EuGH: YouTube haftet grundsätzlich nicht für Urheberrechtsverletzungen
Haften Online-Plattformen wie YouTube für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer?
Mit dieser Frage beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren, dem zwei Fälle aus Deutschland zu Grunde lagen (EuGH, Urteil vom 22.06.2021, Az. C-682/18 und C-683/18).
Die Richter aus Luxemburg urteilten, dass derartige Portale grundsätzlich nicht für Verstöße gegen das Urheberrecht haften. In bestimmten Ausnahmefällen sieht es allerdings anders aus.
Das Urteil basiert auf der alten Rechtslage, die vor Inkrafttreten der Urheberrechtsform galt. Was sich durch die neue Urheberrechtslinie 2019/790/EU im Juni 2021 geändert hat, und was es mit den umstrittenen Uploadfiltern auf sich hat, wird im Beitrag näher erläutert.
Worum geht es in den zugrundeliegenden Verfahren?
Im ersten Verfahren (C-682/18) geht es um den Musikproduzenten Frank Peterson. Dieser verklagte YouTube und deren gesetzliche Vertreterin Google auf Unterlassung und Schadensersatz vor deutschen Gerichten. Im Jahre 2008 wurden mehrere Tonträger, an denen Peterson nach eigenen Angaben verschiedene Rechte besitzt, ohne seine Erlaubnis auf YouTube hochgeladen. Es geht es um Musiktitel aus dem Album „A Winter Symphony“ der Sopranistin Sarah Brightman sowie um private Tonmitschnitte, die bei Konzerten ihrer Tournee „Symphony Tour“ angefertigt wurden.
Im zweiten Verfahren (C-683/18) klagt der internationale Fachverlag Elsevier gegen das schweizer IT-Unternehmen Cyando. Dieses betreibt die Sharehosting-Plattform „Uploaded“. Dort wurden im Jahre 2013 verschiedene medizinische Werke hochgeladen. An diesen hatte Elsevier die ausschließlichen Rechte. Eine vorherige Erlaubnis wurde nicht eingeholt.
Grundsätzlich keine Haftung für Urheberrechtsverletzungen
Knackpunkt war die Frage, wie der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen ist. Das bloße Betreiben der Plattform, auf der die urheberrechtlich geschützten Inhalte hochgeladen werden, reiche für eine solche richtigerweise nicht aus. Der EuGH entschied, dass sich Plattformbetreiber auf die Haftungsbefreiung der Richtlinie 2000/31/EG (sog. „Providerprivileg“) berufen können, sofern sie keine aktive Rolle spielen, die ihnen Kenntnis von den hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft.
Für die Haftung sei erforderlich, dass der Betreiber – über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus – dazu beitrage, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen.
Haftung in Ausnahmefällen
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs müsse der Plattformbetreiber dann haften, wenn er konkrete Kenntnis vom urheberrechtswidrigen Inhalt habe und diesen nicht unverzüglich lösche oder den Zugang zu ihm sperre. Aus diesem Grund muss der Betreiber, bevor er gerichtlich in Anspruch genommen werden kann, zuvor über die Urheberrechtsverletzung informiert werden. Der EuGH bestätigte damit das bereits in der Praxis angewendete Notice-and-Takedown-Verfahren.
Eine Haftung kommt auch dann in Betracht, wenn der Betreiber wisse oder wissen müsse, dass Nutzer auf seiner Plattform im Allgemeinen geschützte Inhalte rechtswidrig hochladen und er keine technischen Vorkehrungen dagegen treffe.
Erst recht hafte der Betreiber, wenn er an der Auswahl illegal hochgeladener Inhalte beteiligt sei, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbiete, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt seien, oder ein solches Teilen wissentlich fördere.
Was hat sich durch die neue Rechtslage verändert?
Anfang Juni 2021 kam es in Deutschland durch die Umsetzung der Richtlinie 2019/790/EU zu einer Urheberrechtsnovelle. Internetplattformen wie YouTube sind nun verpflichtet vor dem Upload die Zustimmung der Rechteinhaber einzuholen. Dies kann etwa durch den Abschluss von Lizenzverträgen erfolgen. Kann eine erforderliche Lizenz nicht erworben werden, darf der Inhalt nicht hochgeladen werden. Aus diesem Grund rechnen Kritiker mit dem Einsatz von sog. Uploadfiltern, die als unzulässiger Eingriff in die Meinungsfreiheit angesehen werden.