Viele Unternehmen werden den 25.05.2018 in ihrem Kalender rot markiert haben. Ab dem letzten Freitag des Monats Mai 2018 wird die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und mit ihr das (neue) Kopplungsverbot anwendbar sein.
Was beutetet „Kopplungsverbot“? Kommen mit dem neuen Kopplungsverbot Änderungen auf Unternehmer zu? Im Folgenden widmen wir uns diesen Fragen.
Was ist das „Kopplungsverbot“?
Wer aktuell personenbezogene Daten verarbeiten möchte, darf dies nur, wenn ein Erlaubnistatbestand greift oder eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Wird eine Einwilligung des Betroffenen eingeholt, ist diese jedoch nur wirksam, wenn die Einwilligung gem. § 4a Abs. 1 S. 1 BDSG freiwillig erfolgt.
Diese Vorgabe soll vermeiden, dass dem Betroffenen bei einem Vertragsschluss über eine Ware oder eine Dienstleistung die Einwilligung in eine Datenverarbeitung oder Datenerhebung, die nicht für die Leistungserbringung notwendig ist, quasi nebenbei „abgeluchst“ wird.
Die Frage, ob die Einwilligung auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht, ist unter anderem für Bestellprozesse eines Onlineshops und für die Geschäftsmodelle „Service gegen Daten“ (Newsletteranmeldung, Downloadmöglichkeit kostenloser Whitepaper, etc.) relevant. Bei diesen Geschäftsmodellen wird eine Leistung häufig an die Erteilung einer Einwilligung in eine Datenverarbeitung oder Datenerhebung „gekoppelt“.
Kopplung im Onlineshop
Das Kopplungsverbot kann in folgender Konstellation relevant sein: Ein Kunde durchläuft den Bestellprozess eines Onlineshops. Während des Bestellprozesses wird der Kunde darauf aufmerksam gemacht, dass die eingegebenen Daten auch für Werbezwecke genutzt werden. Um in dem Bestellprozess zu dem nächsten Schritt zu gelangen, muss der Kunde seine Einwilligung in die Nutzung seiner Daten zu Werbezwecken erstellen. Da die Einwilligung in die Datenverarbeitung nicht notwendig für die Leistungserbringung – Versand des Produkts – ist, greift das Kopplungsverbot.
Kein absolutes Kopplungsverbot
Das Kopplungsverbot ist aktuell in § 28 Abs. 3b BDSG normiert:
„Die verantwortliche Stelle darf den Abschluss eines Vertrags nicht von einer Einwilligung des Betroffenen nach Absatz 3 Satz 1 abhängig machen, wenn dem Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne die Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist. Eine unter solchen Umständen erteilte Einwilligung ist unwirksam.“ (Hervorhebungen durch den Autor)
Liest man diese Norm aufmerksam, wird klar: Das Kopplungsverbot ist nicht absolut. Das derzeitige Kopplungsverbot soll lediglich die Marktmacht eines Unternehmens beschränken.
Im Bezug auf das eben genannte Beispiel bedeutet dies, dass das Kopplungsverbot nicht greift, wenn der Kunde das Produkt auch in einem anderen Onlineshop, in dem eine Einwilligung in die Datenverarbeitung zu Werbzwecken nicht gefordert wird, erwerben kann – schließlich nutzt der Onlineshop keine Marktmacht aus.
Das Kopplungsverbot der DSGVO
Die bisherige Rechtslage wird sich im Hinblick auf das Kopplungsverbot mit der DSGVO verschärfen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten wird weiterhin grundsätzlich verboten sein, es sei denn ein Erlaubnistatbestand greift ein oder es liegt eine Einwilligung vor. Auch die Einwilligung nach der DSGVO muss freiwillig erfolgen. Die Freiwilligkeit einer Einwilligung wird künftig anhand des Art. 7 Abs. 4 DSGVO zu beurteilen sein:
„Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.“
Sie erfassen auch nach mehrmaligen Lesen den Sinngehalt der Vorschrift nicht richtig? Das verwundert uns nicht. Die Formulierung ist – gelinde gesagt – missglückt.
Wenn man nun anhand des Art. 7 Abs. 4 DSGVO versucht, zu beurteilen, ob die Einwilligung in die Datenverarbeitung des oben genannten Beispiels freiwillig erfolgte, kommt man zu keinem eindeutigen Ergebnis. Für die Annahme der Freiwilligkeit spricht, dass der Kunde auf die Datenverarbeitung zu Werbezwecken aufmerksam gemacht wurde. Gegen eine Freiwilligkeit spricht, dass die Einwilligung in den Bestellprozess integriert wurde und diese für die Leistung – Lieferung des Produkts nicht notwendig ist.
