„Voraussichtliche Versanddauer“ ist rechtswidrig
Mit Urteil vom 06.09.2012 (verkündet am 05.10.2012) hat das OLG Bremen – 2 U 49/12 – es für rechtswidrig erkannt, dass ein Verkäufer auf Amazon im Wege des Fernabsatzes Waren anbietet und dabei die Lieferfristen mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ beschreibt. Dieses Verhalten hat das Oberlandesgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Bremen verboten.
Das Besondere daran ist, dass die angeführte Angabe nicht vom Verkäufer selbst stammt, sondern von Amazon vorformuliert und – wie auch bei anderen Händlern – unter der Rubrik „Verkäuferinformationen“ automatisch eingebunden war. Die Gefahr, dass die Händler wegen der unbeabsichtigten Verwendung dieses Zusatzes mit einer Abmahnung zu rechnen haben, besteht zudem bei eBay. Auch dort werden die eingestellten Angebote hinsichtlich der Lieferzeitangabe automatisch mit dem Zusatz „voraussichtlich“ versehen.
Argumentation des Gerichts
Auslöser für diese Entscheidung des OLG Bremen war eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung eines Konkurrenten, mit welcher er einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 308 Nr. 1 BGB beanstandet hat. Nach Ansicht des Abmahners stelle der fragliche Hinweis eine unwirksame AGB-Klausel dar, durch deren Verwendung der Verkäufer die gesetzlichen Marktverhaltensregeln verletze und damit einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG begehe.
Das OLG Bremen ist dieser Auffassung gefolgt. Im Urteil heißt es diesbezüglich:
„Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB und nicht um einen bloßen Hinweis oder eine Werbeaussage. Der Vertragspartner des Verwenders kann diese Angabe nach den insoweit maßgeblichen §§ 133, 157 BGB nicht anders als eine Regelung, die den Vertragsinhalt gestalten soll, verstehen. Das ergibt sich aus dem räumlichen Zusammenhang, in welchem die Angabe zu finden ist. So stehen im unmittelbaren Kontext z.B. auch Hinweise zu Garantie, Rücknahme und Erstattungsrichtlinien und Versandkosten. Eine ausdrückliche Bezeichnung als „allgemeine Geschäftsbedingung“ ist ebenso wenig erforderlich wie eine Eingliederung in eine derartige Rubrik, um der Angabe die Qualifikation als Vertragsbedingung beizumessen.
Die Versandbestimmung ist gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ behält sich der Beklagte eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung vor. Damit werden, was die Vorschrift verhindern soll, die dem Kunden im Falle einer Fristüberschreitung zustehenden Rechte, vor allem die aus §§ 281, 323 und 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB ausgehöhlt. Der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot erschwert es dem Kunden insbesondere, das Fristende selbst zu erkennen oder zu errechnen. Wird die Angabe zu Versanddauer durch den Zusatz „voraussichtlich“ relativiert, kann der Kunde nicht selbst zuverlässig einschätzen, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Fälligkeit eintritt und er den Verkäufer in Verzug setzen kann.“
Falsche Wortwahl
Das Bestimmtheitsgebot § 308 Nr. 1 BGB verbietet Klauseln, bei denen sich der Beginn oder die Länge der Frist aus Umständen ergeben, die in der Sphäre des Verwenders liegen und vom anderen Vertragspartner nicht zuverlässig berechnet werden kann bzw. bei denen er das Fristende nicht selbst herbeiführen kann. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hängt immer von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls ab. Verboten wurden beispielsweise schon Formulierungen, in denen die Lieferzeitangaben die Zusätze „annähernd“ oder „in der Regel“ enthalten haben oder auch mit denen der Verkäufer erklärte, er wolle sich um die Einhaltung der angegebenen Lieferzeit „bemühen“.
