LG München I weist Antrag auf einstweilige Verfügung zurück: Bei XING besteht eine Impressumspflicht, ein Verstoß dagegen ist jedoch nur Bagatelle – Praxistipp

xingabmahnungDass ein Stuttgarter Rechtsanwalt namens  Michael Winter aktuell  fleißig Rechtsanwaltskollegen abmahnt, die seiner Ansicht nach kein ausreichendes Impressum bereithalten, dürfte sich bereits herumgesprochen haben. Wir berichteten.

Einem von den abgemahnten Rechtsanwälten war am 18.2.2014 ein entsprechender Antrag auf einstweilige Verfügung vor dem Landgericht München  zugegangen. Der Antrag ist hier abrufbar.

Landgericht München I weist Antrag als unbegründet zurück

Das Landgericht München I, an den der Rechtsstreit vom Landgericht München II nach mündlicher Verhandlung verwiesen worden war, hat den Antrag jetzt zurückgewiesen (LG München I, Urteil v. 3.6.2014, Az. 33 O 4149/14). Dies allerdings nicht, weil es den Antrag für unzulässig oder nicht eilbedürftig erachtete. Das Landgericht geht auch grundsätzlich davon aus, dass es sich bei einem XING-Profil um einen Telemediendienst im Sinne des § 5 TMG handelt, der ein Impressum benötigt.

XING-Profil richtet sich nicht an Mandanten?

Die Kammer vertritt allerdings die Auffassung, dass der Verstoß gegen die Impressumspflicht nicht über das Wettbewerbsrecht von Mitbewerbern zu verfolgen sei, da es sich im konkreten Fall um einen nicht spürbaren Rechtsverstoß und somit wettbewerbsrechtlich um eine Bagatelle handele. Dies begründet das Gericht damit, dass unstreitig sei, dass die Internetplattform „XING“ dazu diene, Kontakte zwischen Arbeitqebern und Arbeitnehmern bzw. zwischen Berufstätigen untereinander zu knüpfen. Dass darüber hinaus über „XING“ üblicherweise auch Geschäftsabschlüsse angebahnt und insbesondere Mandatsverhältnisse begründet werden, habe der Antragsteller nicht dargetan. Der Antragsteller habe insbesondere weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass gerade ein Basis-Profil wie dasjenige des Antragsgegners mit den entsprechenden rudimentären Angaben tatsächlich überhaupt von künftigen Mandanten genutzt wird, welche auf diese Weise einen Rechtsanwalt suchen.

So erfreulich die Entscheidung im Ergebnis für den von Herrn Winter mit zweifelhafter Motivation „verfolgten“ Kollegen Fuschi  im Ergebnis sein mag, so zweifelhaft ist deren  Bestand. Da Herr Winter offenbar Berufung gegen die Entscheidung zum OLG München eingelegt hat, bleibt es spannend.

Entscheidung des Landgerichts fehlerhaft

Das Landgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass insbesondere solche Rechtsverstöße gegen nationale Vorschriften, die strenger sind als das Unionrecht, nicht wettbewerbsrechtlich verfolgt werden können. Das liegt daran, dass die Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich der Richtlinie grundsätzlich keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen dürfen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen. Das gilt damit auch für Vorgaben des § 5 TMG, die über die Vorschriften der europäischen Normen hinausgehen.

Bestimmte Informationen gelten als unionsrechtlich als wesentlich

Art. 7 Abs. 5 der UGP-Richtlinie weist allerdings darauf hin, dass alle im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation als wesentlich gelten, und ein Verstoß dagegen somit nicht als Bagatelle angesehen werden kann. In der (nicht abschließenden) Aufzählung dieser Normen in der Anlage II wird diesbezüglich explizit auf die Art. 5 und 6 der e-Commerce-Richtlinie hingewiesen.  Art.  5 Absatz I der e-Commerce-Richtlinie  erfordert neben der Angabe des Namens des Diensteanbieters und dessen Anschrift sowie Angaben zur Kontaktaufnahme und E-Mailadresse sogar, wie es § 5 TMG unter anderem für Anwälte vorsieht, die Angabe der Aufsichtsbehörde und dem Verband oder der Kammer, dem der Diensteanbieter angehört.  Handelt es sich um eine in diesem Sinne wesentliche Information, wird unwiderleglich vermutet, dass sich die Informationspflichtverletzung auf die geschäftliche Entscheidung des Kunden auswirken kann (BGH, GRUR 2011, 82, 83, Tz. 33 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; Köhler/Bornkamm, § 5 a Rdn. 56 f.)

Da das streitgegenständliche Profil, insbesondere in der Version, wie sie für nicht eingeloggte XING-Mitglieder oder Außenstehende sichtbar ist (beispielhaft hier das streitgegenständliche  XING-Profil des Kollegen Fuschi), wie das Gericht zutreffend feststellt, ohne jede Impressumsangabe war (mittlerweile hat XING nachgebessert, siehe unten unter „Praxistipp“), ist das Urteil jedenfalls in seiner Pauschalität nicht haltbar. An dieser Stelle zeigt sich auch das durch uns bereits angesprochene Problem des Antrags. Der Antrag lautet nämlich darauf, es zu unterlassen,  innerhalb des Netzwerks „XING“ gemäß Anlage ASt 1 kein Impressum mit den nach § 5 TMG erforderlichen Pflichtangaben vorzuhalten. Abgesehen davon, dass der Antrag durch die doppelte Verneinung nur scheinbar einen echten Unterlassungsantrag darstellt, während es sich tatsächlich um ein verstecktes Handlungsgebot handeln dürfte, kann vor dem Hintergrund der europarechtlichen Harmonisierung des Verbraucherschutzrechts ein Impressum nach § 5 TMG jedenfalls aur wettbewerbsrechtlicher Grundlage gerade nicht verlangt werden.

