Kommission will irreführende gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln stoppen – Zum Scheitern verurteilt?
Die Europäische Kommission hat angekündigt, noch in diesem Jahr eine Liste mit zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben auf Lebensmitteln vorzulegen. Dass ein Produkt die Abwehrkräfte stärkt, den Cholesterinspiegel senkt oder das Knochenwachstum fördert, darf dann nur noch behauptet werden, wenn dies tatsächlich wissenschaftlich erwiesen ist. Allerdings liegt derzeit nicht nur bei den gesundheitsbezogenen Angaben einiges im argen, sondern auch bei allemeinen Angaben zur Beschaffenheit der Lebensmittel.
Nach den strengen Regeln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind irreführende geschäftliche Handlungen verboten, das heißt Werbung, welche zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält. Das Lebensmittelrecht, z. B. das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, hält weitere spezielle Regelungen für Lebensmittel bereit. Nach § 11 LFGB ist es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Auch wenn die Aufmachung des Produktes, zum Beispiel durch Abbildungen, irreführend ist, können Verbraucher getäuscht werden.
Angesichts dieser strengen wettbewerbsrechtlichen Regelungen verwundert es jedoch, dass Hersteller ihre Produkte mit allerlei viel versprechenden Werbeaussagen schmücken oder durch Bezeichnungen im Bereich von Euphemismus über Wortspielereien (“natürliches Aroma”) bis hin zur dreisten Lüge dem Käufer eine Qualität der Ware suggerieren, welche diese nicht hat. Die gesetzlichen Regelungen scheinen in diesem Bereich missachtet zu werden und leerzulaufen. Ein Beispiel sind Surimi-Garnelen, welche keine Garnelen enthalten, sondern ein Lebensmittelimitat aus zerkleinertem Fischmuskeleiweiß. Geformter, gefärbter und aromatisierter Fischbrei. Lecker.
Die Essensretter von Foodwatch halten in Ihrem Blog abgespeist.de eine Liste weiterer Werbelügen bereit, aus der wir Ihnen, wohl bekommt’s, zitieren dürfen:
- Die total sportliche Milchschnitte, fast so leicht wie eine Schoko-Sahne-Torte.
- Wissenschaftlich getesteter Joghurt mit minimalen Effekten.
- Puten-Cervelatwurst mit Pute drauf, Schwein drin.
- Ein Schlemmertöpfchen feine Gürkchen, ein höchster Genuss mit erlesenen Aromastoffen aus dem Labor.
- Müsliregel mit dem Besten aus Zucker und Mehl, fast ohne Körner.
- Physalis-Teegetränk, garantiert mit so viel Zucker wie möglich, so wenig Physalis wie nötig.
- Und, wer hätte das gedacht: Fett, fetter, Yogurette.
Soweit die ernüchternde Bestandsaufnahme zur Klarheit und Wahrheit bei Lebensmitteln und zur Effektivität der gesetzlichen Regelungen, die eine Irreführung des Verbrauchers verhindern wollen. Die Politik hat bereits mit dem Portal lebensmittelklarheit.de reagiert, über das wir berichteten.
Die geplante Neuerung bezieht sich lediglich auf gesundheitsbezogenen Angaben. Die Kommission ist der Ansicht, daß die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher das Recht haben zu erfahren, ob sich ein entsprechend deklariertes Lebensmittel tatsächlich positiv auf ihre Gesundheit auswirkt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat am 27.08.2011 die sechste und letzte Gutachten-Reihe zu den gesundheitsbezogenen Angaben veröffentlicht. Mit dieser Reihe von Gutachten wurden seit Oktober 2009 35 gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel bewertet. Noch in diesem Jahr möchte die Kommission eine Liste mit zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben auf Lebensmitteln vorlegen.
Die Kommission hat sich damit kein geringeres als das Ziel gesetzt, irreführende gesundheitsbezogene Angaben für immer zu verbannen.
“Nach Annahme und mit Gültigwerden der Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU darauf verlassen, dass alle gesundheitsbezogenen Angaben auf dem Binnenmarkt wissenschaftlich abgesichert und nicht irreführend sind. Damit können sie sich leichter gesundheitsbewusst ernähren. Mit der Annahme der Liste wird auch die Arbeit der Durchsetzungsbehörden erleichtert, die die Einhaltung der Verordnung zu überwachen haben, und es wird ein fairer Wettbewerb unter den Marktteilnehmern gewährleistet. (…)
Mit der Verordnung über gesundheitsbezogene Angaben soll ein hohes Niveau beim Verbraucherschutz erreicht werden; zu diesem Zweck sollen die Verbraucher leichter Produkte auswählen können, die sie für eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung und damit für den Erhalt ihrer Gesundheit benötigen. Gesundheitsbezogene Angaben dürfen die Verbraucher daher nicht in die Irre führen: Sie müssen genau, wahrheitsgemäß, wissenschaftlich abgesichert und in einer Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben geführt sein. Die EFSA ist das Gremium, das die wissenschaftlichen Belege für die gesundheitsbezogenen Angaben einer Bewertung unterzieht.”
Dabei stellt sich die Frage, ob dieses Ziel wirklich erreicht werden kann, wenn schon die bislang bestehenden Regelungen nicht in der Lage sind, eine irreführende Werbung zulasten des Verbrauchers zu verhindern, weil sie von der Lebensmittelindustrie missachtet werden. (ca)