OLG Köln gibt Entwarnung für Fotografen: KUG gilt auch nach der DSGVO weiter
Im Netz werden seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) an vielen Stellen Horrorszenarien für das Ende der Fotografie heraufbeschworen, auch die Politik mischt sich ein und schürt so weiter Panik.
Viel Lärm um (fast) nichts
Wir haben uns daher in der letzten Zeit bemüht, etwas Licht in das rechtliche Dunkel und etwas Ruhe in die aufgebrachten Gemüter zu bringen. Die Kollegin Rosenbaum stand diesbezüglich dem WDR am 24.5.2018 in der Servicezeit Rede und Antwort:
Unser Kollege Niklas Haberkamm hat dazu erst gestern in einem Gastbeitrag auf Legal Tribune Online (LTO) klargestellt, dabei häufig viel “Aufregung um Nichts” gemacht wird:
Früher war klar: Das KUG geht dem Datenschutzrecht vor
Die Sorgen der Fotografen aufgrund der neuen Regeln der DSGVO waren allerdings nie völlig unbegründet.
Bisher wurde das Spannungsfeld zwischen Datenschutz und zwischen der Zurschaustellung von Personenbildnissen von der der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung so aufgelöst, dass dem KunstUrhG (KUG) für die Veröffentlichung und Zurschaustellung von Personenbildnissen im Rahmen der §§ 22, 23 KUG Vorrang vor dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) eingeräumt wurde. Die Regeln des KUG waren gewissermaßen lex specialis zum Datenschutzrecht.
Durch die DSGVO ändert sich der Bezugsrahmen jedoch grundlegend, so dass das Verhältnis zwischen den Datenschutzgesetzen und dem Recht am eigenen Bild neu justiert werden muss. Fraglich ist insbesondere, inwieweit dem nationalen Gesetzgeber neben der DSGVO eigenständige Regelungsspielräume verbleiben oder ob nationale Regelungen wie das KUG – als im weiteren Sinne datenschutzrechtliche Regelung – im Anwendungsbereich der DSGVO verdrängt werden.
Wir haben uns unter anderem in den oben erwähnten Beiträgen auf den Standpunkt gestellt, dass die Regeln des KUG auch nach Geltung der DSGVO anwendbar bleiben dürften:
Das OLG Köln lässt Fotografen aufatmen: KUG weiter anwendbar
In einem sehr aktuellen, erst kürzlich veröffentlichten Beschluss vertritt das Oberlandesgericht Köln nun eine recht ähnliche Auffassung und bringt dankenswerterweise noch etwas mehr Klarheit in die Diskussion (OLG Köln, Beschluss v. 8.10.2018, 15 U 110/18).
Nach Auffassung des Kölner Senats erlaubt Art. 85 DSGVO nationale Gesetze mit Abweichungen von der DSGVO zugunsten der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken. Der Artikel enthalte damit eine Öffnungsklausel, die nicht nur neue Gesetze erlaubt, sondern auch bestehende Regelungen – soweit sie sich einfügen – erfassen kann.
Dies insbesondere auch deshalb, da Art. 85 DSGVO gerade den Normzweck habe, einen sonst zu befürchtenden Verstoß der DSGVO gegen die Meinungs- und Medienfreiheit zu vermeiden.
Das KUG biete umfangreiche Abwägungsmöglichkeiten und damit eine Berücksichtigung auch der unionsrechtlichen Grundrechtspositionen, womit der Forderung des Erwägungsgrunds 153 der DSGVO Rechnung getragen werden könne, der in diesem Bereich nur eine bei §§ 22, 23 KUG ohnehin erfolgende umfassende Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen wünsche.
Klartext: Bei der Veröffentlichung von Personenbildern gilt nach wie vor das KUG.
Was Fotografen nun beachten müssen
Das deutsche KUG enthält allerdings keine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Daten, sondern lediglich für die Veröffentlichung der Bildaufnahmen. Streng genommen ist in Bezug auf die Anfertigung von Personenfotos mit der Entscheidung des OLG Köln somit zunächst nicht viel gewonnen.
Bezüglich der Datenerhebung, die durch die Anfertigung von Fotografien entsteht, die nach dem Willen des Gesetzgebers sogar später rechtmäßig veröffentlicht werden dürften, hatten wir bereits hier darauf hingewiesen, dass diesbezüglich jedoch eine Rechtfertigung nach Art. 6 DSGVO in Betracht kommt.
Es besteht ein berechtigtes Interesse der (professionellen) Fotografen, ihre künstlerische Betätigung auszuüben. Diesem Interesse stehen regelmäßig auch keine schutzwürdigen Interessen der Betroffenen entgegen, schließlich ist in den meisten Fällen lediglich die Sozialsphäre betroffen. Es ist aber auch in diesen Fällen stets der Einzelfall zu betrachten und die gegenüberstehenden Interessen abzuwägen.
Hier wäre es sicherlich statthaft, die Zulässigkeit der Anfertigung eines Fotos nach den Vorgaben beurteilen, wie sie das KUG für die den einschneidenderen Rechtseingriff, die Veröffentlichung, vorgibt.
Weitere Rechtfertigungsgründe können die Erfüllung eines Vertrages und die Wahrnehmung berechtigter Interessen sein. Diese Gründe kommen insbesondere bei Auftragsfotografien in Betracht.
Die Informationspflichten
Unabhängig von der Frage nach der Rechtfertigung stellt sich die Frage nach den Informationspflichten nach Art. 13, 14 DSGVO. Hiervon bildet Art. 11 DSGVO eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift ist ein Verantwortlicher (hier: Fotograf) nicht verpflichtet, zur bloßen Einhaltung der DSGVO zusätzliche Informationen aufzubewahren, einzuholen oder zu verarbeiten, um die betroffene Person zu identifizieren. Dies aber nur für den Fall, dass die Identifizierung der betroffenen Person durch den Verantwortlichen nicht oder nicht mehr erforderlich ist.
In der Regel hat der einzelne Fotograf jedoch weder ein Interesse daran noch die Möglichkeit, die auf dem Bild abgebildete Person ohne erheblichen Aufwand zu identifizieren. Die Identifizierung würde allein aus dem Grund erfolgen, um die Vorgaben der Art. 13, 14 DSGVO zu erfüllen.
Selbst bei einer Ablehnung der Anwendbarkeit des Art. 11 DSGVO kommt eine Ausnahme von den Informationspflichten über Art. 14 Abs. 5 DSGVO in Betracht. Demnach besteht u.a. dann keine Informationspflicht, wenn die Erteilung der Information unmöglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Gerade bei der Ablichtung großer Menschenmengen ist es dem Fotografen kaum möglich, alle betroffenen Personen zu informieren.
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