Sharepic kann gegen Persönlichkeitsrecht verstoßen
Sie sind schwer in Mode: Sharepics. Das sind Bilder, Fotos oder Graphiken, auf denen ein griffiger Slogan oder eine kurze Aussage in einem Szenario kontextualisiert wird, das die Botschaft ikonographisch unterstreicht.
In einer Medienwelt mit zunehmendem Empörungspotenzial und abnehmender Aufmerksamkeitsspanne der Rezipienten sind Sharepics daher die Idealform der Kampagnenkommunikation.
In den Sozialen Medien lassen sie sich einfach teilen, sie fallen auf, ihre Botschaft wird verstanden.
Verkürzte bzw. falsche Zitate können unzulässig sein
Der Reiz der kurzen, plakativen Botschaft birgt zugleich einiges an Missbrauchsmöglichkeiten. Hat die Aussage wirklich etwas mit dem bildlichen Hintergrund zu tun oder werden dabei die Sphären unzulässig vermengt? Noch konkreter: Hat eine abgebildete Person das, was als Aussage auf das Foto gestellt wurde, tatsächlich gesagt? Angesehen davon, dass die Unsitte, ein Zitat aus dem Kontext zu reißen, bei den Sharepics zur wahren Meisterschaft erhoben wird, können sich bei offenkundigen Fehlzuschreibungen auch Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ergeben.
Einen solchen Fall hat das Landgericht Frankfurt zu entscheiden gehabt (LG Frankfurt, Urteil vom 30.1.2020, Az. 2-03 O 90/19). Einer Person wurde in einem solchen Sharepic eine Aussage in den Mund gelegt und dabei der Zitatcharakter graphisch durch eine Art Sprechblase unterstrichen. Man musste also davon ausgehen, dass die abgebildete Person tatsächlich gesagt hat, was mit dem Sharepic via Social Media verbreitet wurde. Das LG Frankfurt hat dazu entschieden, dass eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, wenn es sich bei der auf diesem Wege verbreiteten Aussage um die Wiedergabe eines verkürzten bzw. falschen Zitats handelt.
Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung
Entscheidend für die rechtliche Beurteilung war die Differenz von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung. Denn bei einer Abwägung zweier Grundrechte (dem Schutzinteresse der „zitierten“ Person gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und dem Recht des „Sharepics-Designers“ auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung handelt.
Bei einer Tatsachenbehauptung ist der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers einer objektiven Klärung zugänglich und steht grundsätzlich der Beweisführung offen. Das ist bei einer Meinung in ihrem stets subjektiven Wesen nicht der Fall. In dem vorliegenden Fall handelte es sich um eine Tatsachenbehauptung. Denn der Durchschnittsbetrachter der angegriffenen Äußerung versteht die Äußerung im Gesamtkontext so, dass die Klägerin die abgebildete Äußerung – gleich eines Zitats – tatsächlich getätigt hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Äußerung im Bild nicht in Anführungszeichen gesetzt wurde, da auch ohne diese Verdeutlichung jener Durchschnittsbetrachter der Klägerin die angegriffene Äußerung als Zitat zuschreibt.
Fake-Zitat verletzt Persönlichkeitsrecht
Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen maßgeblich vom Wahrheitsgehalt der Aussage ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch, wenn sie von Nachteil für die betreffende Person sind, unwahre dagegen nicht. Wenn also das Zitat gar nicht von der Person stammt, aber in dem Sharepic offensichtlich der Anschein erweckt wird, als sei dem so, liegt eine Aussage vor, die nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist; es überragt das Interesse der falsch zitierten Person. Im Ergebnis liegt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor. Das muss man wissen, bevor man das nächste Sharepic bastelt und zum Teilen freigibt.
Dieser Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.