Zur Bestimmtheit eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO
Mit der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist nun klargestellt, dass ein datenschutzrechtlicher Informationsanspruch einzig mit einem hinreichend konkreten Antrag außergerichtlich und gerichtlich verfolgt werden kann.
Was versteht man jedoch in diesem Fall unter „hinreichender Bestimmtheit“?
Parteien streiten über Verpflichtungen
Die Parteien streiten nach arbeitgeberseitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte (Arbeitgeber) – noch – verpflichtet ist, dem Kläger (Arbeitnehmer) bestimmte Informationen gem. Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz DSGVO über bei der Beklagten verarbeitete verhaltens- und leistungsbezogene Daten des Klägers zu erteilen. Darüber hinaus über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger gem. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO Kopien der leistungs- und verhaltensbezogenen Daten des Klägers, die Gegenstand der Verarbeitung bei der Beklagten waren, zur Verfügung zu stellen.
Art. 15 DSGVO
Der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) umfasst persönliche Informationen wie Identifikationsmerkmale, äußere Merkmale oder innere Zustände, als auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstigen Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt. Ebenso Aussagen, die eine subjektive und/ oder objektive Einschätzung zu einer identifizierten oder identifizierbaren Person liefern.
Macht ein Betroffener einen Informationsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz der Datenschutz-Grundverordnung geltend, muss dieser nach Auffassung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.03.2021, Az. 21 Sa 43/20) hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sein. Dies sei anzunehmen, wenn der Antragsteller konkret mitteile, welche Informationen er im Rahmen von lit. a bis h der Norm für welche Kategorie von personenbezogenen Daten begehre.
Wann ist die hinreichende Bestimmtheit eines Anspruchs gegeben?
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sagt, die Klageschrift muss „die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag“ enthalten. Daran gemessen sei ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichne, da er den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt.
Das Gericht war der Auffassung, die Anwendung dieser Grundsätze führten dazu, dass die gestellten Anträge des Arbeitnehmers zulässig seien. Es war davon auszugehen, dass der Kläger mit seinen geltend gemachten Informationsansprüchen gemäß Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz DSGVO Auskunft über alle Daten geltend machen kann, die seine Person betreffen und die von der Beklagten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet werden oder worden waren. Die vom Kläger in der Formulierung geltend gemachte Einschränkung, dass er nur Information über seine Person betreffenden Daten geltend mache, die sein Verhalten und seine Leistung betreffen haben wolle, würde zur Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO führen. Die Richter räumen diesbezüglich ein, dass die gewählten Begriffe insoweit eine Datenkategorie im Sinne des Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz lit. b DSGVO darstellen und demnach hinreichend bestimmt seien.
Insbesondere würden diese Umstände dazu führen, dass eine weitergehende konkretere Benennung der verlangten Daten dem Kläger nicht möglich und deshalb auch eine weitere Konkretisierung nicht zumutbar sei. Dies vor dem Hintergrund, dass er gerade nicht wisse oder nicht mehr ohne Weiteres wissen könne, welche verhaltens- und leistungsbezogenen Daten seiner Person verarbeitet worden. Eine andere Konstellation würde dazu führen, dass sich der in Art. 15 Abs. 1 DSGVO weit gefasste Auskunfts- und Informationsanspruch gegen die Betroffenen wenden würde, indem die Unkenntnis diesen Anspruch ausschließen würde. Ein effektiver Rechtsschutz könne so gerade nicht erreicht werden.
Arbeitnehmer muss Daten nicht selbst dokumentieren
Insofern sei auch nicht ersichtlich, dass der Arbeitnehmer eine Verpflichtung habe, die personenbezogenen Daten, die für ihn erkennbar vom Arbeitgeber verarbeitet werden, selbst zu dokumentieren, um sie dann später als Grundlage für den Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber einsetzen zu können – was völlig widersprüchlich wäre. Denn dann würde der Arbeitnehmer Auskunft über etwas begehren, was ihm ohnehin schon bekannt sei. Die Richter sind daher der Auffassung, es genüge, wenn der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber geltend mache, dass er über Daten, die seine Person betreffen und die der Arbeitgeber im Sinne des Art. 15 Abs. 1 1. Halbsatz DSGVO verarbeitet habe, Auskunft verlange.
Dies gilt ebenso für den Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Denn auch hier ist es dem Arbeitnehmer gerade nicht möglich, genauere Angaben dazu zu machen, von welchen personenbezogenen Daten er eine Kopie zur Verfügung gestellt haben will. Auch dieser Anspruch sei abhängig davon, welche personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers der Arbeitgeber verarbeitet habe, so das Gericht.
Auskunftsanspruch von Arbeitnehmern
Festzuhalten ist also: Generell gehaltene Anträge auf Auskunft, die ausschließlich den Wortlaut von Artikel 15 Absatz 3 Satz 1 DSGVO wiederholen, entsprächen dem zivilprozessualen Bestimmtheitsgrundsatz in aller Regel nicht. Wenn also (ehemalige) Arbeitnehmer außergerichtlich oder gerichtlich einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch geltend machen, ist den Arbeitgebern zu empfehlen, genau zu prüfen, ob der Arbeitnehmer seinen Antrag präzise genug formuliert hat.
Allerdings sind hier die Anforderungen häufig geringer, als man denkt. Denn der Informationsanspruch des Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz DSGVO ist hinreichend bestimmt, wenn der Antragsteller konkret mitteilt, welche Informationen er für welche Kategorie von personenbezogenen Daten begehrt – und dies gilt auch für den Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten gem. § 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO
Dadurch, dass jedoch weiterhin Unklarheit darüber besteht, ob der Auskunftsanspruch restriktiv oder extensiv auszulegen ist, sehen sich Unternehmen weiterhin mit einem nicht unerheblichen Begründungsaufwand konfrontiert, wenn sie dem Recht auf Kopie das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis entgegenhalten wollen.