Blizzard scheitert gegen Bossland mit Millionenforderung vor dem LG Leipzig
Der Computerspielemarkt hat mittlerweile den Filmmarkt überholt. 2016 wurden dort 173 Millionen € umgesetzt. Hinzu kommen Transaktionen innerhalb der einzelnen Spiele, mit denen virtuelle Güter erworben werden können (“Mikrotransaktionen“), die für einen zusätzlichen Umsatz von 266 Millionen € sorgen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass dieser Markt nicht nur heiß umkämpft ist, sondern dessen Teilnehmer auch darum bemüht sind, die Motivation für solche Mikrotransaktionen bei den Spielern aufrecht zu erhalten.
Ein ganz besonderer Dorn im Auge war dem Spielehersteller Blizzard in diesem Zusammenhang das deutsche Unternehmen Bossland GmbH, das Spielern von unter anderem dem Strategiespiel World of Warcraft gegen eine gewisse Gebühr kleine Softwareprogramme, sogenannte Bots zur Verfügung stellte, mit denen die Spieler bestimmte Aktionen automatisch durchführen lassen können.
Bots automatisieren Spielverläufe
Die genannten Programme stellen Spielern mit Hilfe so genannter Bots in einer bislang nutzbaren rechtlichen Grauzone Hilfsmittel zur Verfügung, um im Spiel erfolgreicher zu sein. Die Bots machen es möglich, zB das Farmen von Rohstoffen zu automatisieren und durchzuführen, obwohl man selbst gar nicht online ist. Dadurch können besonders langwierige Spiel-Sequenzen quasi im Schlaf überbrückt werden und der Spieler kann mit dem automatisch gesammelten Rohstoff bestimmte Wertgegenstände kaufen, die er sich ansonsten nicht hätte leisten können oder in für ihn interessantere Levels aufsteigen.
Aus Sicht des Spielherstellers Blizzard, der mit dem Spielspaß seiner Kunden sein Geld verdient und daher ein Interesse daran hat, dass dieser nicht durch Regelbrüche verdorben wird, ist es verständlich, dass die Bots als Manipulation und damit als Geschäftsschädigung gewertet und mit allen zur Verfügung stehenden juristischen Mitteln verfolgt werden.
Der BGH hatte die Bot-Software bereits verboten, jedoch keinen Schadensersatz zugesprochen
Bossland hatte in der Vergangenheit bereits juristische Niederlagen vor dem Bundesgerichtshof einstecken müssen (z.B. BGH, Urteil v. 12.01.2017, Az. I ZR 253/14). Der BGH hielt ein Urteil des OLG Hamburg aufrecht, mit dem der Bossland GmbH der Vertrieb und die Entwicklung der Software untersagt worden war und machte damit dem Geschäftsmodell von Bossland einen Strich durch die Rechnung.
Schadensersatz hatten deutsche Gerichte jedoch bisher noch nicht zugesprochen.
US-Gericht sprach Blizzard 2017 $8,5 Millionen zu
Ende März 2017 hatte ein US-Gericht eine Schadenersatzzahlung von insgesamt $8,5 Millionen zu Gunsten von Blizzard wegen des Verkaufs und der Verbreitung der Software Honorbuddy, Demonbuddy, Stormbuddy, Hearthbuddy, and Watchover Tyrant gegen die Bossland GmbH in den USA zugesprochen. Diese Summe wäre in Deutschland realistischerweise nicht zu erzielen gewesen.
Blizzard scheitert mit dem Versuch, US-Urteil in Deutschland durchzusetzen
Nur vor diesem Hintergrund ist der – von vornherein grundsätzlich mit wenig Erfolgsaussichten versehene – Versuch nachvollziehbar, diese Summe mittels der bereits in den USA erwirkten Entscheidung in Deutschland durchzusetzen.
Mit diesem Versuch ist Blizzard nun offenbar vor dem Landgericht Leipzig gescheitert (LG Leipzig, Beschluss v. 15.2.2018, Az. 5 O 3052/17, der Beschluss ist hier abrufbar). Das US-Unternehmen hatte versucht, auf Grundlage des amerikanischen Urteils einen dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Bossland GmbH zu bewirken. Es hatte argumentiert, dass Bossland durch die Gründung einer weiteren GmbH versuche, sich dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen.
Weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsrund
Für die Arrestierung eines Vermögens ist als Arrestgrund die Besorgnis erforderlich, dass die Vollstreckung eines Urteils ohne Arrestverhängung vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Das Gericht hat offen gelassen, ob ein solcher Arrestgrund im vorliegenden Fall überhaupt gegeben war. Dies sei jedenfalls zweifelhaft, da Blizzard damit nicht arrestkonforme Zwecke verfolge. Es gehe der Gläubigerin nämlich nur vorgeblich darum, Vermögenswerte zu sichern. In Wirklichkeit wolle sie aber eigentlich ihren vermeintlichen Unterlassungsanspruch auch gegen die neue GmbH durchsetzen, ohne einen entsprechenden Titel in den Händen zu halten. Dazu sei das Arrestverfahren jedoch nicht vorgesehen.
Anerkennungsfähigkeit scheitert am ordre public
Das Landgericht ging zudem davon aus, dass auch kein Arrestanspruch vorliege, da das Urteil des kalifornischen District Court nicht gem. § 328 Abs.1 Nr. 4 ZPO anerkennungsfähig sei. Der Anerkennungsfähigkeit stehe ein Verstoß gegen den ordre public entgegen. Danach ist ein ausländisches Urteil jedenfalls dann nicht anerkennungsfähig, wenn das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint.
Jedenfalls ein Teil der Begründung des Landgerichts ist zweifelhaft
Als Begründung führt das Gericht an, dass der in den USA übliche Strafschadensersatz (punitive damages) den Prinzipien des deutschen Schadensersatzrechts zuwiderlaufe, das nicht bestrafen, sondern nur eine Kompensation des entstandenen Schadens sicherstellen wolle. Das von Blizzard erstrittene Urteil aus den USA sprach zwar keinen reinen Strafschadensersatz zu, sondern einen Schadensersatz für die begangenen Urheberrechtsverletzungen, der sich aus “statuatory damages” zusammensetzte. Das Landgericht Leipzig stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass die Aufsummierung der zigtausend Verstöße zu einer Höhe führe, „die derart exorbitant ist, dass sie mit dem System des zivilen Schadensersatzes nicht mehr zu vereinbaren ist“.
Die Aussichten, dass die nächste Instanz diese Einschätzung des Landgerichts Leipzigs korrigieren wird, stehen nicht schlecht, auch wenn ein Rechtsmittel im Ergebnis wenig Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
Das Doppelte oder das Dreifache der angemessenen Vergütung verstoßen nicht gegen Europarecht
Denn der EuGH hat Anfang 2017 auf eine Vorlagefrage eines polnischen Gerichts entschieden, dass eine Regelung, nach der der Betroffene weder den tatsächlichen Schaden noch den Kausalzusammenhang zwischen dem seine Rechte verletzenden Ereignis und dem erlittenen Schaden nachweisen muss, Art. 13 der Richtlinie 2004/48 nicht entgegensteht.
Im Fall der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums sei die bloße Zahlung der hypothetischen Vergütung nicht geeignet, eine Entschädigung für den gesamten tatsächlich erlittenen Schaden zu garantieren, weil mit der Zahlung einer solchen Vergütung weder die Erstattung möglicher, mit der Feststellung allfälliger Verletzungshandlungen und ihrer Verursacher verbundener Kosten und auch nicht die Zahlung von Zinsen auf die geschuldeten Beträge sichergestellt werde.
Die Richtigkeit des Hinweis des Landgerichts, dass bereits die schiere Höhe des bezifferten Schadens auch seine Erstattung ausschließe, darf vor diesem Hintergrund mit guten Argumenten angezweifelt werden. Zumal der EuGH explizit darauf hinweist, dass einem etwaigem Missbrauch durch die Bestimmung von exorbitant hohen Schadensersatzbeträgen mit den herkömmlichen Vorschriften begegnet werden könne.
Ausblick
Es ist nicht anzunehmen, dass der Rechtsstreit in dieser Instanz sein Ende findet. Dafür steht insgesamt zu viel Geld auf dem Spiel. Die Weiterführung des Rechtsstreit dürfte aber für Blizzard auch abgesehen davon eine gute Gelegenheit sein, klären zu lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen US-amerikanische Urteile, die meist sehr hohe Schadensersatzbeträge beinhalten auch auf europäischem Boden durchgesetzt werden können. Über den Mangel am Arrestgrund wird Blizzard aber wohl auch in der nächsten Instanz nicht hinwegkommen.