Der Erwägungsgrund – ein Widerspruch
Zieht man den Erwägungsgrund des Art. 7 Abs. 4 DSGVO zu Rate, kommt man hingegen zu einem eindeutigen Ergebnis. Der Erwägungsgrund 43 S. 2 DSGVO lautet:
„Die Einwilligung gilt nicht als freiwillig erteilt, wenn zu verschiedenen Verarbeitungsvorgängen von personenbezogenen Daten nicht gesondert eine Einwilligung erteilt werden kann, obwohl dies im Einzelfall angebracht ist, oder wenn die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist.“ (Hervorhebungen durch den Autor)
In dem genannten Beispiel ist die Einwilligung in die Datenverarbeitung zu Werbezwecken für die Durchführung des Kaufvertrags nicht erforderlich. Die Einwilligung erfolgte daher nicht freiwillig und ist somit unwirksam.
Der Widerspruch zwischen der Vorschrift und ihrem Erwägungsgrund wird zunächst für Rechtsunsicherheit in der Praxis führen. Auf der einen Seite werden Berater von Unternehmen darauf aufmerksam machen, welche Möglichkeiten allein Art. 7 Abs. 4 DSGVO eröffnet. Auf der anderen Seite ist davon auszugehen, dass die Aufsichtsbehörden und Verbraucherschützer eine strenge Auslegung der Vorschrift anhand des Erwägungsgrundes bevorzugen werden.
Wer wird von dem Kopplungsverbot der DSGVO betroffen sein?
Wie das Beispiel zeigt, sind Onlineshops von dem Kopplungsverbot betroffen. Das Kopplungsverbot ist aber auch für die Geschäftsmodelle „Service gegen Daten“ relevant. Zu solchen Geschäftsmodellen zählen unter anderem Online-Gewinnspiele, „kostenfreie“ E-Mail-Konten, der Newsletterversand sowie die Downloadmöglichkeiten von „kostenfreien“ Whitepapern.
Diesen Geschäftsmodellen ist gemein, dass eine Leistung – beispielsweise das Zuverfügungstellen eines Whitepapers – „kostenfrei“ erbracht wird. Als Gegenleistung wird kein Geld verlangt. Will ein Nutzer die Leistung in Anspruch nehmen, so muss er jedoch seine Einwilligung in die Datenverarbeitung erteilen, denn diese Geschäftsmodelle werden gewissermaßen mit den Daten „refinanziert“, die der Nutzer bei Inanspruchnahme der Leistung preisgibt. Die erworbenen Daten werden regelmäßig für Werbezwecke genutzt und so „zu Geld gemacht“.
Die Einwilligung in die Datenverarbeitung zu Werbezwecken ist bei „kostenfreien“ Whitepapern an die eigentliche Leistungserbringung gekoppelt, die Einwilligung erfolgt – jedenfalls nach dem Erwägungsgrund Erwägungsgrund 43 S. 2 DSGVO – unfreiwillig und ist somit unwirksam. In der jetzigen Form ist die Rechtmäßigkeit des Modells „Service gegen Daten“ fraglich.
Denkbare Lösungen
Passt man jedoch sein Geschäftsmodell an, so wird man auch künftig seine Newsletter oder Whitepaper an die Frau oder den Mann bringen können. Im Folgenden zeigen wir anhand des Beispiels „kostenfreies Whitepaper“ drei verschiedene Lösungsmöglichkeiten auf.
1. Entkoppeln
Zunächst ist es denkbar, dass die Zuverfügungstellung des Whitepapers von der Einwilligung in die Datenverarbeitung zum Zwecke der Werbung „entkoppelt“ wird. Bei dieser Lösung darf die Einwilligung erst nach erfolgreichen Download eingeholt werden. Allerdings muss das Whitepaper auch dann heruntergeladen werden können, wenn keine Einwilligung abgegeben wird. Diese Lösung kann jedoch die Refinanzierung des „kostenfreien“ Whitepapers gefährden, da die Nutzer ihre Einwilligung in die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht abgeben müssen, um den Service zu nutzen.
