Die kommunale Wiener Hausverwaltung tauscht offenbar Klingelschilder von mehr als 200.000 Bewohnerinnen der österreichischen Hauptstadt unter Berufung auf die DSGVO aus. Grund ist die Beschwerde eines Bewohners, der sich über mangelnden Datenschutz beklagt hatte.
Ob daran die DSGVO wirklich „schuld“ ist und ob es sich dabei um eine Überreaktion der Stadt Wien handelt, klärt der folgende Beitrag.
Der Mieter einer Gemeindewohnung hatte sich einem Artikel der ZEIT zufolge offenbar darüber beschwert, dass die Betreiber sein Klingelschild neben der Wohnungsnummer auch – ungefragt – mit seinem Nachnamen versehen hatten. Seine Privatsphäre sei nicht genügend geschützt, wenn sein Name auf dem Klingelschild stehe.
Hausverwaltung tauscht 220.000 Klingelschilder aus
Die Mitarbeiter der kommunalen Hausverwaltung „Wiener Wohnen“ erkundigten sich bei der zuständigen Abteilung nach der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens und erhielten von dort die Einschätzung, dass die Verbindung von Nachname und Wohnungsnummer gegen die DSGVO verstoße. Künftig werde daher nur die Wohnungsnummer auf dem Klingelschild stehen. Wer dennoch seinen Namen dort sehen will, müsse selbst einen Aufkleber anbringen.
Die städtische Gemeindebauverwaltung wolle nun darüber hinaus bis Jahresende alle Namensschilder auf den Klingelbrettern von 220.000 Wohnungen durch anonymisierte Top-Nummern ersetzen.
„Zwangsbeschriftung“ von Klingelschildern war immer schon unzulässig
So mancher wird jetzt vielleicht die seit Mai 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dafür verantwortlich machen und den Vorgang weiteren Beleg einer unnötigen Bürokratisierung des Zusammenlebens aus Brüssel rügen wollen.
Aber ist die DSGVO tatsächlich schuld? Die Antwort lautet, dass die DSGVO dem Datenschutz vielleicht mehr Aufmerksamkeit verschafft hat. Das Vorgehen von Hausverwaltungen – und zwar nicht nur öffentlicher, sondern auch privater Natur (die datenschutzrechtlichen Regelungen gelten grundsätzlich auch für private) –, Klingelschilder von Mietern ungefragt mit dem Nachnamen zu versehen, war auch vor Geltung der DSGVO bereits unzulässig.
Alles bleibt anders
Denn die Information darüber, wo eine natürliche Person wohnt, ließ sich bereits zwanglos unter das Tatbestandsmerkmal des personenbezogenen Datums gem. § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetzes a.F. (BDSG a.F. ) subsumieren. Das Bedrucken von Klingelschildern dürfte ebenso unproblematisch als Verarbeitung gem. § 3 Abs. 4 BDSG a.F. gelten.
Daneben kommt auch noch die Verletzung der Privatsphäre der Mieter in Betracht, die grundsätzlich selber darüber entscheiden dürfen, ob sie Dritten neben ihrer Anschrift (diese dürfte aufgrund der Meldeverpflichtung aus dem Meldegesetz lediglich der Sozialsphäre zufallen) zusätzlich mitteilen wollen, in welcher Wohnung des betreffenden Hauses sie sich in der Regel genau aufhalten.
Abgesehen von der rechtlichen Beurteilung stellt eine „Zwangsbeschriftung“ von Klingelschildern auch keinen sonderlich guten Stil dar. Der Vermieter sollte seinen Mietern schon selbst überlassen, ob und mit welcher Bezeichnung er sein Klingelschild versieht.
Wo er Recht hat, hat er Recht
Last but not least weist Max Schrems, seines Zeichens österreichischer Datenschutzaktivist und Erzfeind von Facebook, nicht zu Unrecht darauf hin, dass das Abmontieren von über 200.000 Klingelschildern über das Ziel hinaus schießen dürfte:
Bei aller Liebe zur #DSGVO : Aber zumindest wo man die Zustimmung des Mieters (schon) hat(te) braucht man hier sicher nicht lang 220.000 mal Namensschiler ab- und wieder anmontieren.. Fragebogen mit einem „Opt-In“ würde wohl die Sache erleichtern.. ???? https://t.co/jG8qFQjSGf
— Max Schrems ???????????????? (@maxschrems) 12. Oktober 2018
Wo er Recht hat, hat er Recht.
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