Schokolade zum Frühstück
Bis Müsli ein Lifestyleprodukt wurde, war es ein langer Weg. Als „Körnerfresser“ und grünalternativ wurde man abgestempelt, wenn man seine faden Haferflocken mit den unbeliebten Rosinen trostlos morgens in sich reinschaufelte. Bio war sowieso bäh.
Aber irgendwie, es passierte quasi über Nacht, wurde Müsli zum Trendprodukt, der Online-Baukasten für überteuertes Biomüsli zum Statussymbol jedes Start-Up Büros und ein „mit weniger Zucker“-Label zum Verkaufsgarant. Zucker ist einfach nicht mehr „in“. Aber schmecken soll es eben trotzdem. Also was tun?
Nährwertangabe auf der Rückseite reicht nicht
Die Frage stellte sich wohl auch die Dr. Oetker Marketingabteilung und entschloss kurzerhand, gar nicht mit der Zuckermenge auf 100g, sondern mit der Menge pro Portion zu werben. 100g des „Vitalis Knuspermüsli“ haben nämlich 448 Kalorien.
Zum Vergleich: Eine Tafel der beliebten lila Vollmilchschokolade hat auf 100g ca. 528 Kalorien.
Eine „Portion“ bemisst Dr. Oetker beim Müsli mit 40g Müsli plus 60ml Milch. Und das ergibt dann schlanke 208 Kalorien.
Das sieht nicht nur viel besser aus, sondern unterstreicht das vitale Image des „Vitalis Knuspermüsli“ hervorragend. „Vitalis“ – da fühlt man sich direkt 12 Jahre jünger, wenn man eine Schüssel mit gesunder Milch zu sich genommen hat.
Ok, 40g pro Portion ist schon sehr wenig. Messen Sie das mal nach, das ist gerade so eine Hand voll. Aber aber: der vorgeschriebene Wert je 100g steht ja drauf. Nur eben nicht vorne.
LG Bielefeld sieht Verstoß gegen Lebensmittelrichtlinien
Das empfand das Landgericht Bielefeld als gar nicht so bekömmlich und bestätigte den Verstoß gegen geltende Lebensmittelrichtlinien. Sich eine Portionsgröße von 40g mit 60ml Milch auszudenken und dessen Kalorienwert anzugeben, reiche nicht aus. Es muss der Brennwert für 100g des eigentlichen Produktes wiedergegeben werden. Und zwar vorne auf der Packung, für den Konsumenten und potentiellen Käufer sichtbar. Wenn dies nicht geschieht, liegt ein Wettebewerbsverstoß vor. Und das sei bei Dr. Oetker eindeutig der Fall.
So vital ist das Müsli dann leider gar nicht mehr. Dafür wird mein schlechtes Gewissen, wenn ich mir anstelle eines Frühstücks eine Tafel Schokolade gönne, so klein wie die angegebene Portionsgröße.
Der Beitrag stammt von unserer freien Autorin Katharina Reber. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.