Erst kürzlich passierte im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Streits das Folgende.
Den von uns vertretenen Kläger stören immerhin 5 Wettbewerbsverstöße im Angebot des Beklagten. Er mahnt ihn daraufhin ab und fordert ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte reagiert nicht. Der Kläger schreibt den Beklagten daraufhin noch einmal an und gibt ihm Gelegenheit, die Angelegenheit doch noch außergerichtlich beizulegen. Vor dem Hintergrund der drohenden Verjährung müsste er sonst klagen. Wieder keine Reaktion.
Ungefähr ein halbes Jahr später, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, erheben wir für unseren Mandanten notgedrungen Klage auf Unterlassung und Erstattung von Anwaltskosten.
Und ewig grüßt der Rechtsmissbrauch
Der Beklagte lässt sich von einer Rechtsanwaltskollegin vertreten, die Klageabweisung beantragt. Neben ein paar kurzen Sätzen zur Verjährungseinrede und zur angeblichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts lässt der Beklagte im Großen und Ganzen nur vortragen, dass das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich sei. Zu den Verstößen selbst findet sich in der Erwiderung lediglich eine Seite, die sich wiederum nur mit zwei der insgesamt fünf gerügten Verstöße überhaupt befasst.
Bis hierhin unterscheidet sich der Vorgang nicht sonderlich von zahlreichen anderen Fällen, die uns in unserer Kanzlei täglich begegnen. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung einschlägiger Gerichte, beschränken sich Täter von eindeutigen Rechtsverletzungen zunehmend darauf, dem betroffenen Mitbewerber einen Missbrauch des Rechts vorzuwerfen. Traurig aber Mittlerweile leider Alltag.
Der Vorwurf von Straftaten ist neu
Im vorliegenden Fall soll der Kläger aber nicht nur rechtsmissbräuchlich gehandelt, sondern auch Urkunden gefälscht haben und damit einen Prozessbetrug versuchen. Der Beklagte ergeht sich in seiner Klageerwiderung seitenlang dazu, dass die vorgelegten Screenshots, die den Rechtsverstoß abbilden, manipuliert seien und es sich daher um Fälschungen handele. Da die Screenshots, wie für den Beklagten auch ersichtlich war, durch uns erstellt worden waren richtet sich der Vorwurf zumindest mittelbar auch an unsere Kanzlei.
Der Fall wird vom Kläger in vier aus fünf Punkten gewonnen. Um den Fall außergerichtlich vollständig zu einem Abschluss zu bringen, verhandeln die Parteien darüber, ob der Beklagte in Bezug auf den fünften nicht doch eine Unterlassungserklärung abgeben solle. Die Zeit drängt ein wenig, da die Sache natürlich innerhalb der Berufungsfrist geklärt werden muss.
„Sehr geehrter Kollege“
Auf ein Anschreiben unserer Kanzlei teilt die Kollegin mit, dass sie krank sei und um Fristverlängerung bitte, sich aber dann unaufgefordert melden werde. In der entsprechenden E-Mail sind wir dann aber natürlich trotz der zuvor geäußerten Betrugsvorwürfe die „sehr geehrten Kollegen“, die in der Schlussformel selbstverständlich auch mit „kollegialen Grüßen“ bedacht werden. Vom Betrüger zurück zum geehrten Kollegen. So schnell kann es gehen.
Die Verteidigung von Rechtsverletzern mit dem Einwand des angeblichen Rechtsmissbrauchs ist dem Täter und dem vertretenden Anwalt schnell verziehen, insbesondere dann, wenn es sich um eindeutige Verstöße handelt gegen die ansonsten nicht viel einzuwenden ist. Auch daran, dass Kollegen in ihrem Eifer dabei, das Verfahren für ihren Mandanten mit allen Mitteln gewinnen zu wollen, manchmal über die Stränge schlagen und ihre gute Kinderstube vergessen, haben wir uns bereits gewöhnt.
„Mit kollegialen Grüßen“
Was ich allerdings nicht verstehe ist, wie man dem gegnerischen Bevollmächtigten innerhalb des Verfahrens sogar den Vorwurf strafbaren Verhaltens machen kann um dann kurz darauf, als sei nichts gewesen, den „geehrten Kollegen“ unter Mitteilung von „kollegialen Grüßen“ um Fristverlängerung bittet, weil man kränkelt.
