Teil II unserer Reihe „E-Sport vs. Sport“ behandelt die Thematik, wie sich E-Sport der Autonomie des Sport fügen muss, um überhaupt eine vollständige Anerkennung als Sport zu erreichen.
Die Sportautonomie bindet der Bundesregierung die Hände, einzelne Aktivitäten direkt als Sport anzuerkennen. Die wichtige Rolle nimmt dabei aber der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ein, der bereits im Dezember letzten Jahres die Positionierung seines Präsidiums und Vorstands zur Anerkennung von E-Sport veröffentlichte, die bei vielen Befürwortern großen Ummut hervorrief. Denn dieser sprach plötzlich von eGaming und elektronischen Sportartensimulationen.
Das einzige, was für ihn aus dem E-Sport Sektor Potential hat, sind Spiele wie Fifa oder NBK2K19, aber gerade nicht die beliebten E-Sport Titel wie League of Legende oder Counter-Strike. Warum macht er das und warum hat sein Wort überhaupt so einen hohen Stellenwert?
DOSB als Spitze der Sporthierarchie
Das deutsche Sportsystem ist von einer gemeinsamen, sportautonomen Zwecksetzung der Beteiligten und dem Bedürfnis kollektiven Zusammenwirkens zur Verwirklichung sportimmanenter Zwecke gekennzeichnet. Dazu können sich die am Sport Beteiligten gemäß der Vereinigungsfreiheit aus Art.9 Abs. 1 GG in einer gefestigten Verbandsstruktur zusammenschließen und organisieren.
Der DOSB ist die regierungsunabhängige Dachorganisation des deutschen Sports mit über 27 Millionen Mitgliedschaften aus knapp 90.000 Sportvereinen. Er vertritt die Interessen des organisierten Sports, seiner Sportler und der allgemeinen Sportentwicklung. Vereinfacht ausgedrückt: Der DOSB steht an der Spitze des pyramidal-hierarchischen Aufbaus der Sports, dem absteigend die Spitzenfachverbände der einzelnen Sportarten, Landessportbünde, Regionalverbände, Vereine und schlussendlich an der Basis die Sportler folgen.
Die Sicherung dieser Struktur erfolgt durch Satzungen, wobei der DOSB als Dachverband ein einheitliches Regelwerk, die Verwaltung und Fortentwicklung jeder Sportart monopolisierend steuert und gewährleistet. Durch die Unterstützung und Ergänzung weiterer Akteure wie zum Beispiel Sponsoren oder Sportgerätehersteller entsteht ein Umfeld des Profisports, das komplett privatautonom gesteuert wird.
Sportlichen, ethischen und organisatorischen Voraussetzungen
Dennoch beansprucht auch der DOSB keine Definitionshoheit darüber, was Sport ist und was ihn ausmacht. Vielmehr bedient er sich dem allgemeinen Verständnis des Sportbegriffes und stellt anhand dessen Kriterien für die Aufnahme von Verbänden in seine Organisation auf.
Die vom DOSB aufgenommenen Vereine und Verbände müssen grundsätzlich gemeinwohlorientiert sein und sich ohne Gewinnerzielungsabsicht engagieren. Über diese Kriterien hinaus fordert er – vereinfacht dargestellt – unter anderem folgende Voraussetzungen:
- Sportliche Voraussetzung: Die Ausübung der Sportart muss eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität als Selbstzweck der Betätigung eines jeden zum Ziel haben, der sie betreibt.
- Ethische Voraussetzung: Die Sportart muss die Einhaltung ethischer Werte wie zum Beispiel Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klasseneinteilungen gewährleisten.
- Organisatorische Voraussetzung: Die antragstellende Organisation erfordert u.a. eine regionale Fachgebietsbetreuung im Bereich von mindestens der Hälfte der Landessportbünde mit Landesverbänden, der eine vertretene Mindestzahl von rund 10 000 (mittelbaren) Verbandsmitgliedern angehört (d.h. eine Einbindung des unmittelbaren Mitgliedes in eine gefestigte Verbandsstruktur) und zudem innerhalb ihres Verbandes Jugendarbeit in nicht nur geringfügigem Umfang betreibt.
