Der EuGH, Google und das "Recht auf Vergessen"

googlebauSieht man sich die Presselandschaft (hier oder hier) und die Äußerungen einschlägig vorgebildeter Rechtsanwaltskollegen an, so bekommt man den Eindruck, als habe der EuGH eine Entscheidung getroffen, die eines der Grundprinzipien des Internets, nämlich den freien Zugang zu Informationen grundsätzlich infrage stelle. Um dies direkt klar zu sagen: Dem ist nicht so.

Anders, als viele dies zur Zeit behaupten, besteht die einzig relevante – diesbezüglich für die anwaltliche Praxis durchaus bahnbrechende – Wertung des Urteils darin, dass der europäische Gerichtshof den Tätigkeiten der Suchmaschine Google, anders als zuvor zahlreiche nationale, zum Beispiel deutsche Gerichte, – endlich – eine eigene datenschutzrechtlichrelevante Handlung bescheinigt.

Recht auf Vergessen ≠ Recht auf Vergessenwerden

Zunächst ist hervorzuheben, dass der europäische Gerichtshof, anders als viele Berichte dies behaupten, kein „Recht auf Vergessen“ zulasten von Google festgestellt hat. Der geschätzte Kollege Thomas Schwenke hat dankenswerterweise bereits darauf hingewiesen, dass hier, wenn überhaupt, wohl das „Recht auf Vergessenwerden“ gemeint ist, während das „Recht auf Vergessen“ überwiegend in Bars und Kneipen wahrgenommen werden dürfte. Obwohl es sich dabei lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit handeln mag, verdient diese Erwähnung, weil sie sich in eine ganze Reihe von Ungenauigkeiten in der Berichterstattung unterschiedlichster Medien einreiht, die ein völlig falsches Bild zeichnet.

Datenschutz schützt nur wahre Daten

Der von den ebenfalls sehr geschätzten Kollegen Dirks & Diercks in ihrem Kommentar „Recht auf „Vergessen werden“: Die Wahrheit als Datenschutzproblem“ vermittelte Eindruck, dass es beim Datenschutz darum gehe, die Wahrheit bestimmter personenbezogener Daten sicherzustellen bzw., dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nun dazu führe, ist meines Erachtens nicht richtig. Datenschutz dient entgegen einer offenbar landläufigen Auffassung nicht dazu, die Wahrheit zu schützen, sondern setzt diese voraus und möchte dennoch sicherstellen, dass nicht jeder jedes Datum kennt. Datenschutz beschäftigt sich somit mit der Verarbeitung zutreffender Daten über eine Person. Die Verbreitung unwahrer Daten ist bereits auf ganz anderer gesetzlicher Grundlage unzulässig, und hat mit der Idee des Datenschutzes grundsätzlich nichts zu tun.

Google löscht unwahre Daten – nach wie vor

Es war somit auch vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs klar, dass Google unwahre Behauptungen oder Verlinkungen auf solche löschen und dafür sorgen muss, dass gleichartige Verstöße in der Zukunft unterbleiben. Aus unserer anwaltlichen Praxis wissen wir, dass Google entsprechenden Aufforderungen selbstverständlich auch zeitnah nachkommt.

Das Neue an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist die Feststellung, dass die Leistung Googles sich nicht darin erschöpft, lediglich auf fremde Inhalte hinzuweisen und damit datenschutzrechtlich irrelevant wäre, sondern dass die Zusammenstellung entsprechender Suchergebnisse als eine zusätzlich zu den Äußerungen der Herausgeber der jeweiligen Websites vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten anzusehen sei, weil diese bei der Durchführung einer Suche anhand des Namens einer natürlichen Person mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die ihr zum Internet verfügbaren Informationen ermögliche. Diese beträfen zudem potenziell zahlreiche Aspekte des Privatlebens und hätten ohne die Suchmaschine nicht oder nur sehr schwer miteinander verknüpft werden können.

Der europäische Gerichtshof bestätigt damit eigentlich nur die – bisher nur in der Kommentarliteratur (zum Beispiel bei Gola/Schomerus , Bundesdatenschutzgesetz, 11. Auflage 2012, § 29, Rn 18) – herrschende aber leider in der Praxis von Gerichten ignorierte Ansicht, dass es einen Unterschied macht, ob unterschiedliche einzelne Daten von unterschiedlichen Stellen unabhängig voneinander verarbeitet oder ob diese von einer gemeinsamen Stelle zusammengefasst und zum gemeinsamen Abruf bereitgehalten werden.

Fazit

Wie bisher, müssen Datenverarbeiter (das Neue ist, dass dazu nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs auch Google zählt) Informationen löschen, wenn feststeht dass diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46) widersprechen. Wir halten daher Berichte darüber, dass Google aufgrund der EuGH-Entscheidung nunmehr eine „Löscharmee“ beschäftigen müsse, die vornehmlich Anfragen von „Politikern und Pädophilen“ beantworten müsse, für eine vor allem durch die Vorliebe für das Stilmittel der Alliteration motivierte Falschmeldung.

Aus unserer Erfahrung wissen wir: Google hat bisher gelöscht und wird auch in Zukunft löschen, wenn es um rechtswidrige Inhalte geht. Falls Sie, ähnlich wie bei der so genannten „Autovervollständigung“, über die wir hier berichteten, Hilfe benötigen, kontaktieren Sie uns. Wir helfen Ihnen.

Eine Übersicht der Konsequenzen des EuGH-Urteils finden Sie hier: Recht auf Vergessen? – Konsequenzen des EuGH-Urteils (la)

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