Dürfen Museen den digitalen Zugang zu urheberrechtsfreien historischen Kunstwerken beschneiden? Sind Fotos von gemeinfreien Gemälden urheberrechtlich geschützt? Verstößt das Fotografieren im Museum gegen das Hausrecht?
Diese Fragen hat der Bundesgerichtshof am 20. Dezember 2018 beantwortet und damit einen langen Rechtsstreit zwischen dem Träger eines kommunalen Kunstmuseums und der Wikimedia Foundation beendet (BGH, Urteil v. 20.12.2018, Az. I ZR 104/17).
Was bisher geschah
Das OLG Stuttgart bejahte mit seinem Urteil aus dem vergangenen Jahr (OLG Stuttgart, Urteil v. 31.5.2017, Az. 4 U 204/16) den Anspruch auf Unterlassung des Mannheimer Museums gegen einen Museumsbesucher, der trotz geschlossenen Besichtigungsvertrags, der ein Fotografieverbot enthielt, Lichtbilder von Gemälden bei einem Besuch im Museum anfertigte. Diese Bilder und darüber hinaus auch Scans aus einem durch das Museum in Auftrag gegebenen Katalog, in welchem unter anderem Gemälde aus dem Museum abgelichtet wurden, stellte der Beklagte in der Medien-Plattform „Wikimedia Commons“ zum öffentlichen Abruf bereit.
Das Urheberrecht der Gemälde, die zwischen den Jahren 1600 und 1900 entstanden sind, war bereits abgelaufen und die Gemälde waren daher gemeinfrei (§ 64 UrhG). Der Hobbyfotograf – mit Unterstützung des Vereins Wikimedia Deutschland – legte Revision beim BGH (BGH, Urteil v. 20.12.2018, Az. I ZR 104/17) ein. Wir berichten im folgenden Beitrag:
Lichtbildschutz für Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden
Der Bundesgerichtshof wies die Revision des Beklagten zurück.
Hinsichtlich der vom Beklagten eingescannten Gemäldefotografien aus dem Ausstellungskatalog stützte sich die Klägerin auf Urheber- und Leistungsschutzrechte. Das Hochladen der eingescannten Bilder aus der Publikation der Klägerin verletze das der Klägerin vom Fotografen übertragene Recht, die Lichtbilder öffentlich zugänglich zu machen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG, § 72 Abs. 1 UrhG, § 19a UrhG). Bei der Anfertigung habe der Fotograf Entscheidungen über eine Reihe von gestalterischen Umständen zu treffen, sodass eine eigene persönliche geistige Leistung vorliege, die ihrerseits geschützt wird.
Verstoß gegen vertraglich vereinbartes Fotografierverbot
Außerdem greife das Hausrecht der Museen. Museen dürfen kontrollieren, wer in ihren Räumen Fotos ihrer Gemälde macht, auch von Werken, die gemeinfrei sind. Mit der Anfertigung eigener Fotografien habe der Beklagte gegen das vertraglich vereinbarte Fotografierverbot verstoßen. Die entsprechende Vorschrift in der Benutzungsordnung und aushängende Piktogramme mit einem durchgestrichenen Fotoapparat stellten wirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar.
Nach einem Verstoß gegen das Fotografierverbot könne die Betreiberin des Museums als Schadensersatz wegen der Vertragsverletzung gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Praxis?
1. Der BGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass es verboten ist, Fotos von Kunstwerken aus Museumskatalogen oder Publikationen zu vervielfältigen und zu veröffentlichen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kunstwerke selbst noch urheberrechtlich geschützt sind.
2. Grundsätzlich dürfen gemeinfreie (urheberrechtsfreie) Gemälde von jedermann fotografiert und diese eigenen Fotos auch im Internet verwendet werden. Hat das Museum jedoch ein generelles Fotografieverbot in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgeschrieben, dürfen Besucher keine Bilder von Gemälden im Museum anfertigen und diese ins Internet stellen.
Dieses Verbot wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass das betreffende Kunstwerk nicht mehr urheberrechtlich geschützt ist. Besteht im Museum ein Fotografieverbot, muss dieses unbedingt beachtet werden. Im Zweifel sollte man sich zu Beginn des Besuchs beim Museum erkundigen, ob Fotos erlaubt sind.
Dies ist auch sinnvoll. Denn dadurch wird den Museen die Möglichkeit gegeben, ihre Kunstwerke kommerziell zu verwerten, da so nur sie Abbildungen erstellen und mit dem Verkauf der Fotos bzw. Publikationen Einnahmen erzielen können.
Wikimedia Deutschland will sich trotz des ergangenen Urteils weiter für eine Neuregelung der entsprechenden Vorschriften des Urheberrechts einsetzen.
In einem Blog-Eintrag vom 20.12.2018 bekräftigt man seinen Standpunkt: Als staatlich-geförderte Institutionen haben Museen einen öffentlichen Auftrag, der Allgemeinheit möglichst einfachen Zugang zu Kulturgütern zu schaffen, es dürfe mithin nicht vom guten Willen jedes einzelnen Museums abhängen, ob die geistigen Schöpfungen früherer Jahrhunderte auch im Digitalen zu Allgemeingut werden.