In Zeiten der Corona-Krise spielt „social distancing“ eine überragende Rolle. Wer Abstand hält, schützt sich effektiv vor einer Ansteckung mit Covid-19.
In Apotheken könnten Apotheken-Automaten den persönlichen Kontakt verhindern. Eine Zukunft haben sie in Deutschland wohl nicht. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gewährleisten sie nicht die Arzneimittelsicherheit.
Die obersten Zivilrichter wiesen daher mehrere Nichtzulassungsbeschwerden der niederländischen Versandapotheke DocMorris ab (BGH, Beschluss vom 30.04.2020, Az. I ZR 122/19; I ZR 123/19; I ZR 155/19). Die Vorinstanzen hatten die Revision zuvor nicht zugelassen.
Instanzgerichte untersagten Betrieb des Apotheken-Automaten
Im April 2017 stellte die niederländische Versandapotheke DocMorris den bundesweit ersten Apotheken-Automat in der nordbadischen Gemeinde Hüffenhardt auf. Durch eine „pharmazeutische Videoberatung“ konnten Kunden Kontakt mit einem Apotheker in den Niederlanden aufnehmen. Die benötigten Medikamente erhielten sie aus dem Automaten. Bereits 2 Tage später untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe das Projekt. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe bestätigte das Verbot (VG Karlsruhe, Urteil vom 04.04.2019, Az. 3 K 5393/17). Vor den Zivilgerichten lief es nicht besser für DocMorris. Sowohl das Landgericht Mosbach (LG Mosbach, Urteil v. 21.12.2017, Az. 4 O 35/17 u.a.) als auch das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2019, Az. 6 U 16/18 u.a.) verboten den wettbewerbswidrigen Automaten durch einstweilige Verfügung. Geklagt hatten mehrere Apotheker und der Landesapothekenverband Baden-Württemberg.
Vorinstanzen: Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente nur durch Apotheken
Die Vorinstanzen gingen von einem Verstoß gegen § 3 a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aus. Nur Apotheker dürften nach dem Arzneimittelgesetz verschreibungspflichtige Medikamente an Verbraucher abgeben.
Der Apotheken-Automat sei entgegen der Ansicht von DocMorris auch kein „antizipierter“ Versandhandel. Der erlaubte Versandhandel setze eine Bestellung des Endverbrauchers zeitlich vor der Bereitstellung, Verpackung und Absendung des Arzneimittels voraus. Diesen Anforderungen werde der Automat nicht gerecht. Die Arzneimittel würden zunächst ohne konkrete Bestellung in Hüffenhardt gelagert und dann auf Kundenwunsch abgegeben werden. Dass DocMorris über eine entsprechende Lizenz verfüge, genüge nicht.
BGH sieht Arzneimittelsicherheit gefährdet
Gegen die Nichtzulassung der Revision legte DocMorris mehrere Nichtzulassungsbeschwerden ein. Diese wies der BGH als unbegründet ab. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Vertriebsmodell der Arzneimittelmittelsicherheit nicht in ausreichender Weise genüge. Ziel sei es, Gesundheitsschäden durch abgegebene Arzneimittel zu verhindern. Daher müssten unter anderem Verwechslungen, Arzneimittelfälschung und der Zugriff Unberechtigter auf Arzneimittel verhindert werden. Der Apotheken-Automat kann dies nach Ansicht des BGH nicht gewährleisten.
Dass OLG habe zudem bemängelt, dass die Arzneimittel in unsicher Weise vor der Bestellung zwischengelagert würden. Mit diesem Aspekt habe sich DocMorris in seinen Beschwerden nicht auseinandergesetzt, rügte der BGH.
Vorlage an EuGH nicht erforderlich
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Zwecke der Vorabentscheidung hielt der BGH nicht für erforderlich. Wie ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit bei Gefährdung der Arzneimittelsicherheit gerechtfertigt werden könne, sei durch die EuGH-Rechtsprechung bereits geklärt.