In unserem ersten Teil der Reihe „E-Sport vs. Sport“ ging es um die Frage, welchen Besonderheiten die Gründung eines E-Sport-Vereins unterliegt, um als gemeinnützig anerkannt zu werden.
Diesem Problemfeld hätten wir uns nicht widmen müssen, wenn E-Sport bereits eine rechtliche Stellung als Sport genießen würde. Das wäre unter anderen der Fall, wenn die Bundesregierung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag erfüllen und E-Sport vollständig als Sport anerkennen würde.
Warum lässt sie sich denn so viel Zeit? Dabei würde gerade die Anerkennung für optimale Trainings- und Wettkampfbedingungen sorgen, weil nicht nur die staatliche Sportförderung erfolgen, sondern auch weitere Nachteile ausgeräumt werden würden. Teil II zeigt, dass die Einhaltung des Versprechen gar nicht so einfach ist, wie anfangs angenommen. Denn das deutsche Sportsystem unterliegt der strengen Sportautonomie.
Individuelles Grundrecht auf Sport
Sport ist weder ein Verfassungsbegriff der Bundesrepublik, noch gibt es eine „Sportgesetzgebung“ des Staates. Eine ausdrückliche Erwähnung des Sports fehlt im Grundgesetz auch im Rahmen einer sog. Staatszielbestimmung. Lediglich an vereinzelten Stellen besteht ein Grundrechtsstatus des Sports als individuelles Grundrecht, dessen Schutz sich zum Beispiel durch Art. 2 I GG als individuelle Handlungsfreiheit, durch Art.12 I GG als Teil der Berufsfreiheit bei dauernder Erwerbstätigkeit und durch Art. 9 I GG enthaltene Vereinigungsfreiheit widerspiegelt.
Wie der Begriff „Autonomie“ (aus dem Altgriechischen „Eigengesetzlichkeit“) schon sagt, gibt sich der Sport durch Statuten und Regelwerke seine eigenen Gesetze. Das Ziel ist es, eine „Verstaatlichung“ zu vermeiden. Eine staatliche Unterstützung soll lediglich dort erfolgen, wenn und soweit dem Sport seine eigenen Kräfte und Mittel nicht ausreichen. Damit entfällt auch eine rechtliche Pflicht des Staates, alle Sportarten unabhängig von ihrer Verbreitung oder ihren Leistungstand zu fördern.
Es gibt lediglich ungeschriebene Regelungen zur Fördermittelverteilung. So sollen der Bund durch seine gesamtstaatliche und nationale Repräsentanz nach innen und außen den Leistungssport und die Länder, von denen nur wenige eine geschriebene Sportförderkompetenz aufweisen, den Breitensport mit all seinen Zielgruppen unterstützen. Dabei soll der hohe gesellschaftliche Stellenwert des Sports zum Beispiel durch den Erhalt der Volksgesundheit, den Ausbau von sozialen Kompetenzen sowie durch die Förderung von Geschlechtergleichheit und des gesellschaftlichem Engagements erhalten bleiben.
Die Rolle des Deutschen Olympischen Sportbundes
Die gesellschaftliche Sportorganisation unterliegt daher überwiegend den Bundessportfachverbänden bzw. dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Dachorganisation des deutschen Sportes. Denn der DOSB legt auch durch seine Aufnahmeordnung fest, welche Kriterien eine Aktivität erfüllen muss, damit diese unter die Organisation des DOSB fällt und somit auch gesellschaftlich als Sportart anerkennt wird. Die staatlichen bzw. gesetzgeberischen Ausgestaltungen passen sich in der Regel dieser Anerkennung an. Hat der DOSB beispielsweise eine neue Sportart in seine Organisation aufgenommen, orientieren sich die Finanzverwaltungen in der Regel daran und erklären die Vereine, die sich nun in dieser neu anerkannten Sportart organisieren, als gemeinnützig. Eine Ausnahme von dieser Vorgehensweise ergibt sich dann, wenn eine Aktivität bereits vor der Aufnahme in den DOSB höchstrichterlich als Sport anerkannt wird, um Rechtsunsicherheiten im Rahmen der Gesetzes- und Rechtsanwendung zu beseitigen. Allerdings ist der DOSB auch dann nicht verpflichtet, diese rechtlich als Sport anerkannte Aktivität in seine Organisation aufzunehmen.
Faktische Anerkennung nur durch den Sport selbst
Übertragen auf den E-Sport heißt es, dass die Bundesregierung trotz ihres Versprechens im Koalitionsvertrag E-Sport vollständig als Sport anzuerkennen, gar nicht die Kompetenzen hat, eine verbindliche Entscheidung darüber „aussprechen“ zu können. Sie lässt sich also Zeit mit der Anerkennung, weil sie es nicht anders kann.
Eine Regelung der Anerkennung kann lediglich durch die gesellschaftliche Sportorganisation (Anerkennung durch den DOSB) erfolgen. Selbst wenn eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts erfolgt und E-Sport im Rahmen einer gesetzlichen Fiktion die Stellung als Sport im Sinne der Abgabenordnung zugesprochen werden würde, hätte dies lediglich zur Folge, dass E-Sport zwar genauso gemeinnützig wie der klassische Sport zu behandeln, faktisch jedoch nicht automatisch Sport im Sinne des DOSB wäre.
Konsequenzen für den Esport
Die fehlende Gleichstellung mit dem klassischen Sport hat unter anderem die Nachteile, dass professionelle E-Sportler Einreiseschwierigkeiten aufgrund mangelnder Sportlervisa haben oder der E-Sport Sektor nicht von der staatlichen Sportförderung erfasst wird. Bisher ist die Rechtslage im E-Sport sehr unübersichtlich. Weitere Problematiken bestehen zum Beispiel im Bereich des Jugendschutzgesetz (z.B. Ausstrahlungsverbote oder -beschränkungen digital simulierter Kampf- und Ego-Shooter-Games; Zutritts- und Teilnahmeregelungen zu E-Sport Veranstaltungen und Spielräumen), dem Glücksspiel (Verbot für Werbung von Sportwetten)- oder Aufenthaltsrechts (gültige Visa für Teilnahme an Sportveranstaltungen), die für sich genommen jedes Mal einer Sonderregelung für E-Sport bedürfen, die der klassische Sport nicht braucht.