausgesetzt hat (BGH, Beschluss v. 18.1.2018, Az. I ZR 173/16 und Az. I ZR 174/16). Auch in diesen Fällen wurde mit einem «Öko-Test»-Label geworben, obwohl die abgebildeten Waren nicht getestet wurden.
Herstellern und Händlern ist daher besondere Vorsicht bei der Werbung mit Test-Labels anzuraten, um kostspielige Abmahnungen wegen unlauterer Werbung zu vermeiden.