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Wann Anwaltswerbung nach hinten losgeht

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Träumen von der negativen FeststellungsklageLaut Focus haben die Betreiber der Plattform „Cineastentreff“ den folgenden Hinweis der Kriminalpolizei auf der frisch geschlossenen Plattform kino.to

Die Kriminalpolizei weist auf Folgendes hin:
Die Domain zur von Ihnen ausgewählten Webseite wurde wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerbsmäßigen Begehung von Urheberrechtsverletzungen geschlossen.

Mehrere Betreiber von KINO.TO wurden festgenommen.

Internetnutzer, die widerrechtlich Raubkopien von Filmwerken hergestellt oder vertrieben haben, müssen mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen.”

zum Anlass genommen, um das Land Sachsen publikumswirksam anwaltlich abzumahnen und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und der angeblichen dafür entstandenen Anwaltskosten aufzufordern.

Im Abmahnschreiben wird behauptet, dass es einen Verstoß gegen das Telemediengesetz darstelle, dass das Land Sachsen als Diensteanbieter in Bezug auf die Seite kino.to dort kein Impressum bereithalte. Die Behörde handele daher ordnungswidrig. Das Forum Cineastentreff sei zudem unmittelbarer Wettbewerber zum Betreiber von kino.to, da es zwar anders als kino.to zwar keine rechtswidrigen Inhalte zum Download anbiete, jedoch ebenfalls Informationen zu Spielfilmen bereithalte. Man habe daher einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG und einen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten in Höhe von immerhin 411,30 €.

Abmahnung als Werbung?

Nach einem Besuch der mit Werbung voll geladenen Homepage des “Cineastentreffs” wird klar, dass die Abmahnung des Landes Sachsen weniger dem Bemühen geschuldet ist, die Lauterkeit im Wettbewerb herzustellen, sondern die Bekanntheit des Projekts und damit auch die Klickzahlen auf die eingeblendete Werbung zu erhöhen. Die “Cineasten” räumen den Zweck ihres Schreibens dort auch freimütig ein:

“Die M. Babilinski & W. Hempe GbR aus Husum betreibt das Online-Kulturmagazin Cineastentreff.de, das schwerpunktmäßig über Filme und Kinofilme berichtet und somit Mitbewerber von kino.to ist. „Wir wollen klarstellen, dass wir kino.to nicht gutheißen und die Schließung der Seite begrüßen“, sagt Michael Babilinski. „Die massenhafte Verbreitung von Raubkopien ist sehr problematisch, das Urheberrecht muss respektiert werden.“ Die Abmahnung richte sich gegen die jetzigen Betreiber des Angebots – offenbar seien nicht mal Behörden in der Lage, die „schwammige und völlig unklaren gesetzlichen Regelungen“ des Telemediengesetzes in Bezug auf die Impressumspflicht einzuhalten. „Neben der Beseitigung des Rechtsverstoßes wollen wir zu dieser Problematik eine Diskussion anregen“, so Babilinski weiter. „Es muss hier dringend Rechtssicherheit geschaffen werden.“

Den Betreibern des Forums seien der kleine Gag und vermehrte Besucherzahlen natürlich gegönnt. Auch trifft es mit dem Land Sachsen bzw. der Kriminalpolizei mit der “Abmahnung” auch keinen kleinen Internethändler, der zu bemitleiden wäre.

Wer im Glashaus sitzt…

Allerdings scheint man beim Cineastentreff dennoch ein wenig schnell geschossen zu haben. Denn auch dem dortigen Impressum ist der Diensteanbieter jedenfalls nicht eindeutig zu entnehmen. Benannt ist dort zwar eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, jedoch explizit nur als Verantwortliche Sinne des Pressegesetzes. Auf Webseiten (Telemedien) finden aber nicht die (Landes-)Pressegesetze, sondern das in der vom Cineastentreff selbst ausgesprochenen Abmahnung erwähnte Telemediengesetz, an dass sich das Land Sachsen angeblich nicht hält, Anwendung. Daneben werden Namen und Kontaktmöglichkeiten in Bezug auf einen Chefredakteur, einen Webmaster und jemanden der für das Marketing zuständig sei sowie zahlreiche freie Mitarbeiter und einen externer Dienstleister genannt. Auch wenn man der Meinung sein mag, dass der Nutzer vielleicht schon wissen wird, was gemeint sein soll; ein “ordentliches” Impressum haben die Cineasten jedenfalls nicht.