XING-Profil richtet sich (auch) an Mandanten

Die Überlegungen des Gerichts dazu, dass ein XING-Profil, anders als zum Beispiel eine Seite auf Facebook oder Google+ nicht von „künftigen Mandanten“ genutzt werde , sind vor diesem Hintergrund nicht zielführend und – bei genauerer Betrachtung des streitgegenständlichen XING-Profils auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Erstens genügt es bereits, dass das Unterlassen der Information, dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Ob es tatsächlich bereits dazu gekommen ist, ist irrelevant. Zweitens ist auch die Einschätzung, dass die Internetplattform „XING“ nur dazu diene, Kontakte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. zwischen Berufstätigen untereinander zu knüpfen, rein spekulativ bzw. falsch. Dies bereits deswegen, da, wie gezeigt, ein XING-Profil, der Öffentlichkeit mit dem angegebenen Leistungsangebot des Profilbetreibers ungefiltert angezeigt wird. Darüber hinaus bestätigt eine Google-Suche mit den Worten „Fuschi Rechtsanwalt“ dieses Ergebnis auch in praktischer Hinsicht: Das XING-Profil wird nämlich als erstes Suchergebnis ausgeworfen. Es ist somit nicht nur nicht fern- sondern sogar ganz besonders naheliegend, dass auch Mandanten bei einer Suche nach dem Kollegen insbesondere auf dieses Profil geführt werden.

Praxistipp:

Auch wenn der Auffassung des Landgerichts München I zufolge keine Abmahnung drohen, sollte man den bei XING mittlerweile eingefügten Impressumsbutton am unteren Ende der Seite mit den entsprechenden Informationen füllen:

(v11 O 51/14 Auch andere Profile sollten auf die Einhaltung der Impressumspflicht überprüft werden. Erstens könnten andere Landgerichte anders entscheiden und zweitens wird das OLG München aufgrund der eingelegten Berufung erneut über den Fall richten. (la)

UPDATE 23.7.2014:

Wie heute bekannt wurde, hat das  Landgericht Stuttgart (LG Stuttgart, Urteil v. 27.06.2014, Az. 11 O 51/14, nicht rechtskräftig) zwischenzeitlich im Rahmen einer negativen Feststellungsklage nicht nur entschieden, dass ein Impressumsverstoß auf XING keine Bagatelle darstellt, sondern auch, dass die Darstellungsweise des Impressums bei XING momentan nicht ausreicht, um der Impressumspflicht gerecht zu werden. Eine Überprüfung am heutigen Tage hat ergeben, dass XING bisher noch nicht reagiert hat und der Impressumslink nach wie vor erst nach Scrollen am unteren Ende des Fensters sichtbar wird.

Für die XING-Nutzer bedeutet dies, dass sie, um ganz sicher zu gehen, ihr Profil abstellen müssten. Da der Fehler einigen leichten Handgriffen zu beheben sein wird, gehen wir davon aus, dass XING nun schnell handelt und die Seitengestaltung anpasst.

UPDATE 26.7.2014:

XING teilt im hauseigenem Blog mit, dass man die Gestaltung der Impressumsangaben nun anhand der Vorgaben aus Stuttgart verbessern wolle. Es geht doch! Wie sagt Kollege Diercks in seinem Blogartikel so schön?: „Anbieterkennzeichnung? No Rocket Science.“.

UPDATE 6.11.2014:

Rechtsanwalt Winter hat die Berufung gegen das Urteil des Landgericht München I (LG München I, Urteil v. 3.6.2014, Az. 33 O 4149/14) zurückgenommen. Allerdings nicht, weil das OLG eine im Person bei Kriegen ablehnen würde, sondern aufgrund einer Gesamtschau des Verhaltens des Herrn Winter bei der Verdacht eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens nahe lag.

UPDATE 20.11.2014:

Das OLG Stuttgart ist offenbar anderer Auffassung, als das Landgericht Stuttgart. Der Kollege Carsten Ulbricht hatte gegen das genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart im Rahmen der von ihm erhobenen negativen Feststellungsklage Berufung eingelegt.

Er berichtet heute  in seinem Blog von der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (Az. 2 U 95/14). Der Senat hat den Angaben des Kollegen zufolge in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass es den vom Kollegen Winter geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus mehreren Aspekten für nicht gegeben erachtet. Der in der Konstellation der negativen Feststellungsklage Beklagte Rechtsanwalt Winter erkannte die Klage nach diesen Hinweisen an. Details dazu bei Carsten Ulbricht.

Die Abmahnwelle des Herrn Winter dürfte daher nun langsam „abebben“. Die Unsicherheit bleibt allerdings. Denn anders als das OLG Stuttgart zweifelte das OLG München nicht daran, dass ein XING-Profil grundsätzlich gemäß §5TMG impressumspflichtig sei.

 

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