BGH: Das KUG ist auch nach Geltung der DSGVO anwendbar

Bild von Andreas Breitling auf Pixabay

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Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes (KUG) auch nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) weiterhin gelten.

Die Vorschriften legen fest, dass bei der Ablichtung von Personen für die Veröffentlichung im Allgemeinen deren Zustimmung eingeholt werden muss. Insofern entfalten die Regelungen unter anderem für die Presseberichterstattung im Internet Bedeutung.

BILD berichtet per Bild

Die inzwischen nicht mehr allzu „neue“ Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist bereits seit Mai 2018 in Kraft. Die Reform des europaweiten Datenschutzes zieht mancherorts selbstredend die Abänderung und auch Abschaffung nationaler Datenschutzgesetze nach sich. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass die §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes (KUG) auch weiterhin in bestimmten Konsellationen Anwendung finden.

Ausgangspunkt des Urteils war die Berichterstattung eines Presseunternehmens über das gerichtliches Scheidungsverfahren eines deutschen Promipärchens im Internet. Im Einzelnen waren auf der Webseite des Boulevardblatts „Bild“ Fotos der damaligen Ehepartner vor dem Amtsgericht am Verhandlungstag veröffentlicht worden. Darunter wurde in Textform der Werdegang der Ehe und Scheidung kurz dargestellt. Gegen jene Berichterstattung ging die betroffene Gemahlin vor, und erhob letztlich Klage vor dem Kölner Landgericht.

Der Rechtsstreit wurde letztinstantzlich nun vor dem Bundesgerichtshof entschieden. Während das Landgericht noch sowohl die Bild– als auch die Wortberichterstattung als unzulässig angesehen hatte (LG Köln, Urteil v. 10.10.2018, Az. 28 O 137/18), kamen die Richter am OLG Köln in der Berufung zu dem Ergebnis, dass nur die veröffentlichten Fotos Grund zur Beanstandung lieferten (OLG Köln, Urteil v. 28.05.2019, Az. 15 U 197/18). Dieser Auffassung schloß sich der Bundesgerichtshof in der Revision nun an (BGH, Urteil v. 07.07.2020, Az. VI ZR 250/19).

Zeitgeschehnisse in (der) Bild und Text?

Die Richter in Karlsruhe argumentierten auf gleiche Weise wie der Senat in Köln. Die Wortberichterstattung betreffe hier lediglich die Sozialsphäre der Klägerin. Grundsätzlich wird bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts nach drei Sphären unterschieden: Der benannten Sozialsphäre, bei der Eingriffe oftmals hinzunehmen sind, da hier „nur“ der Bereich der Teilnahme am öffentlichen Leben umfasst ist. Weit stärker schützenswert ist auf zweiter Ebene die Privatsphäre. Hierzu gehört der engste Freundes- und Familienkreis, in dem sich die betreffende Person bewegt. Schlichtweg unantastbar ist die Intimsphäre, hierunter fallen unter anderem Tagebucheinträge und ähnliches. Eingriffe in diese Sphäre können niemals gerechtfertigt werden.

Die Mitteilung unstreitig wahrer Tatsachen in geschriebener Form aus der Sozialphäre sei nicht zu beanstanden, da sie nicht mit schwerwiegenden Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verbunden sei. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgehe, dass die Berichterstattung über die Scheidung beziehungsweise die Ehedauer der (äußeren) Privatsphäre zuzuordnen sei, liege ein öffentliches Informationsinteresse vor, welches bei Abwägung mit der Beeinträchtigung der Klägerin durch die Mitteilung der Informationen über den amtsgerichtlichen Termin ihre persönlichkeitsrechtlichen Belange überwiege.

Anders verhalte es sich allerdings mit der Bildberichterstattung, so der BGH. Die gezeigten Fotos verstießen gegen § 22 des Kunsturhebergesetzes. Die Vorschrift legt fest, dass Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Hiervon existieren allerdings Ausnahmen, welche in § 23 KUG normiert sind. Hier heißt es:

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;

3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;

4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

In seiner Urteilsbegründung ging der BGH auf die Frage ein, inwiefern es sich unter Umständen um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handeln könne. Wann das im Einzelnen der Fall ist, ist durchaus schwer zu beantworten. Wie so oft kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ausschlaggebend ist freilich der Begriff der Zeitgeschichte. Der BGH hat in älteren Entscheidungen hierzu diverse Äußerungen getroffen. So umfasse die Bezeichnung „alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse“, sowie „alle Erscheinungen im Leben der Gegenwart, die von der Öffentlichkeit beachtet werden, bei ihr Aufmerksamkeit finden und Gegenstand der Teilnahme oder Wissbegier weiter Kreise sind“. In diesem Zusammenhang sei stets eine interessengerechte Abwägung zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit einerseits und den Persönlichkeitsrechten der abgebildeten Personen andererseits vorzunehmen.

Und eben im Rahmen einer solchen müssten die Rechte des betroffenen Paares zurücktreten. Denn auch wenn die Scheidung an sich – also ohne nähere Detailangaben – zur Sozialsphäre der Betroffenen zähle und die Klägerin prominent sei, fehle es vorliegend an einem hinreichenden Informationsinteresse für eine Bildberichterstattung. Darüber hinaus vermittelten die Fotografien einen hilflosen Eindruck der Betroffenen, da sie sich in einer Situation befänden, in welcher fremde „Zaungäste“ gerne vermieden werden.

DSGVO sperrt Vorschriften im KUG nicht

Schließlich äußerte sich der Bundesgerichtshof auch zu der Frage, inwiefern die entscheidenden Vorschriften der §§ 22 und 23 KUG im Lichte der geltenden Datenschutzgrundverordnung noch zur Anwendung kommen. Im hier betroffenen journalistischen Bereich sei dies aber aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 85 gegeben. Diese besagt, dass Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken durch die Anbieter von Telemedien von den die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffenden Vorschriften in Art. 6 und Art. 7 DSGVO durch nationale Regelungen ausgenommen werden. Die §§ 22 und 23 KUG seien im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen im journalistischen Bereich als die Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO ausfüllende Gesetze anzusehen.

Fazit

Mit Aufnahmen fremder Personen sollte grundsätzlich vorsichtig umgegangen werden – ohne eine Zustimmung oder eine der in § 23 KUG genannten Ausnahmen stehen dem Abgelichteten Unterlassungs- und unter Umständen auch Schadensersatzansprüche zu. Sollten Sie im umgekehrten Fall einmal derartige Verletzungen Ihrer Persönlichkeitsrechte – in welcher Form auch immer – aus der Welt geschafft sehen wollen, finden Sie hier Abhilfe:

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