Gelandet bin ich schließlich in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum, die sich mit Fällen vom gewerblichen Rechtsschutz über Urheber- und Wettbewerbsrecht bis zu Presse- und Medienrecht befasst.
Während meines Praktikums in der Kanzlei habe ich nun die Möglichkeit, mir selbst ein Bild von der Juristerei machen, von ihrer praktischen Anwendung und den Menschen, die sich tagtäglich mit ihr auseinandersetzen. Und das als absoluter Laie auf diesem Gebiet. Würden sich die gängigen Vorurteile bestätigen?
In meinem Freundeskreis reichten die Reaktionen auf mein angekündigtes Kanzlei-Praktikum von „oh, du Arme“ bis hin zu „das ist ja toll, Medienrecht ist so zukunftsweisend!“. Mit ebenso gemischten Gefühlen betrat ich schließlich die Kanzlei. Was würde ich dort überhaupt tun können? Ich hatte keinerlei juristische Vorkenntnisse, geschweige denn eine Ausbildung oder ein Studium vorzuweisen. Einzig mein ausgeprägtes Interesse für Medien ließ mich hoffen, dass ich zumindest im Presse- und Medienrecht aktiv meinen Beitrag leisten könnte. Genau das möchte ich jetzt wortwörtlich tun: Ähnlich wie Frau Ruland, die hier (https://www.lhr-law.de/magazin/urheberrecht/abschiedsgedanken-zur-anwaltsstation-im-referendariat) über ihre Erfahrungen während ihres Referendariats in der Kanzlei berichtete, werde ich über die für mich überraschenden Erkenntnisse während meines Praktikums schreiben.
Für Juristen mögen diese Überraschungen Selbstverständlichkeiten sein – doch ich als absoluter Laie auf diesem Gebiet erlebe während meines Praktikums regelmäßig Aha-Momente, die ich hier gerne teilen möchte.
Folge 1: Ein Lächeln, ein Ja? – Die konkludente Einwilligung
Zwei Mädchen werden auf einer Party in der Disko fotografiert. Sie strahlen in die Kamera. Wenige Wochen später halten die beiden einen Party-Flyer in den Händen – und erschrecken. Die Gesichter auf dem Party-Flyer sind ihre eigenen. Dabei haben sie einer solchen Aktion nicht zugestimmt.
In den Grundlagen des Medienrechts steht dazu:
„Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden. Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.“
Demnach, aber auch nach meinem laienhaften Grundverständnis von Recht scheint mir der beschriebene Fall klar. Wenn die Mädchen nicht eingewilligt haben, dann darf das Foto nicht auf dem Party-Flyer auftauchen. Oder?
Doch je mehr ich dazu lese, desto komplizierter erscheint mir der Fall. Denn dem Medienrecht zufolge gilt auch folgendes:
„Bei der Erstellung von Foto- und Videoaufnahmen genügt eine sogenannte konkludente Einwilligung des Betroffenen. Diese Einwilligung kann angenommen werden, wenn der Betroffene der Aufnahme nicht widerspricht, sondern stattdessen in die Kamera lächelt.“
Was heißt das konkret? Die konkludente Einwilligung ist eine schlüssige Einwilligung. Nehmen wir weiterhin das Beispiel der Mädchen, die auf einer Party fotografiert werden. Bei einer ausdrücklichen Einwilligung müssten diese Mädchen schriftlich zustimmen, dass sie mit der Fotoaufnahme einverstanden sind. Dagegen stimmen die Mädchen bei einer konkludenten Einwilligung nicht schriftlich und direkt zu, sondern tun das stillschweigend durch ihr schlüssiges Verhalten – es genügt also, wenn sie in die Kamera lächeln. Der Fotograf darf aus dem Lächeln schlussfolgern, dass die beiden mit der Fotoaufnahme einverstanden sind. So erteilen die Mädchen mit ihrem Lächeln ihre Einwilligung zur Fotoaufnahme.
Als mir das zum ersten Mal klar wird, kann ich es kaum glauben: Ein einziges Lächeln soll für eine Zustimmung reichen? Das würde ja bedeuten, dass alle Bilder, auf denen lächelnde Menschen zu sehen sind, einfach verbreitet werden dürfen?