Auch das ist nichts, was an der an sich nett gemeinten Werbeaktion nicht zu verschmerzen wäre, zumal die Unterlassungsaufforderung an das Land Sachsen die Kompliziertheit der von Internetnutzern zu beachtenden Regelungen gerade illustrieren sollte. Diesem Argument schadet es ja nicht, wenn man es selber falsch macht.

Abmahnung als Anwaltswerbung?

Problematisch wird die Aktion jedoch dadurch, dass die Cineasten die publikumswirksame Abmahnung nicht – was ohne weiteres möglich gewesen wäre – selbst, sondern in Vertretung durch eine Anwaltskanzlei ausgesprochen haben, die eine Internetseite mit dem  Titel www.anwalt-gegen-abmahnung.de betreibt und dort unter dem Schlagwort “Abmahnenwellenbrecher” die Verteidigung von Abgemahnten zum Discountpreisen und sogar zu einer “Flatrate” anbietet. Damit ist klar, dass Nutznießer der Antiabmahnungs-Werbekampagne nicht nur die Cineastenplattform, sondern auch die Anwaltskanzlei sein sollte.

Ob der Inhalt der publizierten Abmahnung jedoch eine Erfolg versprechende Werbung für die Kollegen darstellt, darf zumindest bezweifelt werden. Denn der in der Abmahnung behauptete Unterlassungsanspruch gegenüber dem Land Sachsen besteht nämlich eindeutig nicht.

Selbst wenn man der vollmundigen (im übrigen nicht näher begründeten) Behauptung der Kollegen in ihrem Abmahnschreiben folgen wollte, dass das Land Sachsen durch die Anbringung des Hinweises auf der Seite kino.to zum Diensteanbieter (welches Dienstes?) im Sinne des Telemediengesetzes geworden sei, so scheitert der Anspruch jedoch spätestens bei der Mitbewerbereigenschaft, die das Angebot substituierbarer Waren und Dienstleistungen voraussetzt. Die Betreiber des Forums “Cineastentreff” stehen aber, auch wenn die dort eingestellten Filmrezensionen geradezu investigativ sein sollten, mit dem Land Sachsen, das mit der Sperrung der Domain kino.to seine hoheitlichen Aufgaben der Strafverfolgung wahrnimmt, beim besten Willen nicht im Wettbewerb. Ein Unterlassungsanspruch scheidet damit aus. Auch mit der Erstattung der angeblich angefallenen Anwaltskosten wird es daher nichts.

Aber vielleicht findet der eine oder andere Abgemahnte die Kollegen trotzdem oder gerade deswegen sympathisch, weil man sich dort mit dem “aktiven Abmahnen” nicht so gut auskennt und verschafft damit der Werbekampagne dennoch zum Erfolg. Auch das sei den Anwaltskollegen von Herzen gegönnt,.

Droht eine negative Feststellungsklage?

Nur allzu gerne würde ich allerdings die langen Gesichter aller Beteiligten sehen, falls das Land Sachsen als einzig empfehlenswerte Reaktion auf die unberechtigte Abmahnung umgehend eine negative Feststellungsklage gegen den Cineastentreff mit dem Antrag einreichte, feststellen zu lassen, dass sowohl die behaupteten Unterlassungsansprüche als auch der Erstattungsanspruch in Bezug auf die angeblich entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht bestehen.

Es gibt nämlich, anders als viele glauben machen wollen, neben öffentlichen Empörungsbekundungen gegen unberechtigte Abmahnungen eine Reihe von sehr wirksamen Mitteln, die dem Abmahner den Spaß – oder wie im vorliegenden Fall die Werbekampagne – sehr schnell verderben können. Dazu gehört die negative Feststellungsklage, bei der der Abgemahnte den Spieß zulasten des Abmahnung sozusagen herumdrehen kann. Der Abgemahnte muss bei einer solchen Klage grundsätzlich nur die Tatsache vortragen, dass er wegen eines bestimmten angeblichen Rechtsverstoßes abgemahnt worden ist. Der beklagte Anspruchsteller muss daraufhin darlegen und beweisen, dass der behauptete Verstoß tatsächlich begangen wurde und auch einen Unterlassungsanspruch auslöst.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon die Entrüstung in den einschlägigen Medien, mit der die Schamlosigkeit der Staatsgewalt beklagt wird, mit der diese nunmehr auch zivilrechtlich wegen Nichtigkeiten auf kleine Kulturschaffende losgehe. Ich frage mich außerdem: Welcher Etat des Landes Sachsen wäre für eine solche Klage zuständig? Ist genügend Geld vorhanden? Falls nicht, wer macht den Spendenaufruf? (la)

(Bild: © fotofrank – Fotolia.com)

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