Produktbeiträge der Influencer: Werbung oder keine Werbung?
Mit der immer größeren Reichweite, die Influencer auf sozialen Netzwerken erreichen, steigt auch die Nachfrage nach den Produkten und Dienstleistungen, die sie in ihren Beiträgen in die Kamera halten und anpreisen.
Doch handelt es sich dabei tatsächlich immer um Werbung? Das Hauptproblem ist, dass Influencer sich in aller Regel selbst vermarkten, weshalb sich kommerzielle und private Interessen oft schwer voneinander trennen lassen.
Der Verband Sozialer Wettbewerb ist jedenfalls davon überzeugt, dass es sich hier grundsätzlich immer um Werbung handelt und hat es sich seit Jahren zur Aufgabe gemacht, jegliche InfluencerInnen, die sich nicht an die „ordnungsgemäße“ Kennzeichnung halten, abzumahnen.
Allerdings fehlte bis jetzt eine klare Linie, wann es sich um kennzeichnungspflichtige Werbung handelt und wann eben nicht. Kann der BGH nun Klarheit schaffen?
Bekannte Influencerinnen ziehen vor Gericht
Geklagt hatte in allen drei Fällen der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW). Der Verein beanstandete bei den drei Influencerinnen die Verwendung von sogenannten „Tap Tags“ in verschiedenen Beiträgen auf Instagram. Dabei handelt es sich um Markierungen in Instagram-Posts, die erst durch ein Antippen des Nutzers sichtbar werden. Markiert werden Firmen und Hersteller auf ihren Artikeln, die in dem geposteten Bild zu sehen sind. Aber auch andere Influencer oder Freunde können so markiert werden. Tippt man die Markierung ein weiteres Mal an, gelangt der Nutzer dann auf den Instagram-Auftritt des jeweiligen Unternehmens oder der Person. Auch die drei Influencerinnen – um deren Fälle sich nun der BGH kümmern musste – verwendeten diese Tap Tags. Allerdings hielt der VSW das bei allen für unzulässige Schleichwerbung und nahm sie auf Unterlassung und Ersatz einer Abmahnpauschale in Anspruch.
Kleiner Rückblick
Im Fall von Luisa-Maxima Huss (OLG Braunschweig, Urteil v. 13.5.2020, Az. 2 U 78/19) hatte das OLG Braunschweig die Tap Tags als unzulässige Werbung eingestuft. Die Influencerin betreibe ihren Instagram-Account nicht privat, sondern auch zugunsten der Imagepflege und zum Aufbau ihrer eigenen Marke und ihres Unternehmens, so das Gericht. Das sie für bestimmte Werbung keine Gegenleistung erhalten habe, sei dabei nicht entscheidend. Vielmehr würde die Erwartung, das Interesse von Drittunternehmen an einem Influencer-Marketing zu wecken und auf diese Weise Umsätze zu generieren, ausreichen, um nicht als solche gekennzeichnete Werbung als unzulässig einzustufen.
Anders sahen die Fälle von Leonie Hanne (OLG Hamburg, Urteil v. 2.7.2020, Az. 15 U 142/19) und Cathy Hummels (OLG München, Urteil v. 25.6.2020, Az. 29 U 2333/19). Dort argumentierten die Gerichte in die entgegen gesetzte Richtung. Wenn es für den Verbraucher offensichtlich sei, dass es sich um Werbung handele, so müssen Influencer ihre Beiträge nicht ausdrücklich als Werbung kennzeichnen. Zwar habe der Senat durchaus berücksichtigt, dass auch Postings, für die Influencer keine Vergütung erhalten, den eigenen und fremden Wettbewerb fördern und daher als sogenannte geschäftliche Handlungen zu qualifizieren seien. Fehle die Werbekennzeichnung in solchen Fällen, sei dies aber trotzdem nicht wettbewerbswidrig, denn der kommerzielle Zweck sei eben für den Verbraucher „auf den ersten Blick sichtbar“, so die Richter sowohl im Norden als auch im Süden Deutschlands.
Nun war also der Bundesgerichtshof am Zuge, um dort Klarheit zu schaffen, wo sich die Vorinstanzen uneinig waren.
Bringt das Urteil des BGH Klarheit in den Werbungs-wirrwarr?
