Nicht jede strafbewehrte Unterlassungserklärung beseitigt die Wiederholungsgefahr
In der dem Verfahren vorangegangenen außergerichtlichen Auseinandersetzung verpflichtete sich die Antragsgegnerin strafbewehrt dazu, es zu unterlassen, urheberechtlich geschützte Werke der Antragstellerin öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen. Gleichzeitig bestritt sie aber ausdrücklich, den vorgeworfenen Urheberrechtsverstoß selbst begangen zu haben.
Aufgrund dieser letzten Behauptung hielt die Antragstellerin die abgegebene Unterlassungserklärung für unzureichend. Da die Antragsgegnerin ihre Tätereigenschaft bestritten habe, treffe sie nur die sogenannte Störerhaftung.
Als Störer kann grundsätzlich haften, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern er die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Verletzung gehabt hätte.
Die Störerhaftung werde aber durch die gewählte Formulierung der Unterlassungserklärung nicht erfasst, so dass diese die konkrete Verletzungsform verfehle und damit nicht geeignet sei, die Gefahr einer wiederholten Rechtsverletzung wirksam auszuräumen.
Nachdem sich die Antragsgegnerin geweigert hatte, ihre Unterlassungserklärung entsprechend zu modifizieren, ging die Antragstellerin vor Gericht und leitete das einstweilige Verfügungsverfahren gegen sie ein. Der beim LG Hamburg eingereichte Antrag hatte Erfolg:
„Die widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderliche gewesen. Zwar hat die Antragsgegnerin […] eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. Die Störerhaftung stellt demgegenüber ein Aliud dar, welche von der abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht erfasst war.“
Viele werden sich jetzt vielleicht fragen, was diese Haarspalterei soll. Filesharing ist doch gleich Filesharing, oder nicht?
Nicht ganz. Denn für die Frage, wie Unterlassungserklärung bzw. der Klageantrag zu formulieren sind, kommt es darauf an, welche Verletzungshandlung dem Schuldner konkret vorgeworfen wird.
„Sommer unseres Lebens“ ist schuld
Eingebrockt hat den Beteiligten die Suppe der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ (BGH, Urteil v. 12.05.2010, Az. I ZR 121/08). Der BGH hat den dortigen Fall nämlich mit der Maßgabe an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dass der dortige Kläger seinen Antrag anpassen möge. Der aktuelle verfehle nämlich die konkrete Verletzungsform, die nicht in einer täterschaftlichen Begehung, sondern nur in einer Handlung als Störer bestehe.
Der BGH führt insoweit aus:
„Auch wenn der Beklagte als Störer haftet, kommt eine Verurteilung nach dem bislang gestellten Unterlassungsantrag nicht in Betracht. Denn der Antrag, es dem Beklagten zu verbieten, die Tonträgerproduktion „Sommer unseres Lebens“ im Internet in Tauschbörsen zugänglich zu machen, verfehlt die konkrete Verletzungsform.
Ein Unterlassungsanspruch steht der Klägerin nur insoweit zu, als sie sich dagegen wendet, dass der Beklagte außenstehenden Dritten Rechtsverletzungen der genannten Art ermöglicht, indem er den Zugang zu seinem WLAN-Anschluss unzureichend sichert. Die Revision macht zwar geltend, dass sich ihr Antrag konkret auf diese Verletzungsform beziehe. Es wird aber nicht deutlich, dass er sich darauf beschränkt. Der Antrag bedarf daher der Einschränkung, die nur die Klägerin selbst vornehmen kann.“
Des einen Freud ist des anderen Leid
Die Genauigkeit, zu der der Bundesgerichtshof die Gläubiger in Filesharingfällen mit seiner Entscheidung zwingt, dient in erster Linie dem Schutz des Schuldners, dem mit einer Verurteilung nicht eine Tat verboten werden soll, die er nie begangen hat.
Der vorliegende Fall zeigt die Kehrseite dieser Medaille. Denn vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Vorgaben reicht es nämlich nicht aus, irgendeine Unterlassungserklärung in Bezug auf den Filesharingvorgang abzugeben. Eine solche muss, um wirksam zu sein, vielmehr die konkrete Verletzungsform erfassen.
Da die Störerhaftung im Verhältnis zur täterschaftlichen Haftung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nicht etwa ein bloßes „Weniger“ (minus), wie man vielleicht meinen könnte, sondern etwas „Anderes“ (aliud) darstellt, deckt eine Unterlassungserklärung, die eine täterschaftliche Handlung beschreibt den dem Gläubiger zustehenden Unterlassungsanspruch nicht ab. Und dies obwohl der täterschaftliche Anspruch wirtschaftlich gesehen sogar ein eindeutiges „Mehr“ darstellt.
Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass Unterlassungserklärungen nicht von Laien verfasst werden sollten. Selbst wenn wenn man es gut meint, kann, wie der vorliegende Fall zeigt, ein kostenträchtiges und eigentlich völlig unnötiges Gerichtsverfahren nachfolgen. (pu/la)
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