Das OLG Bremen führt diese Rechtsprechung fort:
„[Der Bewertung der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ als unzulässig] steht nicht der Umstand entgegen, dass andererseits Angaben wie „Lieferfrist ca. 3 Tage“ keinen Bedenken unterliegen […]. Dieselben werden deshalb für zulässig angesehen, weil sich hier die Lieferzeit nach dem Verständnis der Kunden hinreichend zuverlässig eingrenzen lässt. Die „ungefähre“ Festlegung, die die Abkürzung „ca.“ bedeutet, ermöglicht dem Verbraucher ein Verständnis, wonach die Frist – wenn auch unter Vorbehalt gewisser Schwankungen – im Wesentlichen festgelegt ist und die tatsächliche Lieferzeit von dem mitgeteilten Zeitrahmen (z.B. 3 Tage) nur in einem geringfügigen Maße (vielleicht 1-2 Tage) abweichen darf. Schränkt aber der Verwender seine Lieferzeitangebe durch den Zusatz „voraussichtlich“ ein, so zieht er sich damit auf eine zeitliche Prognose zurück, die – das bedeutet das Wort „voraussichtlich“ – letztlich von einer subjektiven Einschätzung abhängt, die nicht unbedingt zutreffen muss und auf deren – auch nur ungefähres – Eintreffen er sich nicht festlegen will. Vergleichbar dem ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 308 Nr. 1 BGB zu beanstandeten Zusatz „in der Regel“ […] fehlt es hier an der dem Verbraucher hinreichende Verlässlichkeit verschaffenden Bestimmtheit oder zumindest Eingrenzbarkeit, weil Ausnahmefälle nicht definiert sind und für diese auch nichts geregelt ist.“
Amazon- und eBay-Händlern drohen Abmahnungen
Die Rechtsfolge, die der Gesetzgeber an den Verstoß gegen §§ 307 ff. BGB anknüpft, ist grundsätzlich, dass die unwirksame AGB-Klausel gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch eine entsprechende gesetzliche Regelung ersetzt wird. Im vorliegenden Fall wäre es § 271 Abs. 1 BGB, der Folgendes festlegt:
„Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.“
Das betrifft erst mal die rechtliche Seite. Man darf aber auch die viel wichtigere praktische Konsequenz des gegenständlichen Urteils nicht außer Acht lassen:
Man muss nämlich bedenken, dass der Zusatz „voraussichtlich“ von Amazon und eBay automatisch hinzugefügt wird, so dass auf diesen Plattformen aktuell eine enorme Anzahl von Händlern tätig ist, die wegen der rechtwidrigen Gestaltung gleichermaßen abmahngefährdet sind. Damit hat die Entscheidung des OLG Bremen das Potenzial, eine regelrechte Abmahnwellen auszulösen.
Das Urteil lautet im Volltext:
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen
Geschäftszeichen: 2 U 49/12 = 90 1600/11 Landgericht Bremen
Verkündet am 5. Oktober 2012 gez.
als Urkundsbeamt, der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
(Verfügungs-) Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin
gegen
(Verfügungs-) Beklagter, Berufungskläger und Berufungsbeklagter
hat-der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2012 durch die Richterin am Oberlandesgericht …sowie die Richter am Oberlandesgericht … und …für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Bremen – 9. Zivilkammer – vom 12. April 2012 abgeändert, soweit darin die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 09.09.2011 aufgehoben und der Antrag auf Erlass derselben zurückgewiesen worden ist
Dem Beklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, auf der Internethandeisplattform Amazon im Wege des Femabsatzes Waren anzubieten und dabei die Lieferfristen für Waren mit der Angabe zu beschreiben „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Gründe:
I.
Die Parteien konkurrieren im Handel mit Bar- und Partyartikeln. Die Klägerin wendet sich gegen eine Internetwerbung des Beklagten für Boston Shaker auf der Internet- Handelsplattform Amazon. Auf den Screenshot vom 29,08.2011 Bl. 11-14 d.A.), der die beanstandete Werbung enthält, wird Bezug genommen.
Die Klägerin beanstandet das Fehlen einer klaren und verständlichen Widerrufsbelehrung (Unterlassungsantrag zu 1) sowie die Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ (Unterlassungsantrag zu 2).
Antragsgemäß hat das Landgericht mit Beschluss vom 09.09.2011 die einstweilige Verfügung gegen den Beklagten erlassen, auf deren Inhalt (Bl. 28 d.A.) Bezug genommen wird. Der Beklagte hat Widerspruch eingelegt.
Mit Urteil vom 12.04.2012 hat das Landgericht Bremen, 9. Zivilkammer, der auf Bestätigung der einstweiligen Verfügung gerichteten Klage zum Teil, nämlich hinsichtlich des Unterlassungsantrages zu 1, stattgegeben. Im Übrigen (Unterlassungsantrag zu 2.) hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 09.09.2011 aufgehoben und den Antrag auf Erlass derselben zurückgewiesen.
Auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils (Bl. 97 – 98 d.A.) wird Bezug genommen.
Beide Parteien haben gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Landgerichts Bremen vom 12.04.2012 aufzuheben, soweit die einstweilige Verfügung vom 09,09.2011 aufgehoben und der Antrag auf Erlass derselben zurückgewiesen wurde;
- dem Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, auf der Internethandeisplattform eBay (im Termin vom 06.09.2012 berichtigt: Amazon) im Wege des Fernabsatzes Waren anzubieten und dabei die Lieferfrist für Waren mit der Angabe zu beschreiben „Voraussichtliche Versanddauer: 1 – 3 Werktage“;
- die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
- unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bremen vom 12.04.2012 den Antrag auf einstweilige Verfügung zurückweisen
- die Berufung der Klägerin zurückweisen
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Parteien ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Der Unterlassungsantrag zu 2. ist nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 308 Nr. 1 BGB begründet.
Entgegen der Ansicht des Beklagten handelt es sich bei der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB und nicht um einen bloßen Hinweis oder eine Werbeaussage. Der Vertragspartner des Verwenders kann diese Angabe nach den insoweit maßgeblichen §§ 133, 157 BGB nicht anders als eine Regelung, die den Vertragsinhalt gestalten soll, verstehen. Das ergibt sich bereits aus dem räumlichen Zusammenhang, in welchem die Angabe zu finden ist. So stehen im unmittelbaren Kontext z.B. auch Hinweise zu Garantie, Rücknahme- und Erstattungsrichtlinien und Versandkosten. Eine ausdrückliche Bezeichnung als „allgemeine Geschäftsbedingung“ ist ebenso wenig erforderlich wie eine Eingliederung in eine derartige Rubrik, um der Angabe die Qualifikation als Vertragsbedingung beizumessen.
Die Versanddauerbestimmung ist gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ behält sich die Beklagte eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung vor. Damit werden, was die Vorschrift verhindern soll, die dem Kunden im Falle einer Fristüberschreitung zustehenden Rechte, vor allem die aus §§ 281, 323 und 280 Abs. 2 iVm. § 286 BGB ausgehöhlt. Der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot erschwert es dem Kunden insbesondere, das Fristende selbst zu erkennen oder zu errechnen. Wird die Angabe zur Versanddauer durch den Zusatz „voraussichtlich“ relativiert, kann der Kunde nicht selbst zuverlässig einschätzen, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Fälligkeit eintritt und er den Verkäufer in Verzug setzen kann.
Dieser Bewertung steht nicht der Umstand entgegen, dass andererseits Angaben wie „Lieferfrist ca. 3 Tage“ keinen Bedenken unterliegen {Senat, Beseht, v. 18.05.2009 – 2 U 42/09; Gruneberg in: Pafandt BGB 71. Aufl., Rn. 8 zu § 308). Dieselben werden deshalb für zulässig angesehen, weil sich hier die Lieferzeit nach dem Verständnis des Kunden hinreichend zuverlässig eingrenzen lässt. Die „ungefähre“ Festlegung, die die Abkürzung „ca.“ bedeutet, ermöglicht dem Verbraucher ein Verständnis, wonach die Frist – wenn auch unter dem Vorbehalt gewisser Schwankungen – im Wesentlichen festgelegt ist und die tatsächliche Lieferzeit von dem mitgeteilten Zeitrahmen (z.B. 3 Tage) nur in einem geringfügigen Maße (vielleicht 1-2 Tage) abweichen darf. Schränkt der Verwender aber seine Lieferzeitangabe durch den Zusatz „voraussichtlich“ ein, so zieht er sich damit auf eine zeitliche Prognose zurück, die – das bedeutet das Wort „voraussichtlich“ – letztlich von einer subjektiven Einschätzung abhängt, die nicht unbedingt zutreffen muss und auf deren – auch nur ungefähres – Eintreffen er sich nicht festlegen will. Vergleichbar dem ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 308 Nr. 1 BGB zu beanstandenden Zusatz „in der Regel“ (dazu z.B. Senat, Beschl. v. 08.09.2009 – 2 W 55/09; KG NJW 2007, 2266) fehlt es hier an der dem Verbraucher hinreichende Verlässlichkeit verschaffenden Bestimmtheit oder zumindest Eingrenzbarkeit, weil Ausnahmefälle nicht definiert sind und für diese auch nichts geregelt ist.
Ohne Erfolg beanstandet die Klägerin darüber hinaus die Begriffswahl „Versanddauer“, die ihrer Auffassung nach zu unbestimmt sei. Der Verbraucher wird unter der „Versanddauer“ in aller Regel die gesamte Lieferzeit verstehen und die Angabe nicht etwa nur auf die Postlaufzeit beschränkt auffassen. Nach einem solchen Verständnis umfasst die Versanddauer die Zeit, welche für Disposition im Warenlager beim Verkäufer, Verpackung, Auslieferung, Postversand insgesamt beansprucht wird.
Die Berufung der Beklagten ist hingegen unbegründet.
1.
Zu Unrecht meint die Beklagte, die Urteilsverfügung vom 12.04.2012 sei, da nicht durch die Klägerin im Wege der Parteizustellung zugestellt, nicht gemäß §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO fristgemäß vollzogen worden.
Ausschlaggebend ist hier vielmehr der Umstand, dass das ursprüngliche Verbot im Urteil des Landgericht gegenüber dem Beschluss über die einstweilige Verfügung vom 09.09.2011 nicht geändert, sondern in einem Teil (Unterlassungsverfügung zu 1.) schlicht erlassen worden ist. Insbesondere ist die einstweilige Verfügung im Widerspruchsverfahren weder geändert noch erweitert worden. In solchen Fällen läuft keine erneute Vollziehungsfrist (Köhler in: Köhfer/Bornkamm, UWG 30. Aufl., Rn. 3.66 zu § 12); Im Falle der bloßen Beschränkung des ursprünglichen Verfügungsinhalts gilt das Gebot der erneuten Vollziehung jedenfalls nicht (aaO.).
2.
Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es nicht an einem Verfügungsgrund. Die Dringlichkeit wird widerleglich vermutet (§12 Abs. 2 UWG; vgl. z.B. BGH GRUR 2000, 151, 152). Die Vermutung kann zwar unter Umständen entkräftet werden bei verzögerter AntragsteHung und durch Zuwarten. So liegt es hier aber nicht. Auf eventuelle eigene Wettbewerbsverstöße der Klägerin kann in diesem Zusammenhang ebenso wenig abgestellt werden wie auf deren allgemeine Kenntnisse über die auf der Internetplattform Amazon übliche Präsentation hinsichtlich der Widerrufsbelehrung. Im Zusammenhang der Kenntnis des Antragstellers darf die Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes des konkreten Verletzers in Betracht gezogen werden; es gibt keine allgemeine Marktbeobachtungspfiicht (Köhler aaO. Rn. 3.15a zu § 12 UWG), so wie auch grundsätzlich der Einwand der „unclean hands“ nicht zugelassen wird (aaO., Rn. 2.38f. zu §11 UWG), auf den der Einwand der Beklagten, der Kläger habe aufgrund eigenen Verhaltens den Regelverstoß gekannt, im Ergebnis hinauslaufen würde. Die Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen liegt im Interesse der Allgemeinheit (aaO. Rn. 2.37).
3.
Es besteht auch, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ein Verfügungsanspruch. Der Verfügungsantrag ist durch die Eingrenzung „wenn dies wie folgt geschieht“ – verbunden mit der Mitteilung der ersten Seite des Amazon-Angebots im Screenshot – hinreichend bestimmt. Denn diese Seite enthält eben, anders als es nach Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB zu verlangen wäre, keine Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts. Der durchschnittliche Kunde wird sich im Regelfall nicht veranlasst sehen, eine weitere Seite aufzuschlagen oder bis an das Ende der Angebotsseite „herunter zu scrollen“ (wo er dann zwar keine Widerrufsbelehrung, aber wenigstens einen Hinweis auf „Umtausch- & Rücknahme“ vorfände); denn die für den Kaufentschluss relevanten Informationen finden sich bereits auf der ersten Seite, so wie sie sich ihm ohne „Scrollen“ darbietet. In einem rechts oben auf dieser Seite befindlichen Feld wird der Kunde eingeladen, sich durch Einloggen an dem „1 -Click“-Verfahren der Internetplattform Amazon zu beteiligen, weiches ihm nach erfolgreicher Registrierung sodann ermöglicht, durch einfaches Anklicken des Feldes „Jetzt mit 1-click ® kaufen“, ohne dass er zur Herbeiführung des Kaufvertrages noch weitere Handlungen vorzunehmen braucht, die Bestellung vorzunehmen.
Damit fehlt es an der nach Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB erforderlichen vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers erteilten Information zum Bestehen des
Widerrufsrechts. Nach § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG steht dem Kläger daher ein Unterlassungsanspruch gegen die unzureichende Verbraucherinformation zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. (pu)