Vielleicht! Fest steht jedenfalls, dass auch der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 09.09.2021, Az. I ZR 126/20 (Hummels), I ZR 125/20 (Hanne), und I ZR 90/20 (Huss)) keine einheitliche Entscheidung in den drei Fällen getroffen hat. Denn der BGH entschied, dass dem VSW nur hinsichtlich des Postings von Huss ein Unterlassungsanspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zustehe. Während sie ein Produkt in ihren Beiträgen abgebildet, mit einem Tap Tag versehen hat und dafür eine Gegenleistung des Herstellers erhielt, erhielten die anderen beiden Influencerinnen für die beanstandeten Beiträge gerade keine Gegenleistung. Das führte dazu, dass der BGH hier eine andere Bewertung vornahm – weshalb dem VSW in beiden Fällen kein Unterlassungsanspruch zustehe.
Instagram-Beiträge sind geschäftliche Handlungen
Jedenfalls manchmal, so der BGH. Im Fall Huss ordnete der BGH die streitgegenständlichen Instagram-Beiträge als geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zugunsten des Unternehmens der Beklagten sowie jedenfalls des fremden Unternehmens, ein. Das Verbot rechtfertige sich, da dieser Beitrag eben nicht hinreichend deutlich als Werbung gekennzeichnet sei.
Zwar stelle die Veröffentlichung eines Beitrags nur dann eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens dar, „wenn dieser Beitrag nach seinem Geschmack übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt“. Allein der Umstand, dass Bilder, auf denen das Produkt abgebildet ist, mit Tap Tags versehen sind, reiche deshalb für die Annahme eines solchen werblichen Überschusses nicht aus, so die Richter. Allerdings müsse man bei einer Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts regelmäßig von einem werblichen Überschuss ausgehen.
Der oben genannte Beitrag – für den die Beklagte eine Gegenleistung erhielt – verstoße insoweit gegen § 5a Abs. 6 UWG, weil der kommerzielle Zwecks des Beitrags, den Absatz von Produkten des Herstellers zu fördern, nicht hinreichend kenntlich gemacht sei und sich auch nicht aus den Umständen ergebe. Das Gericht betont diesbezüglich, es komme gerade nicht darauf an, ob die Verbraucher erkennen, dass die Beklagte mit der Veröffentlichung auf ihrem Profil zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Vielmehr müsse für den Verbraucher der Zweck eines Beitrags, ein fremdes Unternehmen zu fördern, erkennbar nach außen treten. Denn das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines solchen mit Tap Tags und Verlinkungen versehenen Beitrags sei geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls vielleicht nicht getroffen hätte.
Mangels Gegenleistung eines Dritten keine Werbung
Also können Influencer ein Unternehmen betreiben, aber nicht stets geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens. Insofern seien geschäftliche Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens kein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG, weil sich der kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergebe. Soweit die Beklagte zugunsten anderer Unternehmen gehandelt hat, könne gleichfalls kein Verstoß gegen die Regelung angenommen werden. Das aus dem Grund, dass zwar absatzfördernde Äußerungen in Telemedien als kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung explizit als solche erkennbar sein müssen. Aber die beanstandeten Beiträge hier mangels Gegenleistung eines Dritten gerade keine kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung darstellen.
Ein Problem bleibt
Denn trotz der Entscheidung des BGH besteht immer noch kein Leitfaden für Influencerinnen und Influencer, Unternehmen und soziale Netzwerke. Zum einen sollen also die sogenannten Tap Tags nicht für die Annahme eines werblichen Charakters sprechen. Auf der anderen Seite betont der BGH aber, dass Verlinkungen auf eine Internetseite regelmäßig für einen werblichen Überschuss sprechen. Die Grenze, wann dann tatsächlich von einem werblichen Charakter auszugehen ist, ist auch nach diesem Urteil nicht eindeutig. Eigentlich können insoweit nur die kommenden Regelungen zur Werbekennzeichnung Klarheit schaffen.
Eine Frage (vielleicht auch ein Problem) bleibt gewiss: Wo liegt der Unterschied, wenn der Tap Tag eine Weiterleitung auf das Instagram-Profil des Herstellers ermöglicht und dies nicht als übertrieben werblich eingeordnet wird, zu einer Verlinkung der Internetseite des Herstellers, die der BGH dann in aller Regel für werblich hält?
Was dennoch fest steht: Posts können zwar werblich wirken, aber nicht alles, was InfluencerInnen posten, ist auch wirklich als Werbung im rechtlichen Sinne anzusehen.