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#ALLESAUFDENTISCH – Löschung von Videos auf YouTube

allesaufdentisch Youtube
Aleksandr Gladkiy – stock.adobe.com

„Alles auf den Tisch“ sagt so viel wie „nichts zurückhalten“ und klingt nach Ordnung schaffen, wenn es mal wieder drunter und drüber geht.

Unter dem Hashtag #allesaufdentisch haben sich mehrere Künstler, vor allem aus der Filmszene, zusammengetan um mit verschiedenen Gesprächspartnern über medizinische und gesellschaftliche Aspekte der Pandemie zu sprechen.

Die Internetplattform Youtube löschte zwei Videos der Internetaktion #allesaufdentisch – zu Unrecht.

Forscher äußern sich zur Coronakrise

Was war passiert? Unter #allesaufdentisch verbreiteten diverse Prominente, in erster Linie Künstler und Schauspieler, ihre Ansichten zur Pandemie. Anders als bei der umstrittenen Aktion #allesdichtmachen, in der sich die Prominenten über die Corona-Maßnahmen lustig machten, war diesmal die Idee, dass Künstler mit Menschen aus der Wissenschaft sprechen – aber immer mit einem Hang zur Skepsis über die vom Bund gegebenen Maßnahmen hinsichtlich der Pandemiebekämpfung. Unter anderem führten sie Interviews mit vermeintlichen Experten, deren Meinungen ihrer persönlichen Ansicht nach in der täglichen Berichterstattung zur Pandemie zu kurz gekommen seien.

Insgesamt luden die 52 Teilnehmenden mehr als 50 Videos auf YouTube hoch. Die Videoplattform entfernte jedoch zwei Videos von „Alles auf den Tisch“ nach der Veröffentlichung, weil sie angeblich gegen die Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen verstießen.

Probleme gehören auf den und nicht unter den Tisch

Dieser Meinung war auch das Landgericht Köln (LG Köln, Beschluss v. 11.10.2021, Az. 28 O 350/21) und entschied im Wege einer einstweiligen Verfügung, dass YouTube die Sperrung von zwei Videos der Internetaktion #allesaufdentisch wieder rückgängig machen muss. So untersagten die Richter YouTube unter Androhung von Ordnungsmitteln, die Videos zu löschen und die Kanal-Betreiber wegen des Inhalts der betroffenen Videos mit einer Verwarnung zu versehen.

Das Gericht macht deutlich, dass die Plattform den Kanalbetreibern nicht konkret genug mitgeteilt habe, welche Passagen ihrer Meinung nach gegen welche Vorschriften der von ihr aufgestellten Richtlinien verstießen. der pauschale Hinweis, ein Video verstoße gegen die Gemeinschaftsregeln, reiche nicht aus. YouTube dürfe vielmehr nur bei „einer offensichtlichen, auf den ersten Blick erkennbaren medizinischen Fehlinformation“ Videos löschen, ohne konkrete problematische Passagen zu benennen. Die Richter sind jedoch der Auffassung, hier handele es sich gerade um längere Videos, die „auch eine Vielzahl von eindeutig zulässigen Äußerungen enthalten“ und eben nicht eine offensichtlich medizinische Fehlinformation überbringen. So könne hier nicht von einer zulässigen Löschung durch die Plattform ausgegangen werden.

Jedoch wird in der Entscheidung des Landgerichts Köln auch deutlich, dass die Richter noch keine inhaltliche Entscheidung getroffen haben. Wenn also tatsächlich in den Videos Fehlinformationen über Covid-19 verbreitet werden, so muss die Videoplattform dies nur genauer begründen und benennen in welchen Passagen das der Fall ist. Der Mehraufwand könnte sich lohnen. Denn nach einer genauen Mitteilung darüber, wo sich in den Videos belegbare Passagen befinden, in denen nachweisliche falsche Tatsachen behauptet werden und die gegen die Richtlinien verstoßen, könnte YouTube die Videos weiterhin gesperrt lassen beziehungsweise weitere Videos sperren.

Video ist wieder online

Das Video „Angst“ mit dem Neurobiologen Gerald Hüther ist nun erst einmal wieder abrufbar bei YouTube. Ist das die Antwort der Plattform auf den Beschluss aus Köln? Jedenfalls äußert sich Youtube nicht weiter dazu – weder zu der Löschaktion an sich, noch zu dem Gerichtsbeschluss. Dennoch ist die Sache noch nicht vom Tisch. YouTube kann Widerspruch einlegen. Dann müsste die Zivilkammer des Landgerichts über die Sache verhandeln.

Und bei diesem Verfahren wird es nicht bleiben. Überspitzt gesagt: Während die Richter im Gerichtssaal saßen und über die Löschung der beiden Videos sprachen, sperrte die Plattform zwei weitere Videos der Aktion – dieses Mal vermutlich nach einer genaueren Prüfung und einem Abgleich mit den Richtlinien.

Wann dürfen gesperrte Kanäle wieder freigegeben werden?

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 29.07.2021, Az. III ZR 179/20) hatte im Juli dieses Jahres ein ähnliches Urteil gegen Facebook erlassen. Das Gericht war der Ansicht, dass eine Sperrung ohne konkrete Begründung und vorheriger Information der Betroffenen unzulässig sei. Wenn es sich um die Löschung von solchen Beiträgen handelt, müsse eine Anhörung der Betroffenen eines Nutzerkontos wenigstens im Nachhinein erfolgen und dann müsse die Plattform eventuell noch einmal neu entscheiden. Ziel der unzähligen Entscheidungen zu dieser „Problematik“ ist und bleibt es in erster Linie zu verhindern, dass die Plattformen – egal ob YouTube, Facebook oder Instagram – allzu eigenmächtig entscheiden.

Mangelnde Transparenz der Löschentscheidung

Auf formaler Eben haben die Initiatoren also nun einen vorläufigen Sieg errungen. Denn ein Urteil in der Hauptsache steht noch aus – die jetzige Entscheidung ist nur einstweiliger Natur.

Allerdings bleiben Fragen offen und Probleme werden nicht beseitigt. Zum einen stellt die mangelnde Transparenz der Richtlinien und die danach getroffenen Löschentscheidungen ein bestehendes Problem dar. Denn wenn nicht hinreichend aufgezeigt wird, welche Passagen gegen welche Richtlinien verstoßen, erweckt das den Eindruck einer willkürlichen Löschung auch von umfangreichen Videos. Häufig sind die Eingriffe für Nutzerinnen und Nutzer unverständlich und Beschwerdemöglichkeiten kaum möglich. Wollen Plattformen einen Schritt nach vorne machen, bleibt wohl nur der Schritt mehr preiszugeben: Kriterien für die getroffenen Entscheidungen offenlegen und genauer erklären. Und das gilt letztlich auch für #allesaufdentisch.

Zum anderen stellen sich weiterhin die Fragen, was auf solchen Internetplattformen, die die neue Öffentlichkeit darstellen, gesagt werden darf und was nicht? Und wann darf beziehungsweise muss jemand eingreifen? Diese Fragen bedürfen einer Antwort.

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