2. Integrieren
Wird die Datenverarbeitung zum Zwecke der Werbung zum integralen Bestandteil des Vertrages gemacht, wird das Kopplungsverbot nicht berührt. Bei dieser Lösung muss jedoch klar und verständlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Gegenleistung des Nutzers in dem Bereitstellen seiner Daten zum Zwecke der Werbung besteht.
3. Das Schaffen einer Alternative
Natürlich können Sie zusätzlich eine Alternative schaffen. So kann neben dem „Whitepaper gegen Daten“ ein „Whitepaper gegen Bezahlung“ angeboten werden. Der Nutzer hat sodann die Wahl, mit welchem Gegenwert er für das Whitepaper zahlen möchte.
Die berechtigten Interessen als Ausweg?
Ein weiterer denkbarer Ausweg können die sogenannten berechtigten Interessen sein. Denn wenn die Verarbeitung der personenbezogen Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen des Unternehmers erforderlich ist, wird keine Einwilligung benötigt, und das Kopplungsverbot greift nicht.
Der letzte Satz des Erwägungsgrundes 47 DSGVO erkennt die Direktwerbung als berechtigtes Interesse an:
„Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“
Allerdings muss an dieser Stelle beachtet werden, dass es sich um einen „Kann-Satz“ handelt – Direktwerbung kann ein berechtigtes Interesse darstellen, muss es aber nicht. So bieten auch die berechtigten Interessen nicht die Rechtssicherheit, die man sich als Unternehmer wünscht.
Unsere Empfehlung
Wer das Geschäftsmodell „Service gegen Daten“ in Form eines Newsletters oder eines „kostenfreien“ Whitepapers betreibt, muss bedenken, dass er neben den datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO auch die lauterkeitsrechtlichen Normen des UWG zu beachten hat. Wer den Nutzer nach dem Download des Whitepapers (oder dem Bestellen des Newsletters) noch einmal mittels einer E-Mail kontaktieren möchte, der benötigt ohnehin eine lauterkeitsrechtliche Einwilligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG in Bezug auf die Art und Weise der geplanten Werbung.
Nutzen Sie die bereits erwähnte Lösungsmöglichkeit des „Integrierens“. Machen Sie den Nutzer darauf aufmerksam, dass wenn er das Whitepaper herunterlädt, seine Daten als Gegenleistung für die Bereitstellung des Whitepapers zu Werbezwecken genutzt wird. Im nächsten Schritt können Sie sich sodann die Einwilligung nach dem Lauterkeitsrecht sowie nach der DSGVO geben lassen, ohne Gefahr zu laufen, von dem Kopplungsverbot betroffen zu sein.
Bei der Einwilligung ist jedoch zu beachten, dass das Double-Opt-In Verfahren genutzt werden muss. Die Einwilligung muss entsprechend den Vorgaben der DSGVO dokumentiert werden.
Fazit – die DSGVO als Chance begreifen
Mit der Anwendbarkeit der DSGVO wird sich für Unternehmen einiges ändern. Vor allem das Kopplungsverbot birgt für Unternehmen Rechtsunsicherheit. Jedoch werden auch in Zukunft die Geschäftsmodelle „Service gegen Daten“ nicht unmöglich sein. Wer seine Prozesse entsprechend der Regelungen der DSGVO anpasst, wird das Risiko durch Abmahnungen der Konkurrenz oder Bußgelder der Datenschutzbehörde erheblich verringern.
Schließlich sollte man die neuen Reglungen der DSGVO als Chance begreifen, sich vor deren Hintergrund als im Vergleich zu manch anderem Wettbewerber als besonders datenschutz- und damit verbraucherfreundlich aufzustellen. Die DSGVO ist – obgleich sicherlich an einigen Stellen kritikwürdig – schließlich kein Selbstzweck, sondern gründet auf der Motivation, das Vertrauen der Verbraucher in unter anderem die folgenden Grundsätze zu stärken:
- Rechtmäßigkeit
- Verarbeitung nach Treu und Glauben
- Transparenz
- Zweckbindung
- Datenminimierung
- Richtigkeit
- Speicherbegrenzung
- Integrität & Vertraulichkeit
- Rechenschaftspflicht
Wer diese Punkte bisher nicht beachtete, verhielt sich bereits vor Geltung der DSGVO vielleicht nicht unbedingt rechtswidrig, bot seinen Kunden jedoch mit Sicherheit einen lediglich suboptimalen Kundenservice.
Begreifen Sie die neuen Regelungen daher als gute Gelegenheit, sich diesbezüglich nicht nur rechtmäßig sondern auch faktisch optimal aufzustellen.
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