Wer unerwünschte Werbe-E-Mails erhält, muss das nicht dulden. Sie oder er hat ein Recht darauf, in Ruhe gelassen zu werden.
Dabei muss man gar nicht zugespamt werden – bereits eine einzige Werbe-E-Mail reicht aus, um Rechtsschutz zu erhalten.
So sieht es der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln, Beschluss v. 12.4.2021, Az. 15 W 18/21) und hob damit eine anderslautende Entscheidung des Landgerichts Köln auf (LG Köln, Urteil v. 16.3.2021, Az. 28 O 84/21).
Unterlassungsanspruch und Verfügungsgrund liegen vor
Denn es liege, so das OLG Köln, sowohl ein Unterlassungsanspruch (aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB) vor als auch – hier weicht das OLG von der Auffassung des LG Köln ab – ein Verfügungsgrund im Sinne von §§ 935, 940 ZPO, der das Mittel der einstweiligen Verfügung rechtfertige. Die Dringlichkeitsvermutung ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus § 12 Abs. 1 UWG (insoweit der Antragsteller nicht Mitbewerber der Antragsgegnerin sei), aber eben aus § 940 ZPO. Die Norm nennt für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes beispielsweise die „Abwendung wesentlicher Nachteile“ und die „Verhinderung drohender Gewalt“, ohne jedoch damit die Bedingungen abschließend zu regeln („oder aus anderen Gründen“).
Die Gefahr künftiger Belästigungen abwehren
Doch: Lässt sich eine Werbe-E-Mail unter die Beispielvoraussetzungen subsumieren? Anders als das LG bejaht das OLG Köln diese Frage und sieht in der Werbe-E-Mail eine „drohende, gegen den Antragsteller gerichtete unerlaubte Handlung in Form der Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Antragsteller bisher nur eine einzige Werbe-E-Mail von der Antragsgegnerin erhalten habe, was eher gegen „wesentlich“ und „Gewalt“ spricht, denn auch, wenn die von ihm erlittene Beeinträchtigung damit bislang verhältnismäßig geringfügig ausgefallen sei, bestünde die Gefahr künftiger Belästigungen. Wer einmal in die Fänge einer Spam-Fabrik geriet, weiß, was das OLG meint. Also: Wehret den Anfängen!
Beharrlichkeit zahlt sich aus
Trotzdem: Wird hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen, also: Ist es nicht unverhältnismäßig, wegen einer Werbe-E-Mail ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise bis zu zwei Jahre Ordnungshaft anzudrohen, falls es eine weitere Werbe-E-Mail gibt? Kann man nicht einfach die unerwünschte Mail löschen – und gut? Nein, so das OLG Köln, denn zum einen belaste dies den Antragsteller mit Aufwand an Zeit und Energie, zum anderen zeige die Antragsgegnerin keinerlei Einsicht, im Gegenteil: Als die Werbe-E-Mail abgemahnt wurde, schickte sie als nächstes ein Werbe-Fax. Es ist wohl davon auszugehen, dass das so weitergegangen wäre, hätte der Antragsteller die Antragsgegnerin nicht gerichtlich stoppen lassen. Als Empfänger unerwünschter Werbe-E-Mails kann man ihm für seine Beharrlichkeit nur Respekt zollen. Und – sollte das Urteil in der Praxis Wirkung zeigen – dankbar sein.
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.