In einer Unterart des Tourettesysndroms, der so genannten Koprolalie schleudern die Betroffenen unwillkürlich und zwanghaft obszöne und aggressive Wörter heraus, die nichts mit der konkreten Situation zu tun haben. Diese so genannten Tics verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind, so dass der Betroffene sich kurz darauf wieder „normal“ verhält.
Plan oder Krankheit?
Gegen ein krankhaftes und für ein planvolles Handeln spricht allerdings, dass die Kollegin die Fristverlängerungen auch noch fruchtlos verstreichen lässt, ohne ihre Zusage einzuhalten, sich unaufgefordert zu melden. Am letzten Tag der Frist erfolgt dann auf unser Drängen die Mitteilung, dass man sich außergerichtlich nicht einigen wolle, so dass hier an einem Freitagnachmittag noch eilig eine Berufung ans Oberlandesgericht verfasst und gefaxt werden muss, um die Berufungsfrist nicht zu versäumen.
Vielleicht ist es am Ende daher doch keine Krankheit, sondern ein Verhalten, das manche Anwälte für legitim halten, um ihren Mandanten zu prozessualen Vorteilen zu verhelfen:
Unsachlich, laut, unverschämt und verschlagen, Hauptsache, es wird offiziell „geehrt“ und „kollegial“ gegrüßt.
Was viele der „geehrten Kollegen“ dabei allerdings vergessen ist, dass man sich im Leben immer zweimal sieht. Ob wir der Gegenseite oder deren Prozessbevollmächtigten in Zukunft noch einmal irgendwie entgegenkommen, wage ich zu bezweifeln.
In diesem Sinne: „Sehr geehrte Leser, vielen Dank für Ihre „geschätzte“ Aufmerksamkeit – und „beehren“ Sie uns bald wieder. Mit „freundlichen“ Grüßen und „vorzüglicher“ Hochachtung. (la)
Erst kürzlich passierte im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Streits das Folgende.
Den von uns vertretenen Kläger stören immerhin 5 Wettbewerbsverstöße im Angebot des Beklagten. Er mahnt ihn daraufhin ab und fordert ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte reagiert nicht. Der Kläger schreibt den Beklagten daraufhin noch einmal an und gibt ihm Gelegenheit, die Angelegenheit doch noch außergerichtlich beizulegen. Vor dem Hintergrund der drohenden Verjährung müsste er sonst klagen. Wieder keine Reaktion.
Ungefähr ein halbes Jahr später, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, erheben wir für unseren Mandanten notgedrungen Klage auf Unterlassung und Erstattung von Anwaltskosten.
Und ewig grüßt der Rechtsmissbrauch
Der Beklagte lässt sich von einer Rechtsanwaltskollegin vertreten, die Klageabweisung beantragt. Neben ein paar kurzen Sätzen zur Verjährungseinrede und zur angeblichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts lässt der Beklagte im Großen und Ganzen nur vortragen, dass das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich sei. Zu den Verstößen selbst findet sich in der Erwiderung lediglich eine Seite, die sich wiederum nur mit zwei der insgesamt fünf gerügten Verstöße überhaupt befasst.
Bis hierhin unterscheidet sich der Vorgang nicht sonderlich von zahlreichen anderen Fällen, die uns in unserer Kanzlei täglich begegnen. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung einschlägiger Gerichte, beschränken sich Täter von eindeutigen Rechtsverletzungen zunehmend darauf, dem betroffenen Mitbewerber einen Missbrauch des Rechts vorzuwerfen. Traurig aber Mittlerweile leider Alltag.
Der Vorwurf von Straftaten ist neu
Im vorliegenden Fall soll der Kläger aber nicht nur rechtsmissbräuchlich gehandelt, sondern auch Urkunden gefälscht haben und damit einen Prozessbetrug versuchen. Der Beklagte ergeht sich in seiner Klageerwiderung seitenlang dazu, dass die vorgelegten Screenshots, die den Rechtsverstoß abbilden, manipuliert seien und es sich daher um Fälschungen handele. Da die Screenshots, wie für den Beklagten auch ersichtlich war, durch uns erstellt worden waren richtet sich der Vorwurf zumindest mittelbar auch an unsere Kanzlei.
Der Fall wird vom Kläger in vier aus fünf Punkten gewonnen. Um den Fall außergerichtlich vollständig zu einem Abschluss zu bringen, verhandeln die Parteien darüber, ob der Beklagte in Bezug auf den fünften nicht doch eine Unterlassungserklärung abgeben solle. Die Zeit drängt ein wenig, da die Sache natürlich innerhalb der Berufungsfrist geklärt werden muss.
„Sehr geehrter Kollege“
Auf ein Anschreiben unserer Kanzlei teilt die Kollegin mit, dass sie krank sei und um Fristverlängerung bitte, sich aber dann unaufgefordert melden werde. In der entsprechenden E-Mail sind wir dann aber natürlich trotz der zuvor geäußerten Betrugsvorwürfe die „sehr geehrten Kollegen“, die in der Schlussformel selbstverständlich auch mit „kollegialen Grüßen“ bedacht werden. Vom Betrüger zurück zum geehrten Kollegen. So schnell kann es gehen.
Die Verteidigung von Rechtsverletzern mit dem Einwand des angeblichen Rechtsmissbrauchs ist dem Täter und dem vertretenden Anwalt schnell verziehen, insbesondere dann, wenn es sich um eindeutige Verstöße handelt gegen die ansonsten nicht viel einzuwenden ist. Auch daran, dass Kollegen in ihrem Eifer dabei, das Verfahren für ihren Mandanten mit allen Mitteln gewinnen zu wollen, manchmal über die Stränge schlagen und ihre gute Kinderstube vergessen, haben wir uns bereits gewöhnt.
„Mit kollegialen Grüßen“
Was ich allerdings nicht verstehe ist, wie man dem gegnerischen Bevollmächtigten innerhalb des Verfahrens sogar den Vorwurf strafbaren Verhaltens machen kann um dann kurz darauf, als sei nichts gewesen, den „geehrten Kollegen“ unter Mitteilung von “ kollegialen Grüßen“ um Fristverlängerung bittet, weil man kränkelt.
In einer Unterart des Tourettesysndroms, der so genannten Koprolalie schleudern die Betroffenen unwillkürlich und zwanghaft obszöne und aggressive Wörter heraus, die nichts mit der konkreten Situation zu tun haben. Diese so genannten Tics verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind, so dass der Betroffene sich kurz darauf wieder „normal“ verhält.
Plan oder Krankheit?
Gegen ein krankhaftes und für ein planvolles Handeln spricht allerdings, dass die Kollegin die Fristverlängerungen auch noch fruchtlos verstreichen lässt, ohne ihre Zusage einzuhalten, sich unaufgefordert zu melden. Am letzten Tag der Frist erfolgt dann auf unser Drängen die Mitteilung, dass man sich außergerichtlich nicht einigen wolle, so dass hier an einem Freitagnachmittag noch eilig eine Berufung ans Oberlandesgericht verfasst und gefaxt werden muss, um die Berufungsfrist nicht zu versäumen.
Vielleicht ist es am Ende daher doch keine Krankheit, sondern ein Verhalten, das manche Anwälte für legitim halten, um ihren Mandanten zu prozessualen Vorteilen zu verhelfen:
Unsachlich, laut, unverschämt und verschlagen, Hauptsache, es wird offiziell „geehrt“ und „kollegial“ gegrüßt.
Was viele der „geehrten Kollegen“ dabei allerdings vergessen ist, dass man sich im Leben immer zweimal sieht. Ob wir der Gegenseite oder deren Prozessbevollmächtigten in Zukunft noch einmal irgendwie entgegenkommen, wage ich zu bezweifeln.
In diesem Sinne: „Sehr geehrte Leser, vielen Dank für Ihre „geschätzte“ Aufmerksamkeit – und „beehren“ Sie uns bald wieder. Mit „freundlichen“ Grüßen und „vorzüglicher“ Hochachtung. (la)