Warum werden die Panama Papers nicht veröffentlicht?
Unter der Bezeichnung “Panama Papers” berichtete unter anderem die Süddeutsche Zeitung am Sonntag und Montag dieser Woche über einen 2,6 Terabyte großen Datensatz bestehend aus über 11,5 Millionen Dokumenten zu 214.000 Briefkastenfirmen, die aus einer Datenbank der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca entwendet, oder wie es in der Presse heisst, “geleakt” wurde.
Offenbar hatte ein Anonymus die Süddeutsche kontaktiert und angefragt, ob man Interesse an Informationen habe. Finanzielle Motive verfolge er nicht, er fürchte allerdings um sein Leben und bitte darum um entsprechende Rücksichtnahme und Sicherheit. Die Süddeutsche hatte Interesse und nahm das Angebot an.
Die Kanzlei, aus der die Daten stammen, beschäftigt sich vornehmlich mit der Gründung von so genannten Offshore-Gesellschaftern oder “Briefkastenfirmen”, mit deren Hilfe Finanztransaktionen steueroptimiert und/oder mit Hilfe von Treuhandkonstruktionen die Herkunft und die Inhaberschaft von Vermögen verschleiert werden können. Eine Briefkastenfirma ist für sich genommen nicht illegal, wird es aber dann, wenn damit Vermögen und Geschäfte vor dem heimischen Fiskus verborgen und Steuern zu hinterzogen werden sollen. Einen lesenswerten Einblick in die Welt der Offhore-Unternehmen geben die Kollegen von Rose & Partner hier.
Ein Konsortium aus rund 400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern recherchierten in den vergangenen zwölf Monaten in den Dokumenten. Veröffentlicht wurden bisher nur einzelne Rechercheergebnisse und Namen prominenter Betroffener.
Veröffentlicht wurden die Dokumente bisher nicht. Weshalb nicht?
Die undifferenzierte, vollständige Veröffentlichung der Dokument dürfte rechtswidrig sein. Auch wenn es sich dabei anscheinend um authentische Dokumente und damit um wahre Tatsachenbehauptungen handelt, ist deren Veröffentlichung nicht in jedem Fall erlaubt.
Der Datenschutz hilft den Betroffenen nicht
Die Dokumente enhalten, soweit sie natürliche Personen betreffen, personenbezogene Daten gem. § 3 Abs. 1 BDSG. Der Begriff der personenbezogenen Daten – und das wird häufig übersehen – beschreibt nicht nur klassische Daten wie etwa den Namen oder den Geburtsort, sondern umfasst alle Informationen, die über eine Bezugsperson etwas aussagen oder mit ihr in Verbindung zu bringen sind. Eine Einwilligung bzw, sonstige datenschutzrechtliche Erlaubnis zur Datenverarbeitung dürfte fehlen.
Ansprüche aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) – in Betracht kommt hier ein Löschungs- bzw. Unterlassungsanspruch gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG – dürften allerdings mit Hinblick auf das Medienprivilieg gem. § 41 Abs. 1 BDSG ausscheiden. Das Medienprivileg stellt die Presse bei der Erfüllung ihrer in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zuerkannten und garantierten Aufgaben, somit die pressemäßigen Veröffentlichung für journalistisch-redaktionelle oder literarische Zwecke” von der Einhaltung der Datenschutzvorschriften weitgehend frei, da ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen journalistische Arbeit nicht möglich wäre.
Veröffentlichungen würden jedoch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen
Grundsätzlich gilt, dass die unbefugte Veröffentlichung von vertraulichen Aufzeichnungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht tangiert, denn der Einzelne hat grundsätzlich ein Recht darauf, selbst zu bestimmen, ob und wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt (BVerfG NJW 2006, 3406, 3408 m.w.N.). Ob der Eingriff in das Persönlichkeitsrechts auch rechtswidrig ist, bestimmt das Ergebnis der Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG.
Zu prüfen ist an dieser Stelle die so genannte Sphärentheorie (vgl. exemplarisch BGH Urt. v. 20.12.2011 – VI ZR 261/10). Danach ist festzustellen, in welcher Sphäre der Betroffene durch die Veröffentlichung berührt wäre. Zu unterscheiden ist, ob der Eingriff in die Intim-, die Privat-, die Sozial oder sogar die Öffentlichkeitssphäre erfolgt. Besonders hohen Schutz genießen die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören (vgl. BVerfGE 65, 1, 41 ff.; 78, 77, 84).
Selbst, wenn man die Dokumente als Bestandteile einem geschäftlichen und somit nicht einem privaten, sondern einem Vorgangs aus der Sozialsphäre zuordnen wollte, dürfte das öffentliche Informationsinteresse das Recht des Betroffenen, nicht an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, überwiegen.
Insbesondere bei Äußerung eines strafrechtlichen Verdachts
Das würde auch und gerade dann gelten, wenn der Verdacht einer Straftat im Raum stünde. Denn nicht jeder Verdacht einer Straftat begründet das überwiegende Informationsinteresse der Allgemeinheit an einer entsprechenden Berichterstattung. Es müsste sich vielmehr eine schwerwiegende Verfehlung handeln, bei der auch die Person des Verdächtigen eine Rolle spielt. Ein kleiner Unternehmer oder gar Privatmann muss danach eher “in Ruhe gelassen werden”, als ein Großindustrieller, ein Politiker oder eine sonstige in der Öffentlichkeit stehende Person.
Zusammengefasst hat eine zulässige Verdachtsberichterstattung die folgenden Voraussetzungen:
- Ein Mindestbestand an Beweistatsachen
- Keine Vorverurteilung des Betroffenen
- Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung
- Gelegenheit zur Stellungnahme des Betroffenen
Zusätzlich brisant: Die Dokumente wurden unrechtmäßig erlangt
Was der neudeutsche Begriff des “Leaks” verniedlicht, ist die Tatsache, dass – wie Mossack Fonseca bestätigt -, die Daten von den Servern der Kanzlei unbefugt entwendet wurden.
Grundsätzlich ist es im Rahmen der Interessenabwägung von Belang, ob die Dokumente auf rechtmäßige Weise erlangt wurden. Die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen, bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines gesteigerten Informationsinteresses (dazu LG Hamburg, Urteil v. 23.5.2008, Az. 324 O 38/08; LG Braunschweig, Urteil v. 5.10.2011, Az. 9 O 1956/11). Die Journalisten haben daher aus gutem Grund bisher davon abgesehen, alle Dokumente zu veröffentlichen und sich darauf beschränkt, die Namen einiger bekannter, in der Öffentlichkeit stehender Personen zu nennen.
Vielleicht erübrigt sich eine Entscheidung. Wikileaks lässt nämlich auf Twitter die Follower bereits darüber abstimmen, was dagegen spreche, wenn dort alle Dokumente veröffentlicht würden:
Should we release all 11 million #PanamaPapers so everyone can search through them like our other publications?
— WikiLeaks (@wikileaks) 3. April 2016
Ob Wikileaks die Dokumente wirklich hat, ist unklar. Über 90 Prozent der Teilnehmer, antworteten jedenfalls mit “Ja”.
Nicht mitgeteilt wird freilich, wie viele der Befürworter der Veröffentlichung selbst Briefkastenfirmen in Panama haben. Oder vertrauliche Dokumente bei ihrer Bank, ihrem Steuerberater, Anwalt oder Arzt, die bei einem Hackerangriff in falsche Hände geraten könnten.