BGH: Der Online-Handel mit „Bio“-Erzeugnissen erfordert Zertifizierung
Um den Verbraucher zu schützen, unterliegen „Bio“-Produkte strengen Auflagen. Der BGH klärte nun die lange umstrittene Frage, ob auch Online-Verkäufer von ökologischen Erzeugnissen der Zertifizierungspflicht nach der sog. „EG-Öko-VO“ unterliegen.
Ist der Online-Verkauf „direkt“ genug?
Ein Online-Händler, der unter anderem Gewürzmischungen mit „Bio“-Kennzeichnung in seinem Shop anbot, geriet ins Fadenkreuz einer Wettbewerbszentrale. Diese mahnte den Händler wegen eines Wettbewerbsverstoßes ab, da dieser gegen die Zertifizierungspflicht im Rahmen des Verkaufs seiner Bio-Produkte verstoßen haben soll.
Die Klage wurde vom Landgericht Fulda (LG Fulda, Urteil. v. 23.09.2013, Az. 2 O 161/13) abgewiesen, durch das OLG Frankfurt a. M. (Urt. v. 30.09.2014 – Az. 14 U 201/13) jedoch bestätigt. Der Händler legte Revision beim BGH (Urt. v. 29.03.2018 – Az.: I ZR 243/14) ein, welcher dem EuGH die den Fall entscheidende Frage vorlegte:
Liegt im Sinne von Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 („EG-Öko-VO“) ein “direkter” Verkauf an einen Endverbraucher vor, wenn der Unternehmer bzw. dessen Verkaufspersonal dem Endkunden die Produkte ohne Einbindung eines Dritten (Zwischenhändler) verkauft?
Zertifizierungspflicht: Keine Regel ohne Ausnahme
Grundsätzlich regelt die Verordnung (EG) Nr. 834/2007, inwiefern mit dem Zusatz „Bio“ versehene ökologische/biologische Erzeugnisse erzeugt, hergestellt und gekennzeichnet werden müssen. Nach Art. 28 Abs, 1 lit. b dieser Verordnung ist unter anderem jeder Unternehmer, der biologische/ökologische Erzeugnisse in den Verkehr bringt, dazu verpflichtet, sich dem Kontrollsystem aus Art. 27 zu unterziehen.
Der Händler war zum Zeitpunkt des Anbietens der Bio-Erzeugnisse nicht dem Kontrollsystem unterstellt. Die Wettbewerbszentrale sah darin jedoch einen Verstoß aus Art. 28 Abs. 1 lit. b EG-Öko-VO.
Die zentrale Frage war, ob der Ausnahmetatbestand des Art. 28 Abs. 2 EG-Öko-VO in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ÖLG im Rahmen des Online-Vertriebs von Bio-Erzeugnissen greift. Hiernach muss sich der Unternehmer nicht dem Kontrollsystem nach Art. 27 EG-Öko-VO unterwerfen, wenn er seine Waren „direkt“ an den Endverbraucher verkauft.
Keine Ausnahme für Online-Shops
Der EuGH verneinte die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands nach Art. 28 Abs. 2 EG-Öko-VO in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ÖLG im vorliegenden Fall. Der „direkte“ Verkauf an den Endkunden setze voraus, dass die Abwicklung des Verkaufs am Lagerungsort der Ware unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers bzw. dessen Verkaufspersonals einerseits und des Verbrauchers andererseits erfolge. Dies scheidet beim Verkauf im Online-Handel regelmäßig aus, sodass sich der Händler dem Kontrollsystem nach Art. 27 EG-Öko-VO zu unterwerfen habe.
Im Raum stand die Möglichkeit, dass ein „direkter“ Verkauf bereits dann vorliegen könnte, wenn in die Lieferkette zwischen Unternehmer und Endkunden kein Dritter wie beispielsweise ein Zwischenhändler miteinbezogen wird. Dieser Auslegung der Vorschrift erteilten die Richter des EuGHs jedoch eine Absage. Es solle gewährleistet werden, dass sämtliche Schritte – von der Erzeugung bis zum Abverkauf an den Endkunden – dem Kontrollsystem des Art. 27 EG-Öko-VO unterliegen und dadurch der Verbraucher ausreichend geschützt werde. Zu den Zwischenschritten innerhalb der Erzeugung und des Verkaufs an den Verbraucher zähle auch der Transport der ökologischen Erzeugnisse zum Kunden, so die Richter.
Benachteiligt der EuGH den Online-Handel?
Die Beurteilung der Frage, ob ein „direkter“ Verkauf von Bio-Erzeugnissen an den Verbraucher auch im Fall eines Online-Händlers ohne Miteinbeziehung eines Zwischenhändlers gegeben ist, wurde nun höchstrichterlich durch den EuGH mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Jedoch darf sich der stationäre Einzelhandel, der Bio-Erzeugnisse „direkt“ an den Kunden verkauft, weiterhin auf Art. 28 Abs. 2 EG-Öko-VO in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ÖLG berufen und ist somit von einer Zertifizierungspflicht grundsätzlich befreit.
Es ist nicht gänzlich nachvollziehbar, warum der EuGH den stationären Einzelhandel dadurch bevorzugt, dass dem Online-Handel mit Bio-Erzeugnissen die Anwendung der Ausnahmeregelung des Direktvertriebs verwehrt wird. Insbesondere bleibt die Frage offen, weshalb der EuGH dem Verbraucher beim Erwerb der Ware im Ladengeschäft im Vergleich zum Online-Kauf eine bessere Nachprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Einhaltung der einschlägigen Vorschriften attestiert.