Lkw-Kartell: Daimler muss Käufer für überhöhte Preise entschädigen
Wegen Preisabsprachen zwischen den Lkw-Herstellern in den Jahren zwischen 1997 bis 2011 haben geschädigte Käufer dem Grunde nach Schadensersatzanspruch gegen die Daimler AG.
Dies hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 4. April 2019 entschieden (OLG Stuttgart, Urteil v. 04.04.2019, Az. 2 U 101/18).
Unklar ist allerdings noch, in welcher Höhe der Schadensersatz anzusetzen ist. Das wird in einem gesonderten Betragsverfahren geklärt. Daimler kündigte gegen die Entscheidung Revision an.
Daimler AG war am Lkw-Kartell beteiligt
Die Daimler AG war Mitglied eines von 1997 bis 2011 bestehenden Kartells von Lkw-Herstellern (Daimler, Iveco, DAF, MAN, Scania und Volvo/Renault), die nach den Feststellungen der Europäischen Kommission untereinander Informationen über Bruttopreise austauschten. Ein von der Europäischen Kommission geführtes Kartellverfahren endete im Juli 2016 mit einem Vergleich und der Verhängung von Bußgeldern von insgesamt knapp vier Milliarden Euro. Davon musste Daimler rund eine Milliarde Euro zahlen.
Baufirma fordert Schadensersatz wegen Zahlung überhöhter Lkw-Preise
Das Bauunternehmen Matthäi aus Verden hatte zwischen November 1998 und Oktober 2011 ein Dutzend Daimler-Lkw gekauft. Inklusive Zinsen verlangt das Unternehmen rund 600.000 Euro Schadensersatz mit der Begründung, dass die bezahlten Kaufpreise aufgrund des Kartells überhöht gewesen seien.
Hohe Wahrscheinlichkeit der gewinnsteigernden Wirkung des Kartells
Das LG Stuttgart (LG Stuttgart, Urteil v. 30.04.2018, Az. 45 O 1/17) hat in einem Grundurteil die Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Frage, in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist, der Klärung im gesonderten Betragsverfahren überlassen.
Dagegen legte die Daimler AG Berufung ein. Das OLG Stuttgart hat diese Entscheidung im Wesentlichen bestätigt (OLG Stuttgart, Urteil v. 04.04.2019, Az. 2 U 101/18). Der Kartellrechtsverstoß sei zwischen den Parteien unstreitig und auch durch den Beschluss der Kommission vom 19.07.2016 bindend festgestellt. Nach Einschätzung des OLG Stuttgart spreche eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Lkw-Kartell gebildet und erhalten werde, um im Vergleich zum Marktwert höhere Preise zu erzielen. Damit sei es auch wahrscheinlich, dass bei den Abnehmern hierdurch ein Schaden entstanden sei.
Daimler ist hingegen der Auffassung, dass den Kunden kein Schaden entstanden sei. Darüber hinaus seien nur Bruttopreise im Kartell ausgetauscht worden, aber nicht die Endverkaufspreise. Der Konzern kündigte deshalb Revision gegen das OLG-Urteil an.
Achtung: Verjährung droht!
Seit dem 01.01.2002 gilt für Schadensersatzansprüche gem. Art. 229 § 6 Absatz 1 Satz 1 und 2 EGBGB eine Maximalverjährungsfrist von zehn Jahren. Die Verjährung wurde jedoch ab den ersten Ermittlungsmaßnahmen der Europäischen Kommission bis zum Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens – zwischen 2011 und 2016 – gem. § 33 Abs. 5 GWB a.F. (jetzt § 33h Abs. 6 GWB) gehemmt. Diese Hemmung endete sechs Monate nach bestandskräftigem Bußgeldbescheid, mithin zum 19. Januar 2017. Die verjährungshemmende Wirkung des § 33 Abs. 5 GWB a.F. besteht auch für sog. „Altfälle“, die vor dem Inkrafttreten des § 33 Abs. 5 GWB (Juli 2005) entstanden sind, sofern an jenem Tag die Ansprüche nicht bereits verjährt waren. Der massgebliche Zeitpunkt für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs ist der Kauf des Lkw.
Ob Verjährung zu befürchten ist, muss daher stets im Einzelfall geprüft werden. Betroffene Unternehmen sollten deshalb zügig agieren, um ihre Forderungen umgehend prüfen zu lassen und auch erfolgreich durchzusetzen.