Doch auch das stimmt nicht ganz. Das stelle ich allerdings erst fest, nachdem ich in einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg nachlese:
„Voraussetzung für eine konkludente Einwilligung ist, dass dem Abgebildeten Zweck, Art und Umfang der geplanten Veröffentlichung bekannt ist […] Zweck und Umfang der geplanten Veröffentlichung müssen entweder ausdrücklich klargestellt oder nach den Umständen so offensichtlich sein, dass über ihren Inhalt seitens des Einwilligenden keine Unklarheiten bestehen. Weiß der Aufgenommene nicht, in welchem Druckerzeugnis und in welchem Zusammenhang die Veröffentlichung erfolgen soll, kommt eine rechtsgeschäftliche Erklärung nicht in Betracht, weil sein Gegenüber nicht erkennen kann, dass der Betroffene eine Einwilligung “für alle denkbaren” Fälle abgibt.“
Außerdem muss bei Foto- und Videoaufnahmen ganz deutlich zwischen der Erstellung einerseits und der Veröffentlichung andererseits unterschieden werden, lerne ich.
„Für die Veröffentlichung der Foto- und Videoaufnahmen ist jedoch eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich. Einige Ausnahmen, bei denen eine Einwilligung nicht erforderlich ist, sind im Kunsturheberrechtsgesetz geregelt. “
Konkret heißt das für die zwei Mädchen von der Party, dass sie durch ihr Lächeln dem Fotografen zwar ihre Zustimmung zur Fotoveröffentlichung zum Beispiel auf dessen Internetseite bzw. der Internetseite der Diskothek gegeben haben könnten, soweit es für sie ersichtlich war, dass der Partyfotograf die Fotos in einer bestimmten Online-Galerie zur Verfügung stellen wird.
Wenn das Foto der Mädchen auf einem Werbe-Flyer erscheint, wurde das Foto für einen Zweck verwendet, für den die Mädchen keine Einwilligung gegeben haben.
In diesem Fall steht für mich am Ende die Erkenntnis, dass mich mein laienhaftes Grundverständnis für Recht nicht vollkommen getäuscht hat. Zwar obwohl bot der beschriebene Fall eine kompliziertere Sachlage als erwartet, doch bestätigte sich am Ende die Vermutung, die wohl die meisten Laien auch aufgestellt hätten: Die zwei Mädchen hätten nicht auf den Party-Flyern erscheinen dürfen.
Die erschreckende Erkenntnis auf den ersten Blick, ein Lächeln in die Kamera genüge als Einwilligung zum Foto, ist also nicht ganz richtig. Trotzdem haben mir die Einzelheiten dieses Falls gezeigt, dass beim Erstellen und Hochladen von Fotos von anderen Personen nicht umsonst Vorsicht geboten ist. Dabei macht es scheinbar keinen Unterschied, ob man das Foto in einer Zeitung veröffentlicht oder auf Facebook hochlädt – auch wenn das fast alle machen. Wenn man ganz sichergehen wollte, müsste man für jede konkrete Verwendung eines Fotos auch eine schriftliche Zustimmung der abgebildeten Personen einholen. Und das sogar bei privaten Familienfeiern und unter Freunden. Dass man im Alltag fast unmöglich genau das tun kann, ist offensichtlich. Doch zumindest sollten wir unser Bewusstsein dafür schärfen, dass jede Person klare Rechte am eigenen Bild hat, die sehr leicht verletzt werden und im Ernstfall für Ärger sorgen könnten.
Das Gesetz scheint eben nicht nur absolutes „Richtig und Falsch“ oder „Erlaubt und Verboten“ zu unterscheiden. Es gibt unzählige Ausnahmen und Sonderfälle, die immer wieder die individuelle Prüfung eines Einzelfalls erfordern – und damit sowohl die Arbeit mit dem vermeintlich „trockenen Gesetz“ spannend machen, als auch meine Neugier für weitere Fälle wecken. (he)
(Bild: © mihhailov – Fotolia.com)