Keine Medikamente aus dem Automaten: DocMorris scheitert vor Gericht
Der zunehmende Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneien aus dem Ausland ist der traditionellen deutschen Apothekerschaft schon lange ein Dorn im Auge. Versandapotheken werden kritisiert, in immer neue Felder vordringen zu wollen. Eine davon ist DocMorris, die größte Versandapotheke Europas.
Im Frühjahr 2017 nahm das niederländische Unternehmen in der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt den ersten Apothekenautomaten in Betrieb. Nur wenige Tage konnten sich die Einwohner der Gemeinde, die über keine Apotheke vor Ort verfügt, per Video von einem Apotheker beraten lassen und Medikamente aus dem Automaten erhalten.
Das Geschäftsmodell wurde als wettbewerbswidrig eingestuft und gerichtlich untersagt.
Apotheker hatten geklagt
Die Versandapotheke betrieb im Frühjahr 2017 in Hüffenhardt einen sog. „Apothekenautomaten“. Arzneimittel wurden vor Ort gelagert und bei Bedarf nach einer Videoberatung durch einen Apotheker maschinell an die Kunden abgegeben. Wenige Tage später wurde das Projekt durch ein Verbot des Regierungspräsidiums Karlsruhe gestoppt (VG Karlsruhe, Urteil v. 4.4.2019, Az. 3 K 5393/17). Nachdem mehrere Apotheker aus der Umgebung und der Landesapothekerverbands Baden-Württemberg sich mit einer einstweiligen Verfügung gegen das aus ihrer Sicht wettbewerbswidrige Angebot wehrten, setzte das LG Mosbach dieser Praxis ein Ende (LG Mosbach, Urteil v. 21.12.2017, Az. 4 O 35/17 u.a.). Dagegen legte DocMorris Berufung ein.
Arzneimittel nur über Apotheken
Das OLG Karlsruhe bestätigte das verhängte Verbot (OLG Karlsruhe, Urteil v. 29.05.2019, Az. 6 U 36/18 u.a.). Der Automatenbetrieb verstoße gegen das Arzneimittelgesetz, wonach verschreibungspflichtige Medikamente nur von Apothekern ausgehändigt werden dürfen. Bestellung per Video und maschinelle Ausgabe entsprächen nicht diesen Anforderungen. Es liege ein Verstoß gegen § 3 a UWG vor.
Apothekenautomat ist kein Versandhandel
Der Automatenbetrieb entspreche auch nicht dem erlaubten Versandhandel von Medikamenten. Ein Versandhandel setzte eine Bestellung des Endverbrauchers zeitlich vor der Bereitstellung, Verpackung und Absendung des Arzneimittels voraus. Dies sei hier nicht der Fall, da die Arzneimittel zunächst ohne konkrete Bestellung gelagert und auf Kundenwunsch abgegeben werden.
Verstoß gegen Apothekenbetriebsordnung
Ferner genügen die Kontrollen per Video-Chat nicht den Prüf- und Dokumentationspflichten für Apotheker nach § 17 Abs. 5 ApoBetrO. So sei es nicht gewährleistet, dass eventuelle Änderungen auf der Verschreibung unmittelbar bei Medikamentenabgabe vermerkt würden.
Umstrittenes Geschäftsmodell
Es handelt sich in Anbetracht der Umstände um eine kontroverse Entscheidung. Befürworter des Apothekenautomatens verweisen auf die Versorgungslücke, die in Hüffenhardt durch das Geschäftsmodell von DocMorris geschlossen wurde. Die Gemeinde verfügt über keine niedergelassene Apotheke. Medikamente erhalten die ca. 2000 Einwohner im etwas mehr als 5 Kilometer entfernten Nachbarort.
Dennoch warnen Apotheker vor gesundheitlichen Schäden wegen fehlender Überwachung. Angesichts der Gefahr von unerwünschten Arzneimittelwirkungen durch Medikationsfehler wird stark dafür plädiert, die Arzneimittelversorgung ausschließlich Apotheken mit qualifiziertem Personal aufzuerlegen.
Auch auf politischer Ebene trifft das umstrittene Geschäftsmodell auf Widerstand. Ein Referentenentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für ein “Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken” bestätigt das Verbot von Apothekenautomaten:
“Eine Bereitstellung und Abgabe von Arzneimitteln mittels automatisierter Ausgabestation ist unzulässig, soweit die Ausgabestation nicht unmittelbar mit den Apothekenbetriebsräumen verbunden ist.”
Der Apothekenautomat bleibt somit bis auf weiteres außer Betrieb. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Über eine Nichtzulassungsbeschwerde kann der Fall aber noch zum Bundesgerichtshof kommen.