Laut zahlreicher Berichte im Netz streitet sich das allseits bekannte Unternehmen Apple zur Zeit mit einer Cafébesitzerin aus Bonn. Letztere betreibt unter dem Namen Apfelkind ein Familiencafé und verwendet dafür das oben links ersichtliche Logo.
Da ihr das Logo „so gut gefiel“, wollte sie es sich schützen lassen und meldete es als Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt an, heisst es.
Seit dem 28.4.2011 ist die entsprechende Wort-/Bildmarke unter der Registernummer 3020100617829 beim DPMA jedenfalls eingetragen.
Auf diese Eintragung wurde Apple offenbar aufmerksam, legte gegen die Markeneintragung Widerspruch ein und schrieb die frischgebackene Markeninhaberin an und forderte sie auf, die Markenanmeldung zurückzunehmen und auf die Verwendung des Logos zu verzichten. Die so angemeldete Marke greift nach Auffassung Apples rechtswidrig in die Markenrechte des Weltkonzerns ein, der den berühmten angebissenen Apfel für sich weiträumig hat schützen lassen. Es stehen sich demnach die folgenden Zeichen gegenüber:
Vor dem Hintergrund des Mottos „zwei Juristen drei Meinungen“ dürfte der Ausgang der rechtlichen Auseinandersetzung ziemlich offen sein. Somit eigentlich ein gewöhnlicher Streit, wie er zwischen Unternehmen, die ihre Marken verteidigen wollen, grundsätzlich an der Tagesordnung ist.
Ist Apple größenwahnsinnig?
Wäre da nicht die tolle Story hinter dem Vorgang: Auf der einen Seite der mächtige Weltkonzern Apple und auf der anderen Seite das kleine beschauliche Familiencafé in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Die „David gegen Goliath“-Situation ist natürlich der perfekte Aufhänger für eine Pressemeldung. Unter Überschriften wie zum Beispiel „Äpfelchen gegen Apple“ oder „Ich dachte, die veräppeln mich“ findet der geneigte Leser auch zahlreiche Artikel, die sich mit dem entsprechenden Einschlag mit dem Thema beschäftigen.
Eine Suche mit den Suchbegriffen „Apple“ und „Apfelkind“ auf google.com zeigt, dass sich der Fall bereits über die Landesgrenzen hinaus sogar bis in die USA herumgesprochen hat.
In verschiedenen Interviews wie zum Beispiel www.welt.de kommt die Cafébesitzerin Christin Römer zu Wort und teilt mit, dass sie das Vorgehen von Apple „unsympathisch“ finde. Auch so eine große Firma wie Apple müsse aufpassen, dass sie nicht irgendwann „größenwahnsinnig“ werde. Sie bekomme E-Mails aus der ganzen Welt von Leuten, die ihr ihre Hilfe anböten.
Wer veräppelt wen?
Beleuchtet man den Fall in rechtlicher Hinsicht näher, so fällt zunächst auf, dass für eine firmenmäßige Benutzung eines Zeichens die Eintragung einer Marke überflüssig ist. Denn ein firmenmäßiger Gebrauch eines Zeichens stellt keine markenmäßige Nutzung dar, wie es für zum Beispiel für eine rechtserhaltende Benutzung der Marke erforderlich wäre. Mit anderen Worten, Frau Römer könnte ihr beschauliches Kindercafé auch ohne die Eintragung einer Marke ungestört betreiben und wäre mit Benutzungsaufnahme auch für den jeweiligen regionalen Bereich umfassend gegen Nachahmer geschützt.
Schaut man sich die Eintragung der Marke Apfelkind näher an, so wird klar, dass die Geschäftsidee von Frau Römer sich aber offensichtlich nicht in dem Betrieb eines kleinen Cafés erschöpft. An dem umfangreichen Waren und Dienstleistungsverzeichnis der Marke ist erkennbar, dass Frau Römer Größeres plant.
Die Marke Apfelkind entfaltet nämlich Schutz für die folgenden Waren und Dienstleistungen:
Klasse(n) Nizza 16:
gedruckte Bildmaterialien zur Vervielfältigung (soweit in Klasse 16 enthalten); Zeichnungen; Aufkleber; Papier- und Schreibwaren; Stempel; Einbände; Karten; SchreibetuisKlasse(n) Nizza 18:
Einkaufstaschen; Geldbörsen; Handtaschen; Kindertaschen; Kosmetiktaschen; Badetaschen; Reisetaschen; Schultaschen; Sporttaschen; Kleidersäcke; RegenschirmeKlasse(n) Nizza 21:
Porzellanwaren (soweit in Klasse 21 enthalten); Tonwaren (soweit in Klasse 21 enthalten); Glaswaren; Tafelgeschirr; Schalen; Tischutensilien, nämlich SchüsseluntersetzerKlasse(n) Nizza 24:
Webstoffe; Textilien (soweit in Klasse 24 enthalten); Bettwäsche; Tischwäsche (nicht aus Papier); Haushaltswäsche; Handtücher aus textilem Material; Möbelbezüge aus Kunststoff und aus textilem Material; Tagesdecken; Kissenbezüge; Wachstücher (Tischtücher); TextiltapetenKlasse(n) Nizza 25:
Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen; Babywäsche; Lätzchen (nicht aus Papier); Mützen; Schürzen; Schals; Tücher; Leibwäsche; Hosen; Oberbekleidungsstücke; Schlafanzüge; Badeanzüge; Badehosen; Bademäntel; Regenmäntel; Röcke; PulloverKlasse(n) Nizza 27:
Papiertapeten; Teppiche; Linoleum, WachstuchKlasse(n) Nizza 28:
Spielbälle; Spielzeug; Babyrasseln; Mobiles (Spielwaren); Puppen (Spielwaren); SpieleKlasse(n) Nizza 29:
Fruchtsnacks; Milchgetränke mit überwiegendem Milchanteil; Joghurt; Konfitüren; Milch; Milchprodukte; Obstsalat; Quark; Salate (soweit in Klasse 29 enthalten); Suppen, Brotaufstriche (fetthaltig)Klasse(n) Nizza 30:
Biskuits; Bonbons; Brioche; Brot; Brötchen; Backwaren; belegte Brote; Butterkeks; Cornflakes; Speiseeis; Eiscreme; Eistee; Geleefrüchte (Süßwaren); Gebäck; Getränke auf Basis von Tee; Kaffeegetränke; Kakaogetränke; Schokoladengetränke; Kaffee; Kakaoerzeugnisse; Karamellen; Kekse; Kleingebäck; Konfekt; Zuckerwaren; Kräcker (Gebäck); nicht medizinische Kräutertees; Kuchen; Lebkuchen; Marzipan; Milchkaffee; Milchkakao; Milchschokolade (Getränk); Müsli; Petit Fours (Gebäck); Pfannkuchen; Pfefferkuchen; Popcorn; Quiche; Sandwiches; Schokolade; Semmeln (Brötchen); Tee; Torten; Eistee; WaffelnKlasse(n) Nizza 32:
alkoholfreie Getränke; alkoholfreie Honiggetränke; Apfelsaft; Fruchtsäfte; Gemüsesäfte (Getränke); Limonaden; Molkegetränke; Fruchtnektar (alkoholfrei); Sirupe für GetränkeKlasse(n) Nizza 35:
betriebswirtschaftliche Beratung; Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Schaufensterdekoration; Herausgabe von Werbetexten; Hilfe bei der Führung von Gewerben oder HandelsbetriebenKlasse(n) Nizza 42:
technische Beratung für Franchising-Konzepte von Restaurants und anderen Einrichtungen, die zubereitete Speisen und Getränke für den Verzehr anbieten; technische Projektierung solcher Restaurants und Einrichtung für Dritte; Bauplanung und -beratung in Bezug auf Restaurants für Dritte; Dienstleistungen eines ModedesignersKlasse(n) Nizza 43:
Verpflegung von Gästen und andere Dienstleistungen eines Restaurants und Cafés soweit in Klasse 43 enthalten; Verpflegung von Gästen in Cafeteria; Catering; Verpflegung von Gästen in Restaurants; Zubereitung und Bereitstellung von Speisen zum Mitnehmen
Einen solch umfassenden Schutz benötigt der Betreiber eines kleinen Cafés nicht.
„Something like Starbucks“
Bereits hier bröckelt daher die Fassade der schönen Geschichte der kleinen unbedarften Caféinhaberin. Kontraproduktiv ist sicherlich auch, dass Frau Römer gegenüber bestimmten Medien geäußert hat, dass sie mit der Marke „Apfelkind“ selbstbewusste Pläne hegt. In einem Bericht der englischen Daily Mail wird sie zum Beispiel mit den folgenden markigen Worten zitiert:
‘I wanted to do something like Starbucks, and have the logo as my trademark. I was even thinking of eventually expanding and creating a franchise business so other people could open up other Apfelkind cafés, which is why I wanted to register the trademark.’
„Something like Starbucks“ klingt weniger nach Familiengastronomie in der Provinz sondern eher ebenfalls nach Weltkonzern und strategischem Vorgehen, als dies noch in der Berichterstattung deutscher Medien der Fall ist.
Es ist für den Inhaber insbesondere einer bekannten Marke völlig legitim und sogar erforderlich, seine Marke mit aller Härte zu verteidigen, wenn man sich nicht später einmal die Verwässerung der eigenen Marke vorhalten lassen will. Apples Verhalten ist daher nachvollziehbar. Man kann dem Unternehmen auch kein übertrieben hartes Vorgehen vorwerfen. Denn auf eine kostenpflichtige Abmahnung, die ebenfalls möglich gewesen wäre, hat man offenbar ganz verzichtet und sich nur auf einen Widerspruch und ein kostenloses Anschreiben an Frau Römer beschränkt.
Vor diesem Hintergrund von Größenwahn zu sprechen, zeugt von einem merkwürdigen Weltbild. Bemerkenswert ist unseres Erachtens vielmehr, mit der Anmeldung einer Marke und umfangreichen Franchiseplänen bei den Großen mitspielen zu wollen, um dann, wenn es um die konsequente Einhaltung der Spielregeln geht, öffentlichkeitswirksam das kleine unbedarfte Kindercafé zu mimen.
Die Presse hat es ersichtlich gefreut. Es passte einfach alles so schön. Manchmal sind die Dinge eben aber auch zu schön, um wahr zu sein.
UPDATE am 27.11.2012 : Apfelkind gegen Apple: Der Streit geht weiter