Esport erfüllt Kriterien in Gänze nicht
Bei E-Sport als das sportwettkampfmäßige Spielen von Video- bzw. Computerspielen nach festgelegten Regeln (vorgeschlagene Definition von E-Sport durch den eSport-Bund Deutschland (ESBD)) sieht der DOSB seine eben genannten Kriterien in Gänze als nicht erfüllt an. Dabei werden besonders die Merkmale der eigenmotorischen Aktivität, der Wettkampfcharakter, die ethischen Normen, Partizipation und Autonomie sowie die Organisationsformen, Geschäftsmodellen und Gemeinwohlorientierung nach Ansicht des DOSB nicht in seinem Sinne aufgewiesen und widersprechen sich teilweise sogar.
Aus diesen Gründen und weil E-Sport ein hohes Angebot an Spielen bedient, unterscheidet der DOSB zwischen eGaming und elektronischen Sportartensimulationen (kurz virtuelle Sportarten).
Virtuelle Sportarten liegen dann vor, wenn eine Sportart in die virtuelle Welt überführt wird oder sogar eine sportliche Bewegung in das Spiel integriert. Das wohl bekannteste Beispiel ist das Fußballsimulationsspiel FIFA von EA Sports oder die interaktiven Sportspiele der Wii Konsole – ebenfalls von EA Sports. Hier sieht der DOSB Entwicklungs- und Wachstumspotenziale und hofft, die neue Entwicklung nutzen zu können, um bestimmte Sportarten auf virtuelle Weise analog bekannt und auch beliebt zu machen.
Als eGaming bezeichnet er hingegen alle anderen virtuellen Spiel- und Wettkampfformen, die keinen Sportbezug haben, aber von der gängigen E-Sport Definition mit erfasst sind. Davon sind beispielsweise Spiele der Taktik/Ego-Shooter (z.B. Counter-Strike), MOBA-Strategiespiele (z.B. League of Legends, Dota2) oder auch virtuelle Kartenspiele erfasst. Zwar sieht der DOSB auch hier ein gewisses Potential, durch die Bezugnahme auf den Trend Jugendliche in einen Verein zu überführen, allerdings überwiege hier der Aspekt, dass durch die unüberschaubare Vielfalt an Angeboten seine Voraussetzungen aus der Aufnahmeordnung nicht erfüllt werden können. Zum Beispiel schon dadurch nicht, dass eine ethische Differenzierung der Spielinhalte nicht erfolge und Ego-Shooter, bei denen virtuell Menschen getötet werden, ebenfalls von E-Sport erfasst sind. Was wiederum den ethischen Voraussetzungen des DOSB nicht entspricht, weil dieser sogar schon die nur simulierte Körperverletzung von Menschen ablehnt. Außerdem folge E-Sport ausschließlich wirtschaftlich begründeten Unternehmensinteressen und nicht den Grundsätzen des autonomen Sports, der sich seine eigenen Regeln mache und nicht Gefahr laufe, durch Publisher fremdbestimmt zu werden.
Potential aber mit Widersprüchen
Es ist nicht zu leugnen, dass E-Sport und der klassische Sport viele Eigenschaften und Charakteristika teilen. Das hat auch der DOSB erkannt. Umso unverständlicher erscheint seine Anerkennung von virtuellen Sportarten trotz Diskussion um eine mangelnde sportartbestimmende, eigenmotorische Bewegung bei übrigen E-Sport-Spielen oder der Diskussion um die Rolle der Wirtschaftsunternehmen, die es bei elektronischen Sportartsimulationen ebenfalls gibt. Zu nennen sei hier nur EA Sports als eine eigene Marke des US-amerikanischen Videospielentwicklers und -publishers Electronic Arts.
Auf Grund der lauten Forderung, E-Sport als Sport anzuerkennen, kann sich der DOSB der komplexen Diskussion nicht verschließen. Vielmehr versucht er, einen Lösungsweg zu finden, eine mögliche, künftige Anerkennung legitimieren zu können. Aus diesem Grund steht er auch mit dem ESBD, der Gamingbranche und weiteren Experten im Austausch und hat auch aus diesen Gründen den Begriff des eGamings und der elektronischen Sportartensimulationen eingeführt.