BVerfG zur Zwangsvollstreckung in eine Internet-Domain
Nach Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 11.07.2014, Az. 2 BvR 2116/11, kommt die DENIC als Drittschuldner nach §§ 840, 857 ZPO in den Fällen in Betracht, in denen ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung in die Rechte an einer unter der Top-Level-Domain „.de“ registrierten Domain betreibt.
Im zugrunde liegenden Fall erwirkte der Gläubiger in diesem Sinne einen Pfändungsbeschluss mit folgendem Inhalt:
„Wegen dieser Ansprüche … werden die angeblichen Ansprüche und Rechte, insbesondere die Nutzungsrechte des Schuldners aus den durch die Registrierung bei dem Drittschuldner abgeschlossenen Verträgen bezüglich der dem Schuldner erteilten Internet-Domain ….de einschließlich sämtlicher Rechte aus der vertraglichen Beziehung zur … – Drittschuldner – gepfändet.
Dem Drittschuldner wird verboten, an den Schuldner Leistungen aus dem Vertragsverhältnis betreffend der Überlassung der o.a. Internet-Domains zu erbringen. Dem Schuldner wird geboten, sich jeder Verfügung über die gepfändeten Ansprüche und Rechte, insbesondere der Nutzungs- und Gestaltungsrechte, zu enthalten.“
Nach Zustellung des Beschlusses musste sich die DENIC nach § 840 Abs. 1 ZPO dem Gläubiger gegenüber unter anderem dazu äußern, ob und inwieweit sie die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei, ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen, ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei.
Die Abgabe einer solchen Erklärung wurde von Seiten der DENIC jedoch mit der Begründung verweigert, dass ihr keine Drittschuldnerstellung zukomme. Diese Auffassung teilte das in der Berufungsinstanz mit der Sache befasste Landgericht Frankfurt a.M. nicht. Das Bundesverfassungsgericht beschloss nunmehr, dass die betreffende Beurteilung des Landgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand hält:
„Das gilt allerdings nicht, soweit das LG davon ausgegangen ist, die Bf. sei Drittschuldnerin iSv § 840 ZPO iVm § 857 I ZPO. Von einer willkürlichen Missdeutung einer Norm kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 [278 f.] = NJW 1993, 996; BVerfGE 96, 189 [203] = NJW 1997, 2305). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal Drittschuldner erfüllt. Das LG hat ausführlich begründet, warum die Bf. als Drittschuldnerin anzusehen ist. Als sachlichen Grund dafür hat es insbesondere nach Eintragung der Domain in das Register der Bf. und den Primary Nameserver fortdauernde, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, NJW 2005, 3353 = WM 2005, 1849) anerkannte Leistungs- und Nebenpflichten der Bf. aus dem Domainvertrag mit dem Schuldner sowie das auch bei dem konkret gepfändeten Recht bestehende Interesse des Gläubigers an der unmittelbaren Information über dessen Bestand und Wert durch den Vertragspartner des Schuldners angeführt. Unabhängig davon, wie die einfache Rechtslage richtigerweise zu beurteilen ist, gibt es deshalb insoweit jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Entscheidung durch das LG.“
Als Drittschuldner obliegt es der DENIC in den vergleichbaren Situationen neben der Abgabe der vorbenannten Erklärung, sich nach §§ 829 Abs. 1 Satz 1, 857 Abs. 1 ZPO davon zu enthalten, im Zusammenhang mit dem gepfändeten Gegenstand etwaige Leistungen an den Schuldner zu erbringen. Dazu gehört auch die Pflicht der DENIC, die notwendige Mitwirkung an einer dem Verbot des § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO zuwiderlaufenden Verfügung des Schuldners – etwa eine Umregistrierung auf Grund einer Veräußerung der Domain durch den Schuldner vorzunehmen – zu unterlassen.
Schließlich resultiert aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch eine Schadensersatzpflicht der DENIC, soweit sie ihrer Pflicht zur Abgabe der Drittschuldnererklärung nach § 840 Abs. 1 ZPO nicht nachkommt. Der insoweit ersatzfähige Schaden ist jedoch auf solche Einbuße begrenzt, die kausal durch eine Verletzung dieser Erklärungspflicht verursacht worden sind:
“Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Gläubiger gem. § 249 BGB so zu stellen, wie er bei einer richtigen Auskunft des Drittschuldners – hier der Bf. – gestanden hätte. Die Schadensersatzpflicht des Drittschuldners umfasst dabei nicht den Schaden, der dem Gläubiger dadurch erwächst, dass er keine Erfüllung erlangt, weil die Forderung beziehungsweise das gepfändete Recht nicht besteht oder mit Einwendungen bzw. Einreden behaftet ist und die Vollstreckung somit ins Leere geht (vgl. BGHZ 69, 328 = NJW 1978, 44; BGHZ 98, 291 = NJW 1987, 64; BGH, NJW 2010, 1674 Rn. 11; NJOZ 2013, 1541 Rn. 10 ff.; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 840 Rn. 13). § 840 II 2 ZPO hätte deshalb eine Differenzierung geboten zwischen solchen Schadenspositionen, die auch bei Abgabe einer Drittschuldnererklärung eingetreten wären, und solchen, die auf dem Unterlassen der Drittschuldnererklärung beruhen (zB die Kosten des vergeblichen Verwertungsversuchs).“
(pu)
(Bild: Kuckuck (Cuculus canorus) © Joachim Neumann